Pinochets Sicherungen halten stand

Das Vertrauen der Staatsbürger in Chiles autoritären Parlamentarismus sinkt

Bis zum Wahltag hatte das chilenische Regierungsbündnis Concertaci-n von Präsident Eduardo Frei auf eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament gehofft. Doch letztendlich bestätigten die Wahlberechtigten das bisherige Kräfteverhältnis zwischen Regierungsbündnis und Rechtsopposition. Die Concertaci-n wird mit einer knappen absoluten Mehrheit von 50,54 Prozent weiter den Kongreß dominieren - von einer Zwei-Drittel-Mehrheit keine Spur. Mit einer solchen wäre eine Änderung der autoritären Verfassung möglich geworden.

Zudem schnitt die Renovaci-n Nacional, ein potentieller rechtsliberaler Partner von Freis Mitte-Links-Koalition, schlechter ab als erwartet. Auf die rechtskonservative, dem ehemaligen Diktator Augusto Pinochet nahestehende Unabhängige Demokratische Union (UDI) entfiel hingegen der Großteil des etwa achtprozentigen Stimmenzuwachses des rechten Bündnisses Union für Chile. UDI-Chef Jovino Novoa präsentiert seine Partei bereits als Regierungsalternative für die Präsidentschaftswahlen im Jahre 1999. Auch die kommunistische Partei Chiles gehört zu den Wahlgewinnern. Sie verbesserte ihren Stimmenanteil um zwei Prozentpunkte auf 6,85 Prozent, zog jedoch nicht ins Parlament ein. Gladys Marin, Generalsekretärin der KP und erbitterte Gegnerin Pinochets, zeigte sich zwar erfeut über den Stimmenzuwachs ihrer Partei; bei ihrer Kandidatur für einen der 48 Sitze im Senat, dem chilenischen Oberhaus, konnte sie jedoch nur ganze elf Stimmen verbuchen.

Für die Vergabe der Senatorenposten gilt das sogenannte binominale Wahlsystem, das dem Wählerwillen recht wenig Rechnung trägt. Will eine politische Partei in einem Bezirk beide zur Abstimmung stehenden Senatorenmandate erringen, muß sie mindestens doppelt soviele Stimmen wie der Zweitplazierte erlangen. Dank dieser von Pinochet selbst in der Verfassung festgeschriebenen Regelung gewann im Wahlkreis Punta Arenas der Ex-Innenminister des Militärherrschers, Sergio Fernandez, einen Senatorenposten. Dabei lag Fernandez rund 20 Prozentpunkte hinter seinem Gegenkandidaten, dem Sozialisten Rolande Calder-n. So erhalten die rechten Parteien des Landes einen höheren Anteil an den 48 Senatorenposten, als es ihr Wählerpotential von 35 Prozent vermuten ließe. Insbesondere können sie Verfassungsänderungen blockieren.

Neun der insgesamt 48 Senatoren werden zudem nicht gewählt, sondern ernannt. Vier vom militärischen Nationalen Sicherheitsrat, der in der Regel die Oberkommandierenden der einzelnen Heeresverbände entsendet. Weitere drei durch den Obersten Gerichtshof, der traditionell Pinochet-nahen Vertretern zur Senatorenwürde verhilft. Die restlichen beiden Senatoren werden vom Präsidenten berufen, der wiederum Mitglieder des Regierungsbündnisses ernennt. Jedoch werden diese kaum mehr ins Gewicht fallen, da aufgrund des guten Wahlergebnisses der UDI die gewünschte Senatsmehrheit längst erreicht sein dürfte.

Diese beinahe aussichtslose Situation für die Reformierung des politischen Systems hat dazu geführt, daß eine Million Jungwähler sich erst gar nicht in die Wahlregister eintrugen. Eine weitere Million Wahlberechtigter gab leere oder ungültige Stimmzettel ab, womit das Ergebnis der Regierungskoalition, die vier Prozentpunkte einbüßte, plausibel wird. Die Parteistrategen hatten es nicht geschafft, das vordringliche Ziel der Verfassungsreform in den Mittelpunkt des Wahlkampfes zu stellen bzw. die Wähler davon zu überzeugen, daß es möglich sei, die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit in Kongreß und Senat zu erreichen.

Zu frisch war da wohl auch noch die Erinnerung an den kläglich gescheiterten letzten Anlauf zur Verfassungsreform vom vergangenen Mai. Alles schien minutiös vorbereitet: Die Parteiführung der Renovaci-n Nacional hatte ihre Abgeordneten angewiesen, für die Verfassungsreform und damit für die Demokratisierung des politischen Systems zu stimmen. Doch ein Teil der Senatoren widersetzte sich der Order und votierte mit der UDI gegen die Abschaffung entsprechender Verfassungsartikel.

Besonders deutlich fiel der Protest gegen das allgegenwärtige Gespenst Pinochet bei den Studenten aus. Seit im Vorfeld der Parlamentswahlen nunmehr auch zwei große Universitäten der Hauptstadt Santiago kommunistische Studentenvertreter wählten, ist nahezu jede Universität des Landes mit einer kommunistischen Studentenexekutive versehen - sogar die Universidad Catolica, traditionelle Ausbildungsstätte der Ultrarechten und Kaderschmiede der Getreuen Pinochets.

Nun wird Pinochet höchstwahrscheinlich bereits zwei Monate früher als geplant in den Senat einziehen. Bereits im Januar soll der Senator auf Lebenszeit sich an die Spitze der Fraktion der Ewiggestrigen setzen - geschützt von einer kugelsicheren Glaskuppel, die seinen Sitz umgeben wird.