Teheran ohne Strom

Auf der Islamischen Konferenz in der iranischen Hauptstadt einigte man sich auf bessere Zusammenarbeit. Allerdings bestehen wirtschaftliche Differenzen

Zum achten Gipfeltreffen der Islamischen Konferenzorganisation (OIC) in der vergangenen Woche kam sogar der ehemalige Chef des sowjetischen Geheimdienstes KGB und frühere Erste Sekretär der KPdSU, Heidar Alijev. Der ist nämlich mittlerweile Präsident der Kaukasusrepublik Aserbaidschan und war als solcher vom Gastgeber Iran eingeladen worden. Schon zur Regierungszeit von Michail Gorbatschow hatte

Alijev gegen die Unterdrückung der Muslime in der Sowjetunion protestiert. Nun forderte er auf der Konferenz, die vom Westen unterstützten christlichen Armenier müßten stärker unter Druck gesetzt werden. Der frühere Staatspräsident Irans und jetzige Vorsitzende des einflußreichen "Organs zur Erkennung der Interessen der Staatsordnung", Hashemi Rafsandjani, versprach Alijev iranische Untersützung auf allen Gebieten.

Aus Sicherheitsgründen und der Angst vor Anschlägen wurde die 13-Millionen-Metropole Teheran während der dreitägigen Tagung zur autofreien Zone erklärt. Nur die Limousinen der islamischen Staatsgäste durften durch die Stadt fahren. Just am zweiten Konferenztag verursachten "Schneestürme" einen Stromausfall im Konferenzviertel. Gerüchte gehen allerdings davon aus, daß keine natürliche Ursache dies verschuldet hatte.

Zum Abschluß der Konferenz in Teheran einigten sich die 55 beteiligten Länder auf eine Verurteilung Israels wegen "Staatsterrorismus". Der iranische Präsident Sejed Muhammad Khatami betonte laut der Nachrichtenagentur Irna schon zu Konferenzbeginn die Wichtigkeit einer Einheit und die Funktion der Weltkonferenz als Interessenvertretung der islamischen Länder. Deren militärische Sicherheit sei voneinander abhängig.

Die Konflikte unter den Mitgliedstaaten der OIC müßten beseitigt und die wirtschaftliche Zusammenarbeit miteinander ausgeweitet werden. Eine bessere Kommunikation zwischen den islamischen Ländern könne - zum Vorteil aller 1,2 Milliarden Muslime - einen Konsens der Staaten herbeiführen.

Die islamische Konferenz in Teheran war insofern ein Wendepunkt für den Mittleren Osten. Die ehemals verfeindeten Staaten Irak, Iran und Saudi-Arabien haben einen gemeinsamen äußeren Feind neu definiert: Israel, die USA und eigentlich die gesamte westliche Welt. So erschien der irakische Staatschef Saddam Hussein zwar nicht zur Konferenz im Nachbarland, entsandte jedoch mit seinem Stellvertreter Jassin Ramazan einen ranghohen Vertreter.

Hussein selbst, so hieß es aus Bagdad, konnte wegen der Präsenz der US-Amerikaner am Golf nicht teilnehmen.

Khatami betonte seinerseits, die "historischen Wurzeln" besonders des iranischen wie irakischen Volkes seien untrennbar. "Wir müssen unsere Probleme selbst lösen, denn unsere Feinde wollen nicht, daß ein starker Irak und ein starker Iran in der Region herrschen", zitiert Irna den Iraner. Außerdem hätten die "teuflischen Machenschaften" der Großmächte Europa, Japan und USA dazu geführt, daß sich muslimische Länder bekämpften. Die Konferenzteilnehmer kamen überein, die militärische Präsenz der USA am Persischen Golf müsse ein Ende haben. Ein aus Washington angereister Islam-Prediger beklagte die Lage der Muslime in westlichen Ländern. Aber von der Menschenrechtsdeklaration der Vereinten Nationen (UNO) wollte auf der OIC-Konferenz niemand etwas wissen. Denn die "islamischen Menschenrechte" würden in der zeitlosen Gesetzgebung der Scharia festgehalten, die für alle Zeiten und Regionen der Welt gültig sei.

Von der UNO erwartet Ayatollah Khamenei, Irans religöser Führer, lediglich einen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat mit Vetorecht. Der Uno-Generalsekretär Kofi Annan bemerkte zunächst, daß die OIC immerhin einen Beobachterstatus im Sicherheitsrat habe. Die Generalversammlung der Uno hat jedenfalls am 12. Dezember in einer Resolution die iranische Führung aufgefordert, die Todesstrafe wegen Vergehen aufzuheben, die ohne Gewaltanwendung verübt worden sind. Zudem müsse das Land Menschenrechte für Frauen gewährleisten und die Verfolgung religiöser Minderheiten beenden.

Anders als bei der Organisation Erdölproduzierender Staaten (OPEC), die auf ihre ökonomische Machtposition setzt, wurde bei der OIC-Tagung die islamische Identität als ideologische Waffe scharfgemacht.

Die Konturen eines in seinem Selbstverständnis sehr religiös fundierten Staatenblocks zeichnen sich damit zwar ab, von einem einheitlichen starren Block kann dennoch kaum die Rede sein. Die nationalen Wirtschaftsinteressen und die Lebensstandards sind zu verschieden, als daß die beschworene islamische Einheit erreicht werden könnte. Das zeigt allein die Existenz der "Gruppe acht" der wirtschaftlich stärkeren islamischen Staaten Ägypten, Bangladesch, Indonesien, Iran, Malaysia, Nigeria, Pakistan und Türkei. Diese wollen in erster Linie ihre Beziehungen auf den Gebieten der Wirtschaft und der Wissenschaft verstärken, aber auch als Wirtschaftslokomotive für die ärmeren islamischen Staaten fungieren. Ziel ist die bessere Durchsetzung der ökonomischen Interessen gegenüber den Industrienationen.

Durch den religiösen Appell zur Einheit wurden die nicht existenten gemeinsamen Wirtschaftsinteressen kaschiert. Auch die islamischen Gesellschaften folgen den Konkurrenzgesetzen des Marktes und verstecken dies bestenfalls hinter der Fassade des aggressiven politischen Islams. Schon Irans früherer religiöser Führer Ayatollah Khomeini kaufte Waffen aus Israel, als diese für den Krieg gegen Irak benötigt wurden, und Khatami weiß ebenfalls, daß im Interesse der eigenen Wirtschaft Handelsbeziehungen mit dem Westen unvermeidbar sind. An einer friedlichen Koexistenz mit dem Westen führt also kein Weg vorbei. Dazu hat die islamische Konferenz jedoch kaum beigetragen. Die Parolen der Mullahs, die Israel und den USA den Garaus machen wollen, machen eine nicht-militärische Lösung eher unwahrscheinlich.

So wurde auch auf die Türkei entsprechender Druck wegen der engen Zusammenarbeit mit Israel und den USA ausgeübt: Präsident Süleyman Demirel sicherte am 10. Dezember Khatami zu, sein Land werde sich von Israel abwenden, wenn die Zeit dafür reif sei. Tags darauf versicherte der Vertreter des türkischen Außenministeriums, Andican, die Türkei werde sich an für Anfang Januar vorgesehenen israelisch-US-amerikanischen Manövern nicht beteiligen.