Panik auf P

Paul Verhoeven entwirft in "Starship Troopers" die Zukunft als Projektion der Zeitgeschichte

Keinen Kommunismus und auch keinen richtigen Kapitalismus gibt es mehr in der fernen Zukunft. Gender, race, class - alles kein Thema, wie nach der Judith-Butler-Lektüre. Männer und Frauen stehen sogar zusammen unter der Dusche (nackt). Und machen sich gar nichts daraus.

Der Grund: die etwas andere Gesellschaftsordnung. Es gibt nur noch Soldaten und Zivilisten, was die Differenzen ein bißchen übersichtlicher macht. Jedenfalls, wenn man Regisseur Paul Verhoeven und seinem Film "Starship Troopers" glauben darf. Und alles ist gut: Die Menschen gehen auf die Highschool, sehen prima aus, haben fast ständig gute Laune und nette Eltern. Nach dem Abitur reißen sie sich darum, für Volk und Vatererde als "Starship Troopers" zu dienen - das kann zwar zu Hause schon mal zu leichten Verstimmungen führen. Aber die EJ (Erde-Jugend) hat eben ihren eigenen Kopf.

Für Johnny Rico (Casper van Dien), seine Freundin Carmen (Denise Richards) und Dizzy (Dina Meyer), die Johnny leidenschaftlich liebt, scheint der weitere Weg vorgezeichnet: Carmen wird Raumschiff-Kapitänin, Dizzy und Johnny treffen sich bei den Troopers wieder: Im Ausbildungscamp Curry lassen sie sich vom Kommißkopp Zim (Lancy Brown) zu gnadenlosen Kampfmaschinen ausbilden, bis auch das letzte Gramm überschüssiges Fett aus den ohnehin schon gut trainierten Körpern entfernt ist. Und doch ist da ein Problem: Johnny liebt Carmen so sehr, daß er immer an sie denken muß. Die aber lernt das Rückwärtseinparken von interstellaren Gleitern ausgerechnet von Zander (Patrick Muldoon), dem Football-Crack, den sie immer schon spitze fand. Aber dann - Johnny schießt einem Rekruten im Manöver den Kopf ab. So ein Pech. Tief depressiv verläßt er die Armee.

Endlich tauchen echte Feinde auf. Carmen hat mit ihm Schluß gemacht - nein: Ein großer Meteor wird auf die Erde geworfen und zerplatzt auf Buenos Aires, Johnnys Heimatstadt - zehn Millionen Tote. Auch Ma & Pa tun sich weh. Ein zweites Pearl Harbour für die Menschheit. Johnny geht stracks zurück zur Armee.

Wer ist der stellare Steineschmeißer? Die Verantwortlichen sind schnell gefunden: die Chaoten-Insekten vom Planet Klendathu. Die fressen erstens alles und jeden an und auf. Bei einer durchschnittlichen Maulgröße von drei Metern bereitet ihnen das wenig Schwierigkeiten, aber viel Spaß. Zweitens lebt unter ihnen das "Gehirn", das den Zuwachs seines Intelligenzquotienten ausschließlich daraus bezieht, staatstreuen Erdenmenschen die Schädeldeckel einzutrümmern und ihre graue Zellen zum Frühstück zu verspeisen. Es ist beschlossene Sache: Die Menschheit rüstet zum Kampf gegen die ekligen Außerirdischen.

Die ganze Armee verladen und zum Planeten P geflogen. Aber unsere Insekten warten schon. Was keiner wußte: Es gibt noch eine äußerst große Sorte, die in der Lage ist, Energiebomben ins All zu furzen. Viele Freunde kommen erstmal um, da helfen auch Carmens Manövrierkenntnisse nichts. Kann die Invasion trotzdem gelingen?

Kaum auf P angekommen, greifen die Käfer an, was der Blitzkrieg hält. Zum Glück kann der Kampf vom interaktiven Infomercial-Sender "Fed Net" direkt in die heimischen Wohnzimmer übertragen werden, womit die kleine Geschichte auch medienkritisch metadebattiert werden kann. Die Kameramänner berichten aufopferungsvoll, bis sie kopfüber im Sand stecken. Viel anderes ist auch nicht mehr dran: Arm, Niere und Leber fliegen im hohen Bogen. Bei den schlimmsten Szenen blendet der Sender schwarze Balken ein - "censored".

Die Troopers haben ungeheure Verluste. Doch Jammern hilft ja nicht. Und deswegen geht es nach dem kurzen Rückzug wieder los, diesmal gleich nach Klendathu, um der moralisch völlig verrotteten Käferschar den Rest zu geben und das "Gehirn" zu sezieren. Dizzy und Johnny kämpfen diesmal unter dem - wir sind selbst ein bißchen korporiert - alten Highschool-Lehrer Raszak (Michael Ironside), der sich allerdings nicht lange auf den Füßen halten kann. Ein böses Insekt ißt sie auf. Aufrecht stirbt das Vorbild. Jetzt geht's ums Ganze. Und einen ersten Erfolg kann Johnny immerhin feiern: Nachdem er mit seiner Maschinenwaffe eine Viertelstunde auf dem Chitin-Panzer eines Riesenkäfers herumgenagelt hat, bricht das sonst unanfällige Insekt endlich auf. Handgranate rein, bumm. Alle dreckig, aber glücklich. Jetzt eine kleine Sexszene, aber nicht zuviel davon, weil keine Zeit ist. Johnny findet Dizzy endlich nett - und schon ist das Mädchen von den Monstern erledigt. Nun gilt es, das grausame "Gehirn" einzufangen und einer wissenschaftlichen Analyse zuzuführen. Seltsam, daß die Regierungsorgane, die irgendwann auf Klendathu auftauchen, so verdammt nach SS aussehen - der Krieg hat selbst die Guten ganz komisch gemacht.

Dritter Weltkrieg, sadistische Feinde, ein "epischer Kriegsfilm" (Verhoeven) - antideutsche und japanische Propaganda ("Air Force", "Clouds over Europe", "Action in the North Atlantic") stehen hier Pate. Paul Verhoeven hat seit langem wieder einen Science-Fiction-Film abgeliefert. Roland Emmerichs "Independence Day" läßt er gnadenlos rechts stehen, denn wo Emmerich mit seinen gesammelten Filmblödheiten aufhört, hat Verhoeven noch nicht mal angefangen. Und in "Event Horizon" mag man nicht mehr gehen, in Tim Burtons "Mars Attacks" vielleicht.

Als Verhoeven vor einigen Jahren "Total Recall" (1990) inszenierte (mit Arnold Schwarzenegger in der Titelrolle) war schon längst abzusehen, daß er mit seinen Gewalt- und Sexphantasien über dem Durchschnitt liegt. "Türkische Früchte" (1973), "Soldiers" (1977), "Flesh and Blood" (1985) und "Robocop" (1987) zeigten so viel mehr schwachsinnige Einfälle als andere Filme, daß man getrost zu dem Schluß kommen konnte, der Mensch habe einen respektablen Dachschaden. Zu "Basic Instinct" (1991) erübrigt sich jeder Kommentar, nach "Showgirls" glaubte niemand daran, daß Verhoeven jemals wieder Produktionsgelder bekommen würde. Und jetzt gleich 120 Millionen.

Wer nur hat ein Interesse, diesen Unfug zu finanzieren? Wer will einen Film haben, in dem massenhaft strahlende Schönheiten von Beverly-Hills-90210-Zuschnitt in Stücke gerissen werden? Deren Spielkünste nicht erwähnt werden müssen, weil sie zum einen relativ unbekannte Leute sind, und andererseits in jedem Film Schauspieler drin sind - bemerkenswert ist dabei allerdings, daß das Jungstartrio van Dien, Meyer und Richards exakt so aussieht wie Jan Ullrich, Verona Feldbusch und Franziska van Almsick. Aber: Für komischen Kram viel Geld ausgeben, das ist ja der Sinn von Kapitalismus. Weil das die Kaufkraft anhebt. Warum, das läßt sich im Moment nicht erörtern (siehe Wertschöpfungsgesetz).

Verhoeven kann man getrost als den Woody Allen des Trasher-Films bezeichen. Seine Figuren kapieren nicht, warum sie in ihrem Körper auch noch einen Verstand haben, der ihnen was vom autonomen Individuum einfaselt. Wovon sie auch gar nichts wissen wollen. Aber sie können mit der Fernbedienung umgehen und haben die MP zu benutzen gelernt. "Starship Troopers", die Verfilmung einer Geschichte von Science-Fiction-Autor Robert A. Heinlein, zeigt, mehr noch als die anderen wegweisenden Werke Verhoevens den ironischen Zugang zu Terrorismustheorien und ihrer medialen Verwertung. Käfer, Kampf, Faschismus? Ein Fall für Ernst Jünger? Ist nicht gerade ein neuer Bug von VW auf dem Markt? Wurde nicht vor kurzem eine Zeitung namens De:Bug gegründet? Ein erschreckend aktuelles Thema.

"Starship Troopers". USA 1997. R: Paul Verhoeven, D: Casper van Dien, Dina Meyer, Denise Richards, Jake Busey, Michael Ironside u.a. Start: 29. Januar