Get the Bastards Out

Zur Profitmaximierung planen britische Fußballvereine sogar, die Stadt zu wechseln

"Howay the Lads!" (im Geordie-Dialekt: Los Jungs!) lautet der Sprechchor der Newcastle-Fans. Der Held des Vereins heißt "wor Jackie" Milburn, der Ende der vierziger Jahre wie viele Fans als Bergarbeiter schuftete und am Wochenende für den Verein spielte. Die Menschen aus Newcastle sind in Großbritannien als unabhängige, hart arbeitende Fußballfanatiker bekannt. In den dreißiger Jahren schlugen sie die faschistische Bewegung unter der Führung von Oswald Mosley, ohne über eine organisierte antifaschistische Bewegung zu verfügen, innerhalb von drei Monaten gewaltsam nieder - Mosley und seine Truppen paßten nicht ins Stadtbild.

Vor diesem Hintergrund hätten es Douglas Hall, Eigentümer des englischen Vizemeisters Newcastle United, und dessen Präsident Freddy Shepherd, besser wissen müssen. Aber Geld macht arrogant. So verglichen sie die Frauen aus Nordost-England mit Hunden, die Männer bezeichneten sie als Idioten - jeder, der bis zu 150 Mark für das Mannschaftstrikot ausgibt, obwohl es von asiatischen Billiglohnarbeitern für 15 Mark hergestellt wurde, muß ein richtiger Schwachkopf sein. In der Folge waren die Newcastler auf die beiden Top-Funktionäre nicht gut zu sprechen: Aus Protest wollten die Fans beim Heimspiel am 18. März gegen Crystal Palace neunzig Minuten lang kläffen und ihre teuren Trikots auf den Rasen werfen. Im Versuch, Schadensbegrenzung zu betreiben, beauftragten Hall und Shepherd eine Public Relations Agentur, die ihnen riet, sich vom Stadion fernzuhalten: "Hall und ich haben entschieden, daß unsere Anwesenheit eine Ablenkung für die Mannschaft wäre", hieß es schließlich in einer Presseerklärung von Shepherd.

Die geplanten Proteste wurden deshalb abgesagt, die Fans glauben trotzdem nicht, daß Öffentlichkeitsarbeit Hall und Shepherd noch retten kann: "Wenn sie denken, daß sie mit ihrer Abwesenheit den Sturm am ehesten überstehen, begehen sie einen Riesenfehler, ihr Rausschmiß ist für uns unvermeidlich." Die Newcastle-Aktien verloren an der Londoner Börse als Folge des Skandals über 25 Millionen Mark im Wert, der Klub war vor einem Jahr mit einem Wert von 500 Millionen Mark auf dem Aktienmarkt flottiert. Der damalige Trainer, Kevin Keegan, stand damals unter massivem Druck der Aktionäre, Spieler zu verkaufen, um den Gewinn zu maximieren und fühlte sich alsbald gezwungen, seinen Job aufzugeben. Seitdem verloren die Aktien von Eigentümer Hall 150 Millionen Mark an Wert und Newcastle steht mitten im Abstiegskampf.

Andere britische Vereine sind auf der Suche nach Geldquellen viel erfinderischer geworden. Sowohl der Erstligist FC Wimbledon als auch der schottische Zweitligist Clydebank sehen eine bessere Zukunft für sich in der irischen Hauptstadt Dublin: Irland hat keine Fußball-Profi-Liga, und in einer Millionenstadt wie Dublin finden sich reichlich Fans. Clydebank, mit einer durchschnittlichen Zuschauerzahl von 286 Personen, möchte dort eine Pferdesport-Arena mieten und erwartet 12 000 Besucher, der Verein würde in Dublin City umbenannt. Um gegen den geplanten Umzug zu protestieren, verließen am 14. März alle 286 Fans zusammen mit dem Stadionsprecher und den Balljungs mitten im Spiel gegen den FC Livingston das Stadion. Trainer Ian McCall, der den Umzug unterstützt, stempelte die protestierenden Fans als "Abschaum" ab. "Hey McCall, du Spekulanten-Bastard, wir hoffen, daß dein Flugzeug nach Dublin abstürzt", kam es retour.

Der FC Wimbledon wird bei einem Umzug nach Dublin erheblich mehr investieren als Clydebank. Als Untermieter beim FC Crystal Palace und mit einer Zuschauerzahl von nur 6 000 pro Match ist der Club in der Premier League langfristig nicht konkurrenzfähig. In Dublin hingegen wären 40 000 Zuschauer pro Spiel nicht unrealistisch. Für den Bau eines eigenen Stadions stehen 400 Millionen Mark bereit. Dublin verfügt bereits über zwei große Sportstadien, eins für Rugby (Landsdowne Road) und eins für gälische Spiele (Croke Park). In der Landsdowne Road spielt die irische Nationalmannschaft, jedoch nur außerhalb der Rugby-Saison, im Croke Park gibt es ganz andere Probleme. Die "englische" Sportart, Fußball, zu spielen, wurde noch bis zum Jahr 1972 vom gälischen Sportverband GAA mit einem lebenslangen Ausschluß von allen gälischen Sportarten und Vereinen bestraft. Auf dem heiligen Rasen von Croke Park muß das imperialistische Spiel namens Fußball draußenbleiben. Sam Hamman, Präsident der Dons, ist jedoch weiterhin von der Durchführbarkeit des Planes überzeugt: "Dublin ist eine phantastische, sexy Option." Die wirtschaftlichen Grenzen fallen überall in Europa, warum also nicht auch im Fußball?

Die Europäische Kommission muß jetzt entscheiden, ob Wimbledon nach Dublin ziehen darf. Die Fans mit ihren "Dublin = Death"-Transparenten werden also von dort erfahren, ob sie weiterhin Wimbledon-Anhänger sein werden oder ob sie bald zu den "Dublin Dons" gehören.