Kein Alkohol und den Knüppel im Genick

In Griechenland wird gegen albanische Migrantinnen mobil gemacht

Griechenlands Kultusminister Venizelos von der sozialdemokratischen Pasok ist ein eher diplomatischer Typ. Als Panteleimonas, der Metropolit von Thessaloniki, am 25. März - dem Nationalfeiertag zur Erinnerung an den Beginn des Befreiungskampfes gegen die Türken 1821 - beim Gedenkgottesdienst erklärte, "Türken, Albaner und Skopier" seien "Feinde" Griechenlands, die man "alle abschieben" müßte, mahnte Venizelos zu "Ruhe und Gelassenheit bei diesem Thema". Schließlich dürfe nicht vergessen werden, daß heute von den 17 Millionen StaatsbürgerInnen Griechenlands mehr als zwei Fünftel im Ausland leben. Und diese sollten natürlich nicht "Opfer von Fremdenhaß und Rassismus werden", entgegnete er auf Panteleimonas' Forderung "Griechenland den Griechen".

Die albanische Botschaft in Athen ließ sich dadurch allerdings nicht besänftigen: In einer Presseerklärung formulierte sie am nächsten Tag scharfe Kritik am fremdenfeindlichen Klima im Lande und beschuldigte die Massenmedien, durch ihre Berichterstattung "Rassismus und Fremdenangst" zu schüren. In den Augen der rechten Oppositionspartei Nea Demokratia eine "Frechheit und Anmaßung", die man energisch zurückwies.

Die Regierung in Tirana zeigt sich so besorgt, weil der griechische Rassismus sich hauptsächlich gegen die albanischen Menschen im Lande richtet. So sitzen auf Rhodos über 90 Albaner wegen illegaler Einreise im überfüllten Gefängnis.

Aber der Rassismus geht längst nicht nur von institutioneller Seite aus. Am 20. März beispielsweise drangen auf Ikaria in dem Dorf Agios Polikarpos sieben vermummte Männer in die Baracke von vier albanischen Arbeitern ein, schlugen sie mit Knüppeln zusammen und bedrohten sie mit einem Karabiner. Einer der Arbeiter mußte mit einer schweren Schädelfraktur, ein weiterer mit einem Oberarmbruch ins Krankenhaus. Die mutmaßlichen Täter - zwischen 26 und 29 Jahre alt - begründeten ihre Aktion mit dem Standardspruch: "Die Albaner nehmen uns die Arbeit weg."

Zwei Tage darauf besetzte auf Simi eine Gruppe Rassisten die Polizeistation der Insel und verlangte "die sofortige Entfernung aller Albaner" von Simi. Erst nachdem ihnen seitens der Beamten zugesagt wurde, nur "legale Ausländer" dürften auf der Insel verbleiben, zogen die Besetzer wieder ab. Unter den rund 2 000 BewohnerInnen der Insel befinden sich etwa 200 albanische Arbeiter.

Für Aufsehen sorgte insbesondere das Dorf Paleo Keramidi, etwa 80 Kilometer südlich von Thessaloniki gelegen, mit einer Entscheidung im Ortsbeirat. Der einstimmig von den Abgeordneten der konservativen Nea Demokratia und der Pasok gefaßte Beschluß lautete: "1. Für illegale Einwanderer ist es nach Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang verboten, sich auf öffentlichem und Gemeindegelände herumzutreiben. 2. Für illegale Einwanderer ist es nach Sonnenaufgang verboten, sich innerhalb der bewohnten Gebiete zu versammeln. 3. Jeder Einwohner, der illegale Einwanderer beschäftigt, ist in Zukunft verpflichtet, dies der Gemeinde zu melden. Er selbst ist für die Ernährung, Betreuung und das Verhalten des illegalen Einwanderers verantwortlich."

Nachdem die Athener Tageszeitung Elefterotypia am 26. März unter dem Titel "Im Nazistil gegen Albaner" dies bekanntmachte und eine Parallele mit der deutschen Besatzungsmacht während des Zweiten Weltkrieges zog, wurde eine "öffentliche Voruntersuchung" der Ereignisse eingeleitet. Der Vorsitzende des entsprechenden Gremiums beeilte sich, zu erklären, der Beschluß des Ortsbeirates sei "so ungültig, als wäre er nie gefaßt worden". Was die Bevölkerung allerdings nicht davon abhält, durch bewaffnete nächtliche Patrouillen den Beschluß selbst umzusetzen.

Vergangenen Dienstag schließlich wurde bekannt, daß das Dorf Poulitsa auf der Mittelmeerinsel Korinthos schon am 29. Dezember letzten Jahres die Bewegungsfreiheit albanischer Menschen eingeschränkt hat: Albaner ohne Arbeit drüften sich nicht auf Gemeindegebiet aufhalten, und die Unternehmer hätten für die bei ihm angestellten Albaner zu haften, hieß es in der Entscheidung. Auch der Alkoholausschank an Albaner wurde verboten.

Während die Medien sich einerseits um die Darstellung derartiger Vorfälle bemühen, verfolgen sie weiterhin ihre gewohnte Berichterstattung. Permanent ist von "ausländischen Kriminellen" die Rede. Selbst innerhalb des Sicherheitsdiskurses betrachtet, sprechen die Fakten dagegen eine andere Sprache: Nach Statistiken ist im Jahr 1997 nicht einmal jedes zwanzigste Verbrechen von Nicht-Griechen begangen worden. Die Steigerung der Kriminalitätsrate ist sehr gering, Griechenland eigentlich das sicherste Land der Europäischen Union.

Dennoch macht die Pasok-Regierung mit angeblicher Kriminalitätsbekämpfung Stimmung: Athen wurde mit mehreren hundert zusätzlichen Streifenpolizisten ausgestattet, um dem "Sicherheitsbedürfnis der Bürger" Rechnung zu tragen. Die Streifen wurden angewiesen, "verdächtige Ausländer" zu überprüfen.

Laut Elefterotypia wurden so in der zweiten Märzhälfte insgesamt 50 000 "Verdächtige" im Großraum Athen überprüft. Es soll sich um griechische Staatsbürger wie auch Ausländer gehandelt haben. 5 000 Menschen aus Albanien, die weder Wohnung noch Papiere nachweisen konnten, wurden abgeschoben.