Lieber in die Toscana

Schweißherz Therese

"Meerjungfrau sucht Mann fürs Leben", die trendy Abenteuer einer dänischen Angélique

Eigentlich hätte das Buch einen Preis für den irreführendsten Titel verdient: Die Heldin ist durchaus keine Meerjungfrau, und sie sucht auch keinen Mann fürs Leben, sondern fragt sich, ob sie ihren nicht lieber wieder hergeben sollte. Und auf dem Titelbild watet eine dusselig lächelnde dunkelhaarige Schönheit durch seichtes Wasser und sieht gar nicht so aus, wie uns Romanheldin Therese ein paar Seiten weiter beschrieben wird.

"Meerjungfrau" ist bereits der zweite Therese-Roman der dänischen Autorin Hanne-Vibeke Holst, der erste liegt allerdings nicht in deutscher Übersetzung vor. In "Thereses Zustand" (so der dänische Titel) lernte die Titelheldin, die Fernsehjournalistin Therese, den Herzensbrecher Paul kennen, wurde schwanger und fiel auf Pauls Versprechen rein, sich um das Kind kümmern zu wollen, damit Therese weiter Karriere machen kann.

Im zweiten Band nun bekommt Therese ihr Kind, doch noch ehe Zarina (Therese ist eben hoffnungslos russophil) geboren wird, hat Paul sein Versprechen vergessen: Seine neue Stelle liegt in Odense, viel zu weit entfernt von Kopenhagen, um pendeln zu können. Daß er mit seiner neuen Chefin in der Kneipe sitzt, als bei Therese die Wehen einsetzen, ist da nur konsequent.

Im Krankenhaus lernt sie Heidi kennen, die aus einem verslumten Kopenhagener Vorort kommt. Heidis Freund René sitzt gerade die Strafe für einen Raubüberfall ab, darf aber bei der Geburt dabeisein und verwüstet den Kreißsaal, als Heidi einen "kleinen Chinesen" zur Welt bringt, Ergebnis eines Techtelmechtels mit einem jungen Vietnamesen. Therese fühlt sich verpflichtet, Heidi vor ihm und seinen brutalen Freunden zu beschützen - zusätzlich zu ihrem permanenten Ärger mit dem pflichtvergessenen Paul und ihrem Vater, der nach 20 Jahren auftaucht, um sich am Großvater-Sein zu erfreuen.

Hanne-Vibeke Holst hat im Roman drei Handlungsstränge bzw. drei Personenkonstellationen miteinander verflochten: Therese/Paul, Therese/Heidi, Therese/ihr Vater. Und ein vierter deutet sich schon an: Das eventuelle Leben nach Paul und ihre sichere Rückkehr in den Beruf, an der sie müde und erschöpft, aber zielstrebig arbeitet. Und weil sie eine Romanheldin ist wie einst Angélique, schafft sie das wohl auch. So attraktiv, daß immer ein Mann seine helfende Hand ausstreckt, ungeheuer frauensolidarisch und deshalb umgeben von einem Netzwerk aus zuverlässigen Freundinnen, energisch, zielbewußt und ab und zu ein bißchen zickig, damit es nicht unerträglich wird. Der Angélique-Vergleich trifft noch in anderer Hinsicht zu: Therese-Bücher machen süchtig, insbesondere die Autorin, denn in Dänemark erscheint in diesen Tagen der dritte Therese-Band.

Bei aller Sucht, ich wüßte gern, wie oft die Übersetzerin Christel Hildebrandt, die der Autorin von der hochtrabenden Sprache der arroganten Fernsehbosse bis zum Slang der Vororthölle folgt, das Buch genervt an die Wand gefeuert hat. Frau Holst muß auf jeder Seite mindestens fünf englische Wörter verwenden, für die es ganz normale dänische gäbe. Vermutlich findet sie das trendy. Es ist zwar reizend, wenn Paul in zärtlichen Momenten Therese "Schweißherz" nennt ("Sweatheart"), aber deswegen muß doch nicht in allen englischen Wörtern, die mit zwei "e" geschrieben werden, das "ee" durch ein "ea" ersetzt werden. Daß sie die Sache mit dem sächsischen Genitiv nicht kapiert hat, wollen wir Frau Holst und ihrer Übersetzerin erst gar nicht vorwerfen. Mein Kaufmann an der Ecke bot neulich auch "Frühstück's-Eier" an. Auch das ist ein Grund, dem Buch einen reißenden Absatz zu wünschen: Dann kann die Autorin sich ein englisches Wörterbuch und vielleicht gar noch eine Grammatik leisten.

Hanne-Vibeke Holst: Meerjungfrau sucht Mann fürs Leben. Goldmann Verlag, München 1997, 380 S.