Grübeln über die Marktregulierung

Globalisierung und / oder Regionalisierung - Was kommt nach der Nationalökonomie?

Nach der Welle populärwissenschaftlicher Pamphlete zum "Terror der Ökonomie" und zur "Globalisierungsfalle" versuchen nun Verlage mit differenzierteren Darstellungen das geweckte Interesse zu nutzen. Der vorliegende Band faßt die Beiträge zur Konferenz "Weltwirtschaft und Nationalstaat zwischen Globalisierung und Regionalisierung" zusammen, die 1996 in Frankfurt am Main stattfand. Die Initiativgruppe Regulationstheorie, in der sich mehrere junge Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler zusammengefunden haben, stellt in ihrem Einführungsbeitrag fest, daß "die unkritische Rede von der Globalisierung zu einem wesentlichen Element ideologischer Herrschaft avanciert" ist. Sie fassen zentrale Momente der zunehmenden Internationalisierung des Kapitals zusammen und verweisen auf die damit einhergehende Transformationen im Bereich der Politik.

Bob Jessop faßt in einem umfangreichen Beitrag seine Thesen zur Zukunft des Nationalstaates zusammen, denen zufolge es weder zu einem Bedeutungsverlust noch zur Auflösung des Nationalstaates kommt, sondern zu einer Transformation vom keynesianisch geprägten Wohlfahrtsstaat zu einem Schumpeterschen Workfare-Regime.

Elmar Altvater untersucht im Anschluß an seine gemeinsam mit Birgit Mahnkopf verfaßte und bereits nach kurzer Zeit zum Standardwerk avancierten Studie "Grenzen der Globalisierung" den Fetischismus des Geldes, das er als "sozial konstruiertes substanzloses Nichts" charakterisiert. Verändert habe sich, so Altvater, die materielle Gestalt des allgemeinen Äquivalents. Implizit zielt er damit in die gleiche Richtung wie David Harvey, der in seinem Beitrag nachweisen will, wie im Zeitalter der Globalisierung "soziale Beziehungen zwischen Menschen" in "soziale Beziehungen zwischen Dingen umgewandelt werden können".

Danièle Leborgne konstatiert in der augenblicklichen Krisensituation die Existenz zweier Wachstumsmodelle. Auf der einen Seite versuche das postfordistische Modell die positiven Elemente des traditionellen Fordismus beizubehalten und gleichzeitig neue Möglichkeiten zu erschließen, während auf der anderen Seite das neotayloristische Modell eine konsequente Politik der Deregulierung und Kostensenkung betreibe. Leborgne hält die postfordistische Variante sowohl für zukunftsträchtiger als auch für sozial verträglicher. In Ländern wie der BRD und Österreich, die sich im Gegensatz etwa zu den USA und Großbritannien nicht deindustrialisierten würden, hält er Vollbeschäftigung auch in Zukunft für möglich.

Weitere Beiträge setzen sich mit den Auswirkungen von Globalisierung und Regionalisierung anhand einzelner Länder und Regionen auseinander. Makoto Itoh untersucht die Veränderungen in der japanischen Wirtschaft und deutet auf Ansätze für eine neue linke Opposition jenseits der traditionellen Gewerkschaften in Japan hin. Ngai Ling Sum kritisiert zum einen den Eurozentrismus der Regulationstheorie und analysiert zum anderen die Wachstums- und Regulationsmodelle des "ostasiatischen Nachzüglerkapitalismus".

Jacob Torfing untersucht vor dem Hintergrund von Bob Jessops Staatsanalyse und ausgehend von einer an Gramsci orientierten Kritik an liberalen und traditionell-marxistischen Wohlfahrtsstaats-Theorien die bisherigen, die gegenwärtigen und die zu erwartenden Transformationen des skandinavischen Wohlfahrtskapitalismus anhand des dänischen Beispiels. Den Abschluß des Bandes bildet eine Untersuchung von Jane Jenson über Klasse, Geschlecht und Gleichheit sowie über die verschiedenen Staatsbürgerschaftsregime im Fordismus und im Postfordismus.

Alle Beiträge des Sammelbandes bieten wertvolle Analysen zu den nationalen und internationalen Veränderungen, die seit dem Umbruch der kapitalistischen Weltwirtschaft zu Beginn der siebziger Jahre zu beobachten sind. Fast allen Aufsätzen ist aber auch anzumerken, daß hier Analyse mit dem Vorsatz betrieben wird, Perspektiven für linke Politik aufzuzeigen, anstatt zuerst einmal nach der strukturellen Problematik linker Politik gerade angesichts der Globalisierung zu fragen. Würde Altvater seine Kritik des Fetischismus ernst nehmen, müßte er die Aufhebung der Warenproduktion proklamieren. Statt dessen grübelt er über die bessere Regulierung der Märkte nach. David Harvey hat zwar jede Menge Einwände gegen einen linken Populismus, will sich aber doch "auf die populären Kämpfe einlassen".

Die Initiativgruppe Regulationstheorie teilt Harveys Einschätzung, daß die "vielfältigen, zersplitterten sozialen Kämpfe auf lokaler oder nationaler Ebene (...) implizit antikapitalistisch" seien. Worin so ein impliziter Antikapitalismus besteht oder wohin er führen kann, wird nicht thematisiert. Die Initiativgruppe weiß zwar unter Bezugnahme auf den Buchbeitrag von Jane Jenson von der Spaltung der Lohnabhängigen mittels Rassismus und Nationalismus zu berichten. Für die strukturellen Affinitäten zum Antisemitismus, die auch bei vielen linken Kritiken der Globalisierung existieren, interessieren sie sich jedoch nicht. Gerade diese Affinität macht aber die Schwierigkeiten einer positiven Bezugnahme auf die "populären Kämpfe", in denen aus einer strukturellen Affinität schnell eine inhaltliche wird, aus.

Steffen Becker / Thomas Sablowski / Wilhelm Schumm (Hg.): Jenseits der Nationalökonomie? Weltwirtschaft und Nationalstaat zwischen Globalisierung und Regionalisierung. Argument-Verlag, Hamburg 1998, 250 S., DM 34,80