D’r Zoch kütt

Mit Sonnenenergie für die Volksgesundheit

Die Anti-Atom-Bewegung setzt sich kaum mit ihrem rechten Rand auseinander

Als in den fünfziger und sechziger Jahren der Protest gegen die militärische und zivile Nutzung der Atomenergie entstand, marschierte die grüne Fraktion der bundesdeutschen Rechten gleich mit in vorderster Front. Im Gefolge des ersten zivilisationskritischen Bestsellers der Nachkriegszeit ("Der Tanz mit dem Teufel" von Günther Schwab, 1958) wurde Schwabs grün-brauner "Weltbund zum Schutze des Lebens" (WSL) zu einer der bedeutendsten Organisationen der Anti-Atom-Bewegung.

Bis in die siebziger Jahre hinein, als die Linke über Nacht auch umweltschützerische Fragestellungen als relevantes Politikfeld entdeckte und so maßgeblich zum Aufstieg der Bewegung beitrug, konnte die WSL-Riege um Werner-Georg Haverbeck und den "Ernährungspapst" Max-Otto Bruker als Speerspitze der Bewegung agieren. Der derzeitige WSL-Präsident, Ernst-Otto Cohrs, strengte gar so viele Einzelklagen gegen bundesdeutsche AKWs an wie kein anderer vor und nach ihm. Rechte wie Walther Soyka und Roland Bohlinger zählten mit ihren Organisationen "Institut für biologische Sicherheit" und "Hartmut-Gründler-Klägerverband für Volksgesundheit und biologische Sicherheit" zu den bundesweit bedeutendsten Aktivisten.

In Österreich spielten Reaktionäre und Konservative wie Konrad Lorenz und Günther Nenning einflußreiche Rollen im Widerstand gegen das geplante AKW Zwentendorf. Ihr Engagement basierte im wesentlichen auf einem Lebensschutzkonzept, welches in der Atomkraft eine Gefahr für die natürliche Auslese und das deutsche bzw. arische Erbgut sah. Nach außen haben sie dies allerdings selten offensiv vertreten, es fragte, wie in Ein-Punkt-Bewegungen leider üblich, aber auch kaum jemand danach, frei nach dem Motto: "Der Feind meines Feindes ist mein Freund". Hätte man sich einmal die Mühe des Hinterfragens oder Nachlesens gemacht, so wäre man auf Argumentationen wie die des WSL-Gründers Schwab gestoßen: "Der Urkrieg der Primitiven war eine moralische Einrichtung mit dem Ziel der positiven Auslese. (Ö) Aber von der Stunde an, wo die Gehirnentwicklung den Menschen befähigte, zum ersten Male einen Stein vom Boden aufzuheben, um ihn aus dem Hinterhalt gegen einen Feind zu schleudern, verlor der Kampf seinen sittlichen Wert. Von da an tötete der Schwache den Starken, der Feige den Tapferen, der Schlechte den Besseren. Der Krieg hatte seine auslesende Wirkung verloren, er hatte aufgehört, eine moralische Einrichtung zu sein. Vom Stein bis zur Atombombe ist nur ein Schritt. Der Unterschied liegt nur im Quantitativen."

All diese Personen und Organisationen spielen gegenwärtig keine bzw. kaum eine Rolle mehr im Anti-Atom-Widerstand. Sie wurden entweder enttarnt oder sind mittlerweile einfach schon zu alt bzw. verstorben. Wenn aber in der Jungen Freiheit zu lesen steht, daß sich auch AktivistInnen der ÖDP-Rechtsabspaltung Unabhängige Ökologen Deutschlands (UÖD), allen voran der Ökofaschist Baldur Springmann, an den Demonstrationen der Bäuerlichen Notgemeinschaft im Vorfeld des letztjährigen Castor-Transports ins Wendland beteiligt haben, wenn der "Hamburger Kreis" um den UÖDler Hanno Borchert eine Zeitlang (vergeblich) versuchte, im Widerstand gegen das Atommüllager Greifswald Fuß zu fassen, wenn die rechtskonservative Ökologisch Demokratische Partei (ÖDP) gegenwärtig aus dem Widerstand in Baden-Württemberg und Bayern kaum noch wegzudenken scheint, so zeigt dies, daß das Warten auf eine "biologische Lösung" des Problems naiv wäre. Eine Auseinandersetzung mit dem rechten Rand der Bewegung findet in der Anti-Atom-Szene aber so gut wie nicht statt. Auch in dem 1997 im linken Verlag Die Werkstatt erschienenen Buch "Die Geschichte der Anti-AKW-Bewegung" ist dazu kaum etwas zu lesen. Der WSL wird in der "Chronik der Bewegung" allenfalls mit dem Attribut "rechtslastig" bedacht.

Dennoch, es kann derzeit kaum von einer rechten Unterwanderung der Anti-Atom-Bewegung die Rede sein. Es gibt dort gegenwärtig, abgesehen von den süddeutschen Standorten, keine bedeutenden Organisationen mehr, die explizit rechtes Gedankengut vertreten. Das könnte sich gerade in einer Phase, in der die Bewegung wieder neuen Schwung erhält, ändern, wenn die momentan noch links dominierte Szene keine klaren Trennlinien nach rechts zieht, sondern mit allen ungefragt zusammenarbeitet, die gegen Atomanlagen und Atommülltransporte sind. Es gilt, die Rechten in der Bewegung zu isolieren und entsprechende Beschlüsse der bundesweiten Konferenzen der Anti-Akw-Bewegung auch umzusetzen. Es gilt aber auch, sich mit den problematischen Ideologiebausteinen der Anti-Atom-AktivistInnen selbst auseinanderzusetzen. Dazu zählt etwa die undifferenzierte Verwendung der Kategorie des "Lebens" ("Gorleben soll leben", "Wenn Ihr unser Leben nicht achtet, achten wir Eure Gesetze nicht" usw.), deren Nähe zu reaktionären Lebensschutzkonzeptionen bei ideologiekritischer Betrachtung offensichtlich ist, was den jeweiligen VerwenderInnen dieser Parolen zumeist aber gar nicht klar sein dürfte. Auch die latente Behindertenfeindlichkeit, die sich in den beinahe apokalyptischen Warnungen vor Mißbildungen durch Radioaktivität - neben der berechtigten Sorge - auch zeigt, wäre eine Debatte wert, die von Franz Christoph, Mitbegründer der westdeutschen "Krüppel-Bewegung", vergeblich eingefordert wurde.

Kurzschlüssige Ökofaschismusvorwürfe ˆ la "Franz Alt ist mal im Wendland aufgetreten, also ist der Widerstand dort jetzt von rechts unterwandert" helfen dabei kaum weiter. Hier gilt die Devise "Genauer zielen". Zwar ist Franz Alt in der Tat ins rechte Lager einzuordnen, nur ist dies leider immer noch den wenigsten AktivistInnen bekannt. Mit der in antifaschistischen Zusammenhängen meist dominierenden personenzentrierten Argumentationskette (Person A(lt) kennt Faschisten B, arbeitet mit Rechtsextremist C zusammen, wirbt für die ökofaschistische Partei XYZ und hat ein Buch geschrieben, von der Koryphäe D sagt, es sei in Teilen antisemitisch) wird man in den seltensten Fällen überzeugen können. Sie kann deshalb eine explizit inhaltliche Argumentation nur ergänzen, darf sie aber nicht ersetzen.