Director’s Fuck

Wolfgang Petersens Film "Das Boot" - jetzt in der Langfassung

Kino bildet gesellschaftliche Zustände ab. Als Idealfall dieser Konstellation bietet sich da die Wiederaufführung des Films "Das Boot" von Regisseur Wolfgang Petersen an. Lesen wir nicht ständig von der Bundeswehr? Passenderweise rückt Petersen den deutschen Soldaten ins rechte Licht.

"Das Boot" erzählt die Geschichte einer deutschen U-Boot-Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Unter schwierigsten Bedingungen - es hagelt einen Haufen alliierter Wasserbomben auf die Köpfe - passiert man die stark bewachte Durchfahrt nach Gibraltar. Hin und wieder wird auch ein feindlicher Frachter liquidiert. Anschließend wird der Kasten im Hafen versenkt. Punkt. Dazwischen sieht man der Besatzung unter dem positiv autoritären "Alten" (Jürgen Prochnow) beim Langeweilen, Schwitzen, Singen und eben Schiffeversenken zu.

1981 kam der Film zum ersten Mal ins Kino, zuvor konnte man eine dreiteilige Fernsehfassung sehen. Die Knallchargen des deutschen öffentlich-rechtlichen Vorabendprogramms boten glänzende schauspielerische Leistungen, zu einer Zeit, als man in deutschen Armeekreisen noch nicht selbst zur Kamera griff: Ochsenknecht, Sander, Wennemann - und wer möchte sich nicht an das witzige "Gespenst" erinnern, den verrückten Maschinisten, der immer mit dem Hörrohr die Kolben im Zylinder checkte. Nein, niemand würde ihnen unterstellen, sie hätten keine respektable Leistung vollbracht, und auch Petersen spielt sein volles Talent aus. Vielleicht taugt ja gerade dieses Thema dazu, besondere Leistungen zu vollbringen.

Das Boot kommt nicht irgendwie wieder, sondern im sogenannten Director's Cut, einer vom Regisseur autorisierten Langfassung (210 Minuten). Und das tut auch not: Denn ganz Deutschland muß sich zur Zeit erklären: Woher kommen nur die vielen Nazis in der Bundeswehr? Vielleicht ja auch, weil es in Deutschland immerhin möglich war, 1979 das Buch eines profilierten Kriegsberichterstatters zu verfilmen: "Das Boot" stammt aus der Feder von Lothar-Günther Buchheim (Herbert Grönemeyer spielt seine Rolle des nie beteiligt gewesenen Reporters), der 1943 das Heldenepos "Jäger im Weltmeer" verfaßte. Kein Wunder also, daß der Film Marine, Wehrmacht und sonstiges vor der Verantwortung rettet. Und nebenher den Beweis erbringen möchte, daß der deutsche Soldat nicht nur unpolitisch, sondern auch nie und nimmer ein Rechtsradikaler sein kann.

Mies sind in Petersens Werk die Nazis, die in schneidendem Ton zackig daherreden, und die guten Jungs, die die Nazis affig finden, mit Parteigequatsche beim Ausüben ihres tödlichen Handwerks stören. Ließe man den Alten und seine Mannschaft nur machen, der Krieg wäre schnell gewonnen. Will sagen - mit Buchheimscher Ironie -, eigentlich ist Krieg ja sinnlos, mindestens ein bißchen: Deswegen wird auch das U-Boot im Hafen versenkt. War alles umsonst, vergeudete Liebesmüh, die ganze Kaperfahrt. Schüsse zerstören das Männerkollektiv.

Ein Anti-Kriegsfilm sollte es sein, das lag nahe, denn alle Kriegsfilme sind ja irgendwo Antikriegsfilme. Und das gleiche, das soll hier nicht verschwiegen werden, gilt dann wohl auch für Literatur, insbesondere für den Marine-Autor Lothar-Günther Buchheim, der den deutschen Kämpfer als augenzwinkernden Kerl darstellt, der das Beste aus den besten aller möglichen Weltmeere macht, in denen er unversehens herumschwimmt. In die Produktion wurde ein Haufen Geld von der Bavaria, von WDR und SDR gesteckt.

Wenn also auch weiterhin allerorten gestaunt wird, daß es in der Bundeswehr Rechtsradikale gibt, sollte man sich mal fragen, welches Bild der Vorgänger-Armee in der populären Kultur vermittelt wird: Wir sind's nicht, der Führer ist's gewesen, lautet die volksnahe Interpretation. Der deutsche Soldat: ein solider Praktiker, wenn man ihn nur läßt. Aber Petersen hatte auch einfach noch was gutzumachen: Schließlich war sein Schwulenfilm "Die Konsequenz" 1977 vom Bayrischen Rundfunk boykottiert worden.

Also: Der Soldat in der Schlacht. Das deutsche Kino ist um besondere Formen der Traditionsvermittlung nicht verlegen. Alles gute Kämpfer. Zum Beispiel im Dokumentarfilm "Das war unser Rommel" aus dem Jahre 1953, über den das "Katholische Filmlexikon" schreibt: "Der Film gibt sich demokratisch, huldigt aber einer bereits in seinem Titel signalisierten Heldenverehrung, die nicht frei von reaktionärem Mystizismus ist." Grund genug also für den Constantin-Verleih, ihn 1993 in den Video-Handel zu bringen. Abgesehen davon sind die Programme öffentlich-rechtlicher Anstalten mit Filmen aus der guten alten Zeit 1933 bis 1945 geradezu übersät.

Nun, das war unser Boot: Petersen, der Star-Regisseur und seine Star-Truppe erzählen ihre Geschichte natürlich intelligenter als andere Schinken. Nebenbei bemerkt, erlebt die deutsche Geschichte auch im Ausland ihre Rehabilitation, vielleicht, weil man den einen oder anderen damit ärgern kann. Wer will da nachstehen. "Der englische Patient" zum Beispiel verklärt die Wehrmacht zur humanistischen Instanz, "Sieben Jahre Tibet" einen SS-Mann in Form von Brad Pitt zur guten Seele von Himalaya. Wohin übrigens sein Chef Himmler schon nach mit den Ariern verwandten Herrenvölkern hat suchen lassen.

"Das Boot" - der richtige Film zum richtigen Zeitpunkt. Wenig mag man den Wehrmachtssoldaten vom heutigen Bundeswehrgefreiten unterscheiden. "Die Schauspieler erzeugen Intensität trotz platter Dialoge, Petersen kann Gesichter zur Wirkung bringen und hat Gespür für Timing; Kamera und Schnitt sind brillant - alles sehr professionell gemacht, eindrucksvoll, perfekt, spannend. Wenn es nur nicht um die deutsche Geschichte ginge", schrieb die taz. Die deutsche Filmkunst ist schon verehrungswürdig. Leider geht es aber um die deutsche Geschichte. Petersen wird schon gewußt haben, was er tat. Und um die Sache abzurunden: "Das Boot" ist ein weiterer faschistoider Film von der guten Armee. Er erledigt seine öffentlich-rechtliche Aufgabe, klarzumachen, die deutschen Streitkräfte seien keine verbrecherische Organisation gewesen. Einen Hans-Filbinger-Cameo-Auftritt als Marinerichter, der die Todestrafe verhängt, wär's doch gewesen, zwischen all den Eindrücken, der Perfektion und Spannung. Sehr spannend. Schon weil es um die deutsche Geschichte geht.

"Das Boot". D 1979-1981/1997. R.: Wolfgang Petersen