Schneetreiben in Dresden

Gut geschützt von der Polizei demonstrierten 1 200 Rechte gegen die Wehrmachtsausstellung

Die Glatzen waren frisch rasiert, in den polierten Springerstiefeln steckten neue weiße Schnürsenkel. Vor allem rechte Skinheads und Neonazis waren am vergangenen Samstag dem Aufruf der NPD gefolgt und versammelten sich ab zehn Uhr auf dem Platz vor dem Dresdner Zwinger, um an dem Aufmarsch gegen die Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944" des Hamburger Instituts für Sozialforschung teilzunehmen. Bis sich die 1 200 Rechten schließlich bei Schneetreiben in Bewegung setzten, dauerte es allerdings - die Vorkontrollen an dem mit Gittern abgesperrten Platz wurden zur Abwechslung mal nicht von der Polizei durchgeführt, sondern von den Rechtsextremen selbst. So mancher mußte dabei seine Bierdosen abgeben, und die, die den Alkohol wohlweislich schon zu sich genommen hatten, wurden aufgefordert, gleich wieder nach Hause zu gehen. Zigaretten durften die Rechten zwar behalten, aber das Rauchen während des Aufmarsches war untersagt.

Einige hundert Meter entfernt formierten sich unterdessen etwa 1 000 Menschen zu der antifaschistischen Gegendemonstration unter dem Motto "Kein Platz dem faschistischen Geschichtsrevisionismus - Verbrechen lassen sich nicht leugnen", zu der das Dresdner Bündnis gegen Rechts aufgerufen hatte. Antifa-Gruppen, PDS, SPD, Gewerkschaften und andere Gruppierungen demonstrierten gemeinsam gegen den rechten Aufmarsch. Verhindern oder stören konnten sie ihn nicht: Zwischen dem Nazi-Aufmarsch und der Gegendemo stand gut die Hälfte der 3 000 eingesetzten Polizisten und war bemüht, die AntifaschistInnen von den Neonazis fernzuhalten. Nur einem paar Dutzend gelang es, Wege an den Beamten vorbei zu finden.

Zu handgreiflichen Auseinandersetzungen kam es an diesem Tag in Dresden nur selten. Zur Sache ging es anderswo: In der Kleinstadt Wurzen bei Leipzig trafen rund 150 Leipziger AntifaschistInnen, die mit der Bahn unterwegs nach Dresden waren, auf 80 Neonazis, die sich zur Abfahrt auf dem Bahnhof versammelt hatten. Nachdem die Rechten die Waggons zunächst mit Steinen beworfen hatten, bestiegen sie ungehindert den Zug, der seine Fahrt fortsetzte. Drei Kilometer weiter wurde auf offener Strecke schließlich die Notbremse gezogen und die Auseinandersetzung eskalierte. Nach Angaben der Polizei mußten neun Beteiligte im Krankenhaus behandelt werden.

In Dresden resümierte ein Sprecher der Antifas den Tag so: "Wenn die Polizei bei kleineren Auseinandersetzungen eingriff, ging sie immer gegen die Antifas vor." Das Bündnis gegen Rechts machte die CDU und insbesondere deren Oberbürgermeister Wagner mitverantwortlich für die Stimmung, die gegen die Wehrmachtsausstellung gemacht worden sei. So habe die sächsische Staatsregierung nicht nur verhindert, daß die Exposition an einem zentralen Platz gezeigt werden kann. Der Oberbürgermeister hatte sich außerdem geweigert, ein Grußwort bei der Ausstellungseröffnung zu sprechen und es als "moralische Gewissensnötigung" bezeichnet, daß der Stadtrat gegen die Konservativen beschlossen hatte, dem Unterstützerkreis der Ausstellung beizutreten.

Was dem Oberbürgermeister recht ist, ist der Landeszentrale für politische Bildung nur billig. Die staatliche Einrichtung lud die Rechtsradikalen zu sich ein: Bei einer Veranstaltung der Landeszentrale zum Thema Wehrmachtsausstellung am vergangenen Donnerstag durften der Initiator der Deutschlandbewegung, Alfred Mechtersheimer, und Franz Uhle-Wettler, ehemaliger Nato-General und früher in der Programmkommission der Republikaner, auf dem Podium ihre Thesen zum besten geben. Die im Anschluß eingeplante Diskussion fiel mangels Nachfrage aus, offenbar waren alle Anwesenden einer Meinung. Der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Volker Beck, hatte seine Teilnahme abgesagt.Den politisch Verantwortlichen in Sachsen riet er, sie "sollten dringend eine Diskussion über Grundlagen der politischen Bildungsarbeit" führen.

Weniger wählerisch zeigte sich anfangs der ebenfalls eingeladene PDS-Bundestagsabgeordnete Heinrich Graf von Einsiedel, der die Veranstaltung jedoch nach einer Viertelstunde verließ. Somit blieben auf dem Podium nur noch die beiden Rechtsradikalen und der, der sie eingeladen hatte: Der Referent der Landeszentrale, Guido Mathes.

Eine ähnliche Mischung aus Konservativen und Rechtsextremen hatte am 1. März letzten Jahres in München 5 000 Menschen gegen die Wehrmachtsausstellung mobilisiert. Daß es in Dresden nicht mehr als 1200 Rechtsextremisten waren, die in den Straßen laut brüllten, was auch viele Konservative denken, ist wohl nur auf das schlechte Wetter und die vor allem regional geführte Mobilisierung der NPD zurückzuführen. Daß es der NPD in Sachsen jedoch gelingt, über tausend Anhänger zu mobilisieren, ist allerdings beängstigend.