Schröder, Tietmeyer, Stoiber bellen, die Karawane zieht weiter

Schlechte Verlierer im Euro-Cup

Die deutsche Außenpolitik, mit der Annexion der DDR und der Zerschlagung Jugoslawiens so prächtig in die neunziger Jahre gestartet, hat sich offensichtlich übernommen.
Am Ende sitzen die Deutschen zwischen allen Stühlen: Jelzin ließ sich von Waigel seine Tschetschenien-Feldzüge finanzieren, aber über die zugesagte Autonomie für die sogenannten Rußlanddeutschen wächst derweil das Gras der kasachischen Steppe; die Yankees legten, nachdem Genscher und Kinkel sich auf dem Balkan als Brandstifter blamiert hatten, in Dayton die Grundlagen für einen neuen Jugoslawismus. Und am wichtigsten: Schäubles Traum von Kerneuropa ist ausgeträumt, da die Herausbildung einer Hartwährungszone ohne Zutritt für welsche Haushaltssünder nicht geklappt hat. Der Euro startet vielmehr pünktlich und mit elf Mitgliedsländern, der von der Bundesbank befehdete Club Méditerranée ist mit von der Partie, Dini und Ciampi dürfen ihre Schulden mitbringen und künftig den anderen beim Frisieren der Budget-Statistik helfen.

Allein: Kohl hat rechtzeitig neu disponiert und Ende 1996 das Kerneuropa-Projekt vorläufig abgeblasen - Schröder aber nicht. Die vergangenen Tage und Wochen sahen ihn in der Rolle des Stänkerers gegen den Euro, egal ob in Paris beim vergleichsweise internationalistischen Genossen Jospin oder in Leipzig beim OB-Wahlkampf. Doch beim entscheidenden Termin hat er gekniffen: Am 2. April bei der Beschlußfassung über den Euro im Bundestag überließ er Lafontaine das Feld - wohl wissend, daß er mit seinem gequälten "Jein" im direkten Schlagabtausch von Kohl ausgeknockt worden wäre.

Schröders Agitation gegen den Euro hatte Pfeffer, solange die Entscheidung noch offen war. Unvergessen etwa der Herbst 1995, als er die Verteidigung der Deutschmark als Wahlkampflinie ausgab: "Endlich hat die Sozialdemokratie wieder ein nationales Thema." Doch das war eine andere Situation - Waigel startete gerade wieder eine Großoffensive gegen die Euro-Teilnahme Italiens, die Commerzbank brachte ein Kerneuropa-Modell sogar ohne Frankreich in die Diskussion. Heute steht Schröder als Don Quichotte da: Seine potentiellen Bündnispartner Tietmeyer und Stoiber haben im letzten Augenblick die Arschbacken zusammengeklemmt und sich geschlichen. Daß beiden das nicht leicht gefallen ist, belegen ihre Statements: Der Bundesbank-Bericht zur Erfüllung der Konvergenzkriterien ist ein wohlformuliertes "Leck mich" an die Adresse Italiens und Belgiens im besonderen und das Euro-Projekt im allgemeinen, das Plazet der Bundesbanker wirkt im Text vollkommen aufgesetzt. Und die fadenscheinige Art, mit der Stoiber seine Positionsänderung Pro Euro auf die bayrischen Erfolge bei der fiskalischen Disziplinierung der EU-Nachbarstaaten zurückführte, ist sogar Renate Schmidt aufgefallen, und das will etwas heißen.

Last not least hat auch das Bundesverfassungsgericht verhindert, daß noch einmal eine Anti-Euro-Front zusammenkommt. "Offensichtlich unbegründet" sei die Klage von Hankel & Co., ließen die Karlsruher Verfassungshüter nach nur zehn Wochen Beratung wissen - eine ordentliche Prüfung kann das nicht gewesen sein, alles sieht, ganz wie bei den anderen, nach einer Kapitulation vor der Macht des Faktischen aus. Worin diese Faktizität gründet - ob die nur mühsam weggeschummelten Milliardenlöcher Waigels oder die weiter schwelende asiatische Finanzkrise die deutschen Sonderwege nach Kerneuropa unpassierbar gemacht haben, oder ob Mitterrand schon in Maastricht die Deutschen geleimt hat -, kann an dieser Stelle nicht erörtert werden.

Ebenso muß rebus sic stantibus offen bleiben, ob eine solche allen Regeln der Marktordnung spottende Währungsunion Bestand haben kann, oder ob sie schon zur übernächsten Bundestagswahl wieder kollabieren wird. Bis dahin wenigstens herrscht Friede in Euroland - der bajuwarische Aufstand wegen Milchquoten und Fördergeldern und das Heckmeck um den Vorsitz in der Europäischen Zentralbank sind Nachhutgefechte, die an der deutschen Niederlage wenig ändern. Denn fest steht: Wenn Kohl die Franzosen und Italiener nicht kleingekriegt hat, wird es ein Kanzler Schröder erst recht nicht schaffen.