Filmemacher und Dozent für Film an der Universität Berkeley

Wo waren Sie, als das Sparwasser-Tor fiel?

"Wenn wir noch irgendwas in unserem Leben erreichen wollen, dann dürfen wir uns keine Olympiaden, Europa- und Weltmeisterschaften mehr ansehen", hat Uwe Nettelbeck letztens zu mir gesagt, und so schlimm es ist, ein bißchen hat er recht.

Ich war damals in den Siebzigern in einer Phase, in der ich mir jedes Spiel, das übertragen wurde, ansah. Erst später kam es zu einer furchtbaren Zunahme dieser Übertragungen - aber als man ein Kind war, da sah man immer nur ein halbes Spiel oder nur ein Foto, und in der Sportschau wurde nur ein Spiel gezeigt, und immer wartete man ewig auf die Sachen, die man so gerne gesehen hätte. An die früheren Spiele kann man sich jedoch, und das finde ich interessant, besser erinnern, nicht nur, weil man da jünger war, sondern weil da mehr drüber geredet wurde, weil es eben ganz besondere Ereignisse waren.

Als dann diese groteske Niederlage gegen die DDR passierte, da nahm man das ziemlich gefaßt auf. Die deutsche Nationalmannschaft bei Turnieren zu verfolgen, das hatte immer damit zu tun, daß man enttäuscht wurde. Wie in Filmen, in denen die Leute am Anfang alles falsch machen, z.B. in Trickfilmen, in denen man leidet, weil die positiven Helden sich so tapsig anstellen, irgendwann laufen sie dann aber zu ihrer alten Form auf, und dann kommt auch die Wende.

Es ist ja auch Bestandteil der deutschen Mythologie, daß man Niederlagen einstecken muß, bevor man etwas Großes erreicht. Also war man sehr froh, als der Sparwasser das Tor schoß, jedermann, nach diesem furchtbar beschissenen Spiel, das so verlief, wie solche Spiele immer verlaufen: Wenn man den Ball angenommen hat, dann fällt einem nichts anderes ein, als ihn wieder zurückzuspielen - es war so deprimierend.

Als Ereignis war es natürlich sehr billig, weil man es nicht als große Katastrophe nehmen mußte, denn man wußte ja, daß die Deutschen trotzdem weiterkommen würden.

Wir waren ja Gegner der Bundesrepublik, aber auf der anderen Seite war das öffentliche Bild, das die BRD seit den Olympischen Spielen 1972 erzeugte, mit Ausnahme der Terroristenbekämpfung und der Berufsverbote, das angenehmste der Nachkriegszeit. Das war ja noch in der Willy Brandt-Ära mit neuer, konformistischer Euphorie, zum ersten Mal herrschte eine gewisse Nonchalance in Deutschland.

In den letzten Jahren erlauben mir meine Über-Ichs nicht mehr, ganze Weltmeisterschaften anzusehen. Die Wettbewerbe sind so angeschwollen, das alles anzusehen, schaffen ja noch nicht einmal Langzeitarbeitslose. Und so wie früher kann man sich dem nicht mehr hingeben. Schon bei der Europameisterschaft habe ich so viele Spiele verpaßt, oder es sind schlimme Katastrophen passiert: Ich schneide es mit, komme nach Hause und will mir das Spiel ansehen, schalte den Fernseher ein und sehe das Ergebnis.