Krach um Promi-Kandidaten

Der vermeintliche Streit in der PDS zwischen Basis und Parteivorstand ist nur ein Machtgerangel der Funktionärsebenen
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Stasi-Vorwürfe gegen Gysi, Verfassungsschutzberichte, irrwitzige Steuerforderungen - wenn Parteichef Bisky morgens die Zeitung aufschlägt und einmal nichts von alledem zu lesen ist, merkt er erst, wie gut Kaffee auch schmecken kann. Es war also nicht verwunderlich, daß - wer immer es auch werden sollte - der PDS-Bundestagskandidat für Berlin-Mitte mit einem Beschuß von außen rechnen mußte. Als der Name Elmar Schmähling bekanntgegeben wurde, reichte den meisten Journalisten ein Blick ins Archiv, um die Munition auch schon im Magazin zu haben. Hatte der Admiral a.D. doch bei zwei gescheiterten Unternehmensgründungen - so der Vorwurf - die Gläubiger auf Forderungen in Höhe von zwei Millionen Mark sitzen lassen.

Doch äußere Angriffe konnte die PDS immer abfangen, ja sogar oftmals zu ihren Gunsten umkehren. Mindestens genauso alltäglich wie die Attacken von außen sind die Zwistigkeiten innerhalb der PDS. Die von Bisky, Gysi, Brie und Bartsch eingefädelte Kandidatur Schmählings stieß auch bei Teilen der Bezirksfunktionäre in Prenzlauer Berg und Mitte nicht auf Gegenliebe. Baustadträtin Karin Baumert kritisierte, Schmählings Bewerbung sei "nicht unbedingt das, was diesen Wahlkreis hier betrifft". Sie selbst gilt als Gegenkandidatin zu Schmähling.

Während niemand von Helmut Kohl erwartet, regelmäßig in Oggersheim nach dem Rechten zu sehen, ist in der heimat-identitären PDS fehlender Lokalbezug ein Manko und wird auch anderen für Gysis "bunte Truppe" zusammengetrommelten KandidatInnen vorgeworfen. Als der Thüringer Landesvorstand vergangene Woche den Rheinhausener Pfarrer Dieter Kelp nur auf den nicht mehr sicheren sechsten Platz der Vorschlagsliste für den Landesparteitag wählte, platzte Wahlkampfleiter André Brie der Kragen. Er sah mit der fein austarierten Mischung von KandidatInnen auch sein Wahlkampfkonzept geplatzt und trat erzürnt zurück - um nur 39 Stunden später seinen Job doch wieder aufzunehmen.

Auch in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern muckt die Basis auf. In Sachsen verwehrte man Heinrich Graf von Einsiedel einen sicheren Listenplatz, im Norden will man die Sprecherin der AG Junge GenossInnen, Angela Marquardt, nicht bei ihrer Bundestagskandidatur unterstützen. Man habe auch gute "eigene" Kandidaten tönt es aus den Landesvorständen und -fraktionen.

Doch was auf den ersten Blick wie ein Streit zwischen Basis und Parteivorstand aussieht, ist vorerst nur ein machtpolitisches Gerangel auf Funktionärsebene. Die Basis repräsentierende Parteitage haben bisher noch nicht über die Vorschläge aus Berlin abgestimmt. Hinter den Störmanövern stecken zum einen Karriere-Interessen der Funktionäre in den Ländern, denen es so scheinen muß, als ob der einzige Zug in den Bundestag vom Berliner Karl-Liebknecht-Haus abfährt. Zum anderen geht es um die inhaltliche Ausrichtung. Denn während der rechtslastige Einsiedel in Sachsen durchfiel, wurden andere Wunsch-KandidatInnen des Vorstands in die Vorschlagsliste aufgenommen.

In Mecklenburg-Vorpommern ist es noch deutlicher. Angela Marquardt wollte sich nicht von der Parteispitze vorschlagen lassen, ging statt dessen nach Greifswald, wo sie nach wie vor Parteimitglied ist, um von ihrer Basis nominiert zu werden. "Ich wollte eben nicht als vom Vorstand Geschickte daherkommen", erklärte sie Jungle World. Im Stadtverband Greifswald wird ihre Kandidatur bedingungslos unterstützt. Auch der Landesvorsitzende Helmut Holter steht hinter Marquardts Kandidatur. Doch der Parlamentarische Geschäftsführer im Landtag, Arnold Schoenenburg, fordert, die KandidatInnen sollten vorrangig in Mecklenburg-Vorpommern "politisch verankert" sein. Auch die Fraktionschefin Caterina Muth äußerte offen ihre Sympathie für Marquardts Gegenkandidatin, die Parchimer Kreisvorsitzende Sabine Jünger. Während der ehemaligen Hausbesetzerin Marquardt die Unterstützung versagt wird, haben Muth und Schoenenburg bei dem zweiten Promi-Kandidaten keine Probleme: Bundesgeschäftsführer Bartsch, ein Pragmatiker wie er im Buche steht, darf unwidersprochen für den ersten Listenplatz im Lande antreten.

Gysi und Brie bringt die Blockadehaltung gegen die von ihnen protegierten KandidatInnen in ein Dilemma: Macht der Parteivorstand Druck, wirft man ihm - nicht zu Unrecht - Zentralismus vor. Läßt er die Länderfunktionäre walten, drohen landespatriotische Interessen die PDS gänzlich zur Ostpartei verkümmern zu lassen. Die PDS braucht Stimmen aus allen linken Lagern. Dafür braucht sie im Wahlkampf eine prominente "Truppe", die von Sozialdemokraten wie Fred Geppert über Ostalgiker wie Täve Schur, der Grünen Heidi Lippmann-Kasten, dem Admiral Schmähling bishin zur bewegungsorientierten Angela Marquardt reicht. Die Länderfunktionäre hingegen wollen "ihre" Leute durchbringen und haben keine Lust auf einen ausgemachten Sozialdemokraten, einen Ex-Admiral oder eine bunthaarige Punkerin. Was die Basis denkt, werden erst die Landesparteitage zeigen.