Armer Rittersporn

Die FAZ hatte Anlaß, sich über Reinlichkeit zu beklagen: "Der Saubermann hat gesiegt, der Grauschleier ist fort." Da hatte auch die Hilfe des Tagesspiegel nichts genutzt, "der die Angelegenheit sorgfältig abwägend behandelt" hatte (FAZ), und auch nicht der Einsatz des überraschten Institutsdirektors Etienne Fran ç ois, der den Dreck seit Monaten unter dem Teppich hielt: Ende vergangener Woche beorderte das französische Außenministerium den 52jährigen Historiker Gabor Rittersporn vom Berliner "Centre Marc Bloch", einer Parade-Institution deutsch-französischer Wissenschaftskooperation, zum staatlichen Think Tank CNRS in Paris zurück.

"Die Existenz von Gaskammern ist bis heute nicht bewiesen": Wenige Tage zuvor hatte der Historiker Rittersporn gegenüber der Berliner Zeitung seine Wahrheit über Auschwitz bekräftigt und damit wiederholt, was er seit 1980 alleine und mit anderen verkündet hatte - so zusammen mit Serge Thion in dem Pamphlet zur Verteidigung des Auschwitz-Leugners Robert Faurisson, "Historische Wahrheit oder politische Wahrheit?". Bis heute hat Rittersporn sich nie von seinen damaligen Weggefährten distanziert, auch wenn er sich in den letzten Jahren aus Rücksicht auf seine Zugehörigkeit zum CNRS mit öffentlichen Äußerungen zurückgehalten hatte. Seine Freunde jedoch mußten nicht taktieren: So brüstete sich Pierre Guillaume, einer der Köpfe des französischen Revisionismus und Autor der Parteizeitung des Front National, National Hebdo, noch vor zwei Monaten in einer österreichischen Neo-Nazi-Zeitschrift mit seinem "jüdischen Freund" - Gabor Rittersporn.

Tatsächlich stammt Rittersporn aus einer jüdischen Familie, die Angehörige in NS-Vernichtungslagern verloren hat. Was motivierte jemanden wie ihn, sich einem Serge Thion oder Pierre Guillaume als Weggefährte anzuschließen? Die Entwicklung, die diese drei - neben anderen wie Gabriel Cohn-Bendit, Bruder des Grünen-Politikers und ehemaligen 68er Studentenführers - durchlaufen haben, läßt sich nur verstehen, wenn man sie in den Kontext einer minoritären Strömung der französischen Linken stellt. Ende der sechziger Jahre hervorgegangen aus dem Kreis um die Buchhandlung La Vieille Taupe und einer gleichnamigen "informellen revolutionären Gruppe" unter Führung Pierre Guillaumes, ordneten sich ihre Mitglieder der "Ultralinken" zu. Die konsequentesten ihrer Vordenker schlossen sich später der extremen Rechten an.

Die "Ultralinke", so erklären es ehemalige Vertreter dieser Thesen in ihrem 1996 erschienenen politischen Resümee "Libertäre und Ultralinke gegen den Negationismus", "denunzierte den Antifaschismus als Versuch, die Aufmerksamkeit der Proletarier vom grundlegenden Antagonismus zwischen Proletariat und Bourgeoisie abzulenken".

Um zu zeigen, wie sie es machen würde, holte die FAZ ihren Faurisson hervor und die Wurzelbürste und machte sich an die Arbeit: "In dieser Gruppe war man der Überzeugung, daß historische Wahrheitsfindung (...) keine Angelegenheit der Gerichte (...) zu sein habe, nicht einmal im Fall der öffentlichen Leugnung des Holocaust. In diesem Sinne hat sich Rittersporn geäußert und hinzugefügt, daß die Vernichtung des europäischen Judentums durch die Nationalsozialisten eine Tatsache sei, die nicht von der Beweisbarkeit der Gaskammern abhänge." Reiner geht's wirklich nicht.