Jelzins Troika ist Deutschlands Troika

Mittelmacht mit Macht

Boris Jelzin wäre so gerne ein großer Staatsmann. Verständlich, ist sein Russisches Reich von der Fläche her doch der größte Staat weltweit. Und trotzdem hat er so wenig zu melden. Schuld daran sind die USA, die in russischen Augen über ihre Feindschaft gegen den jahrzehntelangen Konkurrenten nicht hinwegkommen.

Da hilft nur eine machtpolitische Offensive - ein Gegenpol zu den USA muß her. Und als Partner dafür hat sich der Herrscher von Moskau Deutschland und Frankreich ausgeguckt. Als sich Bundeskanzler Helmut Kohl und der französische Staatschef Jacques Chirac vergangenen Donnerstag in Rußland einfanden, wußte Jelzin zwar nicht mehr so genau, was das Treffen eigentlich sollte und hielt die beiden Gäste zunächst für neugierige Journalisten, die was zur Absetzung der russischen Regierung hören wollten. Zum Ende wußte er dann aber doch wieder, worum es geht und verkündete stolz das "Ende der unipolaren Weltordnung" durch jene "große europäische Troika" der drei Staaten. Den USA will man durch eine Auto- und Bahnverbindung von London bis hinter den Ural, das Bemühen um ein gemeinsames Lehrbuch für europäische Geschichte und bessere Zusammenarbeit in Sachen Katastrophenschutz das Wasser reichen.

Seine beiden Partner sehen das nicht ganz so. Kohl ging deutlich auf Distanz, indem er seine Vision von einer multipolaren Welt vortrug, in der Europa einerseits, Rußland andererseits und natürlich auch die USA ihre Rolle spielen. Im Gegensatz zu seinem verwirrten russischen Freund weiß der deutsche Staatsmann nämlich ganz genau, daß man es sich mit den USA nicht verscherzen darf. Noch nicht. Deshalb versicherte er, "die Troika" richte sich gegen niemanden. In vorderster Linie steht nämlich zunächst die Aufwertung der eigenen Position, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung sogleich freudig verkündete: "Deutschland ist jetzt eine Mittelmacht im wahrsten Sinne des Wortes." Schon lange als guter Freund Jelzins geltend, hat Kohl seine Beziehungen zum Kreml-Chef mit dem Troika-Treffen der vergangenen Woche noch verbessert. Und da sich Teile der US-amerikanischen Wirtschaft bisher ohne großen Erfolg um den russischen Markt bemühten, dürfte dies dem Einfluß des mittelmächtigen Deutschland zugute kommen.

Bisher bleibt die Allianz eher symbolisch und vor dem nächsten Gipfeltreffen im Mai 1999 in Paris wird sich daran wenig ändern. Tendenziell aber läßt die Zusammenarbeit mit Frankreich und Rußland, die beide dem mächtigen Washington eher feindlich gesinnt sind, eine wichtige machtpolitische Option offen: Deutschland und Frankreich als gewichtiger Teil der Europäischen Union haben gemeinsam mit Rußland in der Tat das Potential, es mit den USA aufzunehmen.

Auch wenn Jelzin sich selbst für die bedeutendste Person der Runde hält: Welchen Weg das Dreierbündnis am Ende einschlägt, werden Paris und Moskau aber wohl kaum so stark beeinflussen wie die deutsche Seite. Zieht die Bundesrepublik nicht mit, wird es keinen europäischen Gegenpol zu den USA geben. Damit ist Deutschland nicht nur der ausschlaggebende Faktor innerhalb der Troika, sondern verschafft sich auf internationaler Ebene mehr und mehr Gewicht.