Stachel im Goliath

Der Allgemeine Hochschulsportverband wird fünfzig und ist nur noch ein unpolitischer "Lebensraum"

"Hochschulsport ist", definiert der Allgemeine Deutsche Hochschulsportverband (adh), der am 2. April 50 Jahre alt wird, "wenn Wissenschaftlerlnnen und Hochschulangestellte, Studierende und DozentInnen bei Spiel, Spaß und Spannung gemeinsam schwitzen." Fehlen Spiel-Spaß-Spannung, zählen unter Umständen auch heiße Sommertage oder Klausuren zum Hochschulsport. "Für Studierende und Hochschulangehörige", weiß der adh, "bedeutet die Hochschule Lebens- und Arbeitsraum." Wer sich vom "Lebensraum" nicht abschrecken läßt, aber dennoch gerne kickt, schwimmt, Volleyball spielt oder Ski fährt und dafür möglichst wenig Geld ausgeben möchte, kann an den Uni-Sportangeboten teilnehmen. Über 25 Prozent der Studenten nutzen das Angebot, das zu 80 Prozent aus Breitensport besteht.

Doch auch zu den Wettkämpfen, wie den diversen Deutschen Hochschulmeisterschaften bis hin zu den alle vier Jahren unter dem Patronat des Internationalen Olympischen Komitees stattfindenden Universiaden nehmen in Deutschland über 10 000 Studenten teil. Im adh sind 140 Hochschulen Mitglied, mittlerweile auch wieder die bayrischen, die Anfang der siebziger Jahre, als der adh einen linken Ruf hatte, geschlossen ausgetreten waren. "Der adh stand Anfang der siebziger Jahre (zu Unrecht) in einer leistungsfeindlichen Ecke", schreibt im Jubiläumsheft der langjährige Generalsekretär, Till Lufft, woraus man folgern muß, daß der Verband wirklich da stand, aber dies mittlerweile als Fehler angesehen wird. Sven Güldenpfennig, früher im adh-Vorstand und Dauerautor im DKP-nahen Pahl-Rugenstein-Verlag, heute Leiter des Deutschen Olympischen Instituts (DOI) in Berlin, erinnert sich, der adh habe "der kritische Stachel Davids in der Rüstung des Goliaths DSB und seiner Verbände" sein wollen, dieser Stachel, von David scheint's mit der Schleuder in die fremde Rüstung geflitscht, sei mit "bescheidenen personellen (und bisweilen auch argumentativen) Mitteln" ausgekommen.

Daß da nur die Bayern nicht mehr dabei sein wollten, vermag man kaum zu glauben. Der adh wurde Mitglied des Deutschen Sportbundes (DSB), der Deutschen Sportjugend (dsj), der Fédé-ration Internationale du Sport Universitaire (FISU), des DOI, des Trägervereins der Führungs-und Verwaltungsakademie des DSB und der Initiative "Sport mit Einsicht", die sich um umweltfreundlichere Sportangebote bemüht.

Vom früher vorgetragenen linken Anspruch, wie auch immer der sich präsentierte, ist mittlerweile nur noch das Bekenntnis zum "Sport für alle" übriggeblieben, der sich nicht nur in den besonderen breitensportlichen Angeboten zeigt, sondern auch darin, daß alle Hochschulangehörigen teilnehmen dürfen, was an den Unis den Betriebssport ersetzt. In den letzten Jahren kooperiert der adh mit der Deutschen Angestellen-Krankenkasse und der Continentalen.

Neu hinzugekommen ist 1982 der Frauenausschuß des adh, der für besondere Angebote sorgt. Z.B. die Veranstaltungsreihe "Outdoor- und Wagnissportarten (k)ein Hindernis für Frauen" oder das 1. Frauen-Sport- und Kulturfestival 1996 in Hannover.

Der adh versteht sich mittlerweile als Anbieter von Trendsportarten, die er an den Zentraleinrichtungen Hochschulsport der jeweiligen Universitäten entsprechend kostengünstig veranstalten kann: Aerobic, Aikido, Aqua-Jogging, Bauchtanz, Capoeira, Indischer Tanz, InlineSkating, Jonglage, Kanu, Modern Dance, Mountainbiking, Rollstuhlrugby, Snowboard, Stepptanz, Ultimate Frisbee, Yoga oder Zirkussport gebören zum Programm.Für die Organisation von Leistungssport fühlt sich der adh nicht zuständig. Anders als beispielsweise in den USA findet leistungssportliches Training in Deutschland nicht an Hochschulen statt, es werden für besonders Sportbegabte auch keine Stipendien verliehen, dafür ist immer noch der Verein zuständig. Die Studentenweltmeister, mit denen sich der adh gerne schmückt, entspringen alle dem Vereinssport. So ist der adh ein Verband, dem ohne es zu wissen, etwa 1,8 Millionen Mitglieder angehören, bei dem, ohne zu wissen, wo sie sind, fast eine Million Studenten jährlich Sport treiben, und er ist, wie er selbst formuliert, "Erprobungsfeld für spätere Sportfunktionäre". Und Walther Tröger, von 1954 bis 1961 adh-Generalsekretär, heute Präsident des Nationalen Olympischen Komitees, erinnert sich, daß ihm die Jahre beim Hochschulsportverband "das Rüstzeug für die vielen Jahrzehnte danach gegeben" haben. Hauptsache, alle schwitzen gemeinsam.