PDS lektoriert Diesner-Buch

Göttliche Eingriffe

Warte nur, bis der Regen fällt, werden einige PDS-Betonköpfe gedacht haben. Und er fiel: Ein kräftiger Schauer vernichtete die erste Auflage eines aktuellen Buchs über die rechte Szene. Die Spedition hatte die Stapel noch vor der Premiere im Februar ungeschützt Wind und Wetter ausgesetzt. Bis auf wenige Exemplare gingen alle aus dem Leim. "Ein Gottesgeschenk", jubelte Frank Schumann, der Verlagsleiter der edition ost. Prominente ParteigenossInnen hatten sich nach der Lektüre heftig beschwert. Wo kämen wir denn da hin, wenn Antifa-Publikationen nicht die exakte Parteilinie widerspiegelten - und die persönliche Eitelkeit nicht bedienten?

Die Autorin jedoch ist sauer: Laura Benedict hat sich in ihrer spannenden Reportage "Sehnsucht nach Unfreiheit - Der Fall Kay Diesner und die rechte Szene" an die Fakten gehalten. Das bestätigte ihr der Verlagschef schriftlich. Das Buch handelt von den privaten und politischen Hinitergründen des Nazi-Terroristen, der den Marzahner PDS-Buchhändler Klaus Baltruschat durch mehrere Schüsse schwer verletzte und später einen Polizisten kaltblütig erschoß. Dennoch wurden die Fakten in der zweiten Auflage zugunsten der Partei, die immer recht hat, korrigiert.

Baltruschat hatte eine lange Liste detaillierter Änderungswünsche eingereicht. "Den Komplex umarbeiten", heißt es in forschem Ton, und: "MfS-Bezug entfernen!" Der ehemalige "Hauptamtliche Inoffizielle Mitarbeiter" scheute sogar vor Lügen nicht zurück, um seine Weltsicht einzubringen: Kunden seiner Buchhandlung erfuhren, der Verlag habe das Werk zurückgezogen, weil darin zu viele Unwahrheiten enthalten seien. Potentielle Käufer wurden mit dem Hinweis abgeschreckt: "Da stehen Dinge drin, die kann man so nicht vertreten."

Auch die PDS-Landesvorsitzende Petra Pau übte massiv Kritik. Ihr gefiel nicht, daß Laura Benedict den Drohbrief eines anonymen Nazis abgedruckt hatte. Hinter vorgehaltener Hand wurde kolportiert, Pau habe sich insbesondere darüber beschwert, daß in dem obszönen Schreiben ein Hinweis auf ihre sexuelle Orientierung zu finden sei.

Auch Gregor Gysi kommt in der zensierten Fassung besser weg: Seiner Erklärung zu den Schüssen des Nazi-Terroristen wird jetzt bescheinigt, sie sei "frei von ideologischer Voreingenommenheit". Das stammt zwar nicht von der Autorin, aber was ist nicht alles erlaubt, wenn es einem guten Zweck dient: Die Passage sieht jetzt viel positiver aus. Das kennt Verlagsleiter Schumann noch aus den Zeiten, als er Reporter der Jungen Welt war und im Auftrag des Zentralrats der FDJ in Westberlin "an Zusammenkünften" teilnahm. Gelernt ist eben gelernt. Der PDS-Anwalt Ulrich Dost mäkelte ebenfalls herum. Laura Benedict hatte darauf verzichtet, ihn als brillanten Juristen zu schildern, "weil er sich nicht mit Ruhm bekleckert hat". Bei der Premiere zitierte ihn der Rezensent des Neuen Deutschland, ohne seinen Namen zu nennen: das Buch sei "im RTL-Stil" geschrieben. Warum das ND ausgerechnet "Hans George" das Buch besprechen ließ, weiß niemand: Hinter dem Pseudonym verbirgt sich Hans Canjé alias Hans Daniel, der Vater des Ex-Nazis Ingo Hasselbach. Canjé wird nicht gefreut haben, daß sein Sohn für den Nazi-Terroristen Diesner nach dessen Aussage ein Vorbild war.

Jetzt ist das Buch nicht nur sauber, sondern auch politisch rein. Nur Lektor Drommer, 30 Jahre bei Aufbau und jetzt bei edition ost, spricht weiterhin Klartext: So eine Form von Zensur sei ihm noch nicht untergekommen.

Laura Benedict: Sehnsucht nach Unfreiheit. Der Fall Kay Diesner und die rechte Szene. edition ost, Berlin 1998, 254 S., DM 24, 80