Jail House Laws

Mit einem Hungerstreik sind Abu Jamal und weitere 32 Todeskandidaten in Pennsylvania gegen Haft-Verschärfungen vorgegangen

Im Todestrakt des Hochsicherheitsgefängnisses SCI Greene stehen Schikanen auf der Tagesordnung - ganz offiziell. Mit einer seit März geltenden Verordnung wurden die Haftbedingungen der 111 Todeskandidaten im Bundesstaat Pennsylvania, darunter auch Mumia Abu-Jamal, weiter verschärft - die ohnehin rigide Regelung der Besuchszeiten sowie der Zugang zu persönlichen und juristischen Materialien wurden drastisch beschnitten. Diese Verordnung wird in den USA als Reaktion der Gefängnisbehörde auf eine gerichtliche Niederlage interpretieren, die durch eine Klage von Todeskandidaten aus der SCI Greene zustande kam.

Ende Januar hatte ein Bundesgericht in Philadelphia entschieden, daß die Besuchsbedingungen für Anwälte im Todestrakt das Recht auf eine faire Verteidigungsmöglichkeit nicht gewährleisteten: Im SCI Greene finden sämtliche Besuche bei Todeskandidaten - sei es von Anwälten oder engen Verwandten - hinter einer Trennscheibe und unter ständiger Überwachung durch das Gefängnispersonal statt; die Todeskandidaten sind währenddessen an Händen und Füßen gefesselt und werden trotz Trennscheibe vor und nach den Besuchen einer Ganzkörperkontrolle unterzogen. AnwältInnen, die ihren Mandanten Aktenmaterial zeigen wollen, müssen ihre Papiere den Schließern aushändigen.

Bereits im vergangenen Jahr war bekannt geworden, daß die Gefängnisleitung Anwaltspost der Verteidiger von Mumia Abu-Jamal kopiert und an die Generalstaatsanwaltschaft von Pennsylvania weitergeleitet hatte. Das Gericht jedenfalls ordnete an, daß die Gefängnisbehörde die Besuchsbedingungen für Anwälte verändern müsse.

Zu den Neuerungen der Gefängnisbehörde gehörte auch, daß der persönliche Besitz der Gefangenen in ihren Zellen weiter reduziert wurde. Bei einer Zellenrazzia im Todestrakt von SCI Greene wurde am 5. März alles entfernt, was nicht den neuen Normen entspricht. Die Gefangenen dürfen nur noch Materialien in der Zelle aufbewahren, die in eine Kiste von ein mal ein Meter passen. Alle anderen persönlichen Unterlagen, Bücher, Akten etc. wurden beschlagnahmt; anschließend wurde den Gefangenen angeboten, die konfiszierten Materialien entweder auf eigene Kosten an Verwandte schicken zu lassen - oder sie dem Gefängnispersonal zur Vernichtung zu überlassen. Über die Konsequenzen dieser Maßnahmen schrieb Mumia Abu-Jamal: "Die Tatsache, daß wir jetzt unsere juristischen Materialien und die Akten zu unseren eigenen Fällen nicht mehr auf den Zellen haben dürfen, bedeutet, den Weg zur Hinrichtung zu beschleunigen. Alle Gefangenen sind darauf angewiesen, ihre Fälle gemeinsam mit den Anwälten zu bearbeiten - sofern sie sich überhaupt Anwälte leisten können. Wir müssen die Möglichkeit haben, uns selbst zu verteidigen. Aber mit den neuen Anordnungen ist uns der letzte Strohhalm genommen worden."

Nach Einschätzungen von Rechtsanwaltsvereinigungen und Menschenrechtsorganisationen zielt die Maßnahme der Gefängnisbehörde auch auf die sogenannten "jail house lawyers" ab - Gefangene, die sich im Selbststudium juristische Kenntnisse erarbeitet haben und damit ihre eigenen Fälle sowie die ihrer Mitgefangenen betreuen. Angesichts der Mittellosigkeit vieler Todeskandidaten ist es durchaus üblich, daß "jail house lawyers" ihre Mitgefangenen beraten, für sie Anträge bei Gericht formulieren oder auch - wie im Fall der Besuchsbedingungen für Anwälte - die Verfahren selbst vorbereiten.

Pennsylvanias Rolle rückwärts in frühkapitalistische Haftbedingungen wurde im übrigen auch durch die neue Kleiderordnung für die Todeskandidaten symbolisiert. Sie sollten seit Anfang März einen schwarz-weiß gestreiften Baumwoll-Overall tragen, ihre persönliche Kleidung wurde zunächst beschlagnahmt.

Die Todeskandidaten reagierten auf die Verschlechterungen ihrer Haftbedingungen mit einem Hungerstreik. Zwei Wochen lang verweigerten 33 Gefangene, darunter auch Mumia Abu-Jamal, im Todestrakt von SCI Greene die Nahrungsaufnahme. Ihre Hauptforderung: Den ungehinderten Zugang zu ihren juristischen Materialien und Akten wiederherzustellen.

Ende vergangener Woche konnten die Gefangenen einen ersten Teilerfolg erzielen. Die Einschränkung der Besuchs- und Telefonzeiten und die Kleiderordnung wurden wieder rückgängig gemacht. Unklar ist allerdings weiterhin, wieviel sie von ihrem Besitz und ihren juristischen Materialien zurückerhalten und in Zukunft auf ihren Zellen haben dürfen. Die Gefangenen haben den Hungerstreik zunächst ausgesetzt, bitten aber weiterhin um internationalen Druck auf die Gefängnisbehörde in Harrisburg.