Einmal Rödelheim und zurück

Wie die Stadt Frankfurt Bauwagen-Bewohner durch die Rhein-Main-Metropole treibt

Noch vor wenigen Jahren hat die Stadt Frankfurt am Main mit dem Slogan "Toleranz am Main" für sich geworben. Daß es mit dieser Toleranz gegenüber alternativen Lebensformen nicht so weit her ist, hat vergangene Woche ein Kartell aus Ordnungsamt, Jugendamt und Liegenschaftsverwaltung eindrucksvoll bewiesen. Mit aller Macht sollten 13 zumeist jugendliche Bauwagen-Bewohner in die Obdachlosigkeit getrieben werden.

Am Mittwoch morgen beschlagnahmten Beamte des Ordnungsamtes, begleitet von rund 20 Polizisten, die Wagen der "Rollheimer" im Frankfurter Stadtteil Rödelheim. "Uns wurde durchs Megaphon mitgeteilt, wir hätten umgehend unsere Wagen zu verlassen", erzählt Petra, die seit einem Jahr im Bauwagen wohnt. Zuerst habe sie an einen Spaß ihrer Mitbewohner geglaubt. Aber als sie die Beamten gesehen habe, sei ihr bewußt geworden, "daß jetzt ernst gemacht wird". Die Polizisten nahmen die Personalien der Bewohner auf, versiegelten die Wagen und transportierten diese ab. Den Besitzern blieben nur einige Minuten, um ihre Habseligkeiten zusammenzusuchen.

Rückblende: Im April vergangenen Jahres wurden die jetzt Betroffenen von demselben Gelände schon einmal vertrieben. Ein Großaufgebot der Polizei zwang sie damals, "ihren" Platz aufzugeben. "Die Wiese liegt so weit in der Pampa, da kann sich einfach niemand gestört gefühlt haben", kommentierte Lutz Sirkorski, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Römer, die erste Räumung. Allerdings wohne der SPD-Stadtverordnete Hans Busch in einer benachbarten Siedlung, und dem sei "die bunte Truppe schon länger ein Dorn im Auge gewesen".

Nach einigem Hin und Her zogen die Bauwagen-Bewohner schließlich auf einen Parkplatz am Brentanobad, ebenfalls in Rödelheim. Relativ unbemerkt und ungestört konnten sie sich dort einrichten und fast elf Monate wohnen. Nur einmal stürmten bei einer Feier 30 Polizisten den Platz. Nachdem Wagen und Anwesende durchsucht worden waren, konnten die Ordnungshüter lediglich monieren, daß ein Kochtopf ungesichert auf einer Feuertonne stand und die Kompost-Toilette nicht den hygienischen Maßstäben entspreche. "Die wollten nur nach Gründen suchen, um uns hier rausschmeißen zu können", bewertet Bewohnerin Milli das Auftreten der Staatsmacht.

Am Mittwoch vorletzter Woche hatte man offensichtlich genügend Gründe gefunden, um sich eine gewisse Legitimität für sein Handeln zu konstruieren. Ein Angestellter des Ordnungsamtes überreichte den Bauwagen-Bewohnern in aller Form eine Verfügung, nach der sie bis Freitag, den 27. März, zehn Uhr, das Gelände zu räumen hätten. Andernfalls würden Zwangsmaßnahmen drohen. Andauernde "Verstöße gegen geltendes Recht und die damit verbundene Gefährdung der öffentlichen Sicherheit" hätten die Ordnungsbehörde zu diesem Schritt gezwungen, so Amtsleiter Rolf Menzer.

Fast pünktlich erschien die Polizei mit mehreren Einsatzfahrzeugen und einem Wasserwerfer, um die Entschlossenheit der Behörden zu demonstrieren. Zuvor war vom Verwaltungsgericht ein Eilantrag auf Aufschub des Räumungstitels abgelehnt worden. "Wer keine politischen Lösungen will, ruft eben die Polizei", sagte Margret Steen, Ortsbeirätin der Grünen, die für die Bauwagen-Bewohner mit dem zuständigen Richter sprach. Im Plenum wurde schließlich der Beschluß gefaßt, das Gelände freiwillig zu räumen.

Auf einer Spontan-Demo zogen die Bauwägler, begleitet von ungefähr 50 Sympathisanten und einigen Polizeifahrzeugen, durch den Stadtteil Bockenheim, wo auch kurzfristig eine Straße blockiert und eine Kundgebung abgehalten wurde. Die Polizei, die die Aktionen nicht einschätzen konnte, stellte, sofern die Proteste friedlich verliefen, einen Ausweichplatz in Aussicht. Am Abend landeten sie dann wieder in Rödelheim - just dort, von wo sie vor fast einem Jahr zum ersten Mal vertrieben worden waren.

Die Räumung und Beschlagnahmungen der vergangenen Woche kamen nun umso überraschender, da die Bauwagen-Bewohner für Donnerstag zu einem Runden Tisch geladen hatten. Im Dialog sollten alle "beteiligten Parteien nach einer akzeptablen Lösung suchen", so die Betroffenen in einer Pressemitteilung. Statt dessen erstattete das Liegenschaftsamt jetzt auch noch Strafanzeige wegen Nötigung.

Wie bösartig deutsche Beamte bisweilen auf Menschen reagieren, die nicht in ihr Schema passen, zeigten die Vorschläge, die der stellvertretende Ortsamtsleiter Hasso Haas für die Neu-Obdachlosen parat hatte: "Die können doch bei ihren Meldeadressen unterkommen, und im Notfall gibt es noch Heime für Nicht-Seßhafte."

Trotz aller Mühe und "Zero Tolerance" hatten die Behörden nicht mit soviel öffentlichem Protest gerechnet. Viele soziale Organisationen erklärten ihre Solidarität, Grüne und PDS kündigten ihre Unterstützung an, und auch die Frankfurter Rundschau mißbilligte offen das Verhalten der Stadt. Nach einer Krisensitzung signalisierte Ordnungsdezernent Udo Corts, die Bauwagen ihren Besitzern zurückgeben zu wollen. Kurzfristig zeigte sich der Verein Lobby für Wohnsitzlose und Arme bereit, den "Rollheimern" eine Ecke auf einem ihrer Campingplätze zu Verfügung zu stellen. "Das kann aber nur für ein bis zwei Monate so sein", stellte Jochen Meurers, Geschäftsführer der "Lobby", gleich vorweg klar. Es gehe vor allem darum, einen geeigneten Rahmen für Verhandlungen zu schaffen. Auf keinen Fall wolle man die Stadt aus ihrer Verantwortung entlassen: "Wir haben nicht vor, die Probleme zu lösen, die sich Frankfurt mit seiner Law-and-Order-Politik selbst einbrockt."