Volle Hosen in Magdeburg

Nur die PDS kann der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt gelassen entgegensehen
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Scheitert die PDS im September bei der Bundestagswahl, muß sie den Abstieg zur ostdeutschen Regionalpartei fürchten. Ein ähnliches Schicksal droht den Grünen - nur anders herum. Fliegt sie am 26. April aus dem sachsen-anhaltinischen Landtag, kann die ehemalige Ökopartei ihr Projekt Ostausdehnung als gescheitert betrachten. Und auf ein Desaster bei der bevorstehenden Landtagswahl deutet vieles hin. Umfragen sehen die Grünen bei vier Prozent. Schon 1994 schaffte es die Partei mit 5,1 Prozent nur knapp in den Landtag. Anders als SPD und PDS haben sich Bündnis 90 / Die Grünen durch das Magdeburger Regierungsmodell nicht profilieren können.

Doch nicht nur die Grünen zittern vor der Wahl zum Magdeburger Landtag. Auch die FDP muß mit einem erneuten Rückschlag rechnen. Mit drei Prozent liegt sie bei den Umfragen noch hinter Grünen und Republikanern (vier Prozent) und hat kaum Chancen auf einen Einzug ins Parlament.

Eine Niederlage droht auch der CDU . Für Landeschef Christoph Bergner wollen derzeit nur 22 Prozent der Sachsen-Anhaltiner ihr Kreuzchen machen, ebensoviele wie für die PDS. Der CDU-Wahlkampf stößt ins Leere. Bergner kritisiert unablässig die negative Wirtschaftsbilanz der Landesregierung - Sachsen-Anhalt ist mit 23,4 Prozent Spitzenreiter bei den Arbeitslosenzahlen -, doch 86 Prozent der Bevölkerung verorten die Verantwortlichen für diese Situation in Bonn. Mit Kohl läßt sich im Osten keine Stimme mehr gewinnen, und in der Landespolitik hat die CDU nichts zu bieten, was den Kohl-Malus wettmachen könnte. Grund zur Zuversicht hat eigentlich nur die PDS, der das Tolerierungsmodell in Magdeburg, bei dem sie sich als verläßlicher Partner der Regierung erwiesen hat, zu einigem Ansehen verhalf.

Die Hosen voll haben dürften jedoch auch die Sozialdemokraten, obwohl sie auch in Sachsen-Anhalt im Stimmungshoch sind. 42 Prozent der Wählerinnen und Wähler wollen Ministerpräsident Reinhard Höppner und seinen GenossInnen am 26. April die Stimme geben. Trotzdem will bei den Sozialdemokraten keine rechte Freude aufkommen. Denn für eine absolute Mehrheit wird es am Ende kaum reichen. Die Fortsetzung der bisherigen PDS-gestützten Koalition mit den Grünen ist jedoch angesichts von deren Umfragetief stark gefährdet.

Alles andere aber würde mitten im Bundestagswahlkampf vor allem Munition gegen die SPD liefern. Eine Koalition mit der CDU, an der diese bereits Interesse angemeldet hat, dürfte kaum die Bereitschaft der SPD zum Wechsel in Bonn signalisieren. Und ein Regierungsbündnis mit der PDS wäre eine Steilvorlage für den Lagerwahlkampf der CDU.

Doch andere Möglichkeiten bieten sich Höppner kaum, wenn wirklich nur drei Parteien im künftigen Landtag vertreten sind. Eine nominelle Koalition mit der PDS schließt der Ministerpräsident bisher aus. Sich direkt von der PDS tolerieren zu lassen, hat er hingegen bereits in Aussicht gestellt. "Was wäre dann anders als jetzt?" fragte Höppner jüngst provokant.

Die PDS-Vorsitzende Rosemarie Hein prahlt schon heute mit weitreichenden PDS-Erfolgen in den Haushaltsplanungen. Doch ihr sind auch die Grenzen der Tolerierung bewußt. Zwar habe die PDS Einfluß auf die Gestaltung des Landeshaushalts, doch die wahre Macht habe die ministerielle Bürokratie. Dort werde über die konkrete Verteilung der Gelder entschieden, zahlreiche Anträge würden durch Ministerien abgelehnt, weshalb die PDS künftig dort mehr Einfuß nehmen müsse. Eine Anspielung auf den Wunsch nach PDS-MinisterInnen im künftigen Kabinett? Möglich. Gregor Gysi hat das schon vor geraumer Zeit gefordert und auch die Möglichkeit einer schriftlichen Tolerierungsvereinbarung, also so etwas wie eine Koalition ohne Ministeriumssitze, ins Spiel gebracht.

Doch zu sehr will man die SPD nicht drängen, sich zur rosa-roten Zusammenarbeit zu bekennen. PDS-Wahlkampfleiter Roland Claus erklärte im Neuen Deutschland bereits, die Eckpunkte einer Tolerierung müßten "nicht zwangsläufig schriftlich fixiert" werden, es seien durchaus Kompromisse denkbar. "Die Sozialisten" fürchten, die SPD durch zu viele Forderungen in die Arme der CDU zu treiben. Die freilich lockt schon. Auf die Frage, ob er bereit wäre, Stellvertreter von Höppner zu werden, erklärte CDU-Chef Bergner, ebenfalls im Neuen Deutschland, darüber müsse man "im Lichte des Wahlergebnisses sprechen". Eine erstaunliche Aussage, angesichts der bekannten Tatsache, daß Bergner und Höppner sich persönlich absolut nicht ausstehen können.

Zweifellos würde Höppner, wenn die Stadt Bonn mitsamt ihres Parlaments und ihren Parteizentralen irgendwo auf dem Mars läge, sofort mit der PDS koalieren. Doch der SPD-Mann bekommt Druck von der Bundespartei. Helmut Wieczorek, Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Bundestag, forderte Höppner auf, eine Koalition mit der CDU in Erwägung zu ziehen und sich keinesfalls allein von der PDS tolerieren zu lassen. In der SPD dürften Erinnerungen an die vergeigte Bundestagswahl 1994 wach geworden sein, als Höppner allen Versprechungen zum Trotz die PDS-tolerierte Minderheitsregierung ins Leben rief und damit Scharpings Wahlkampf torpedierte. Die CDU initiierte daraufhin ihre "Rote-Socken-Kampagne", die zwar nicht der PDS, wohl aber der SPD schadete.

Den Ausweg aus dem Dilemma bietet womöglich ein Taschenspielertrick: Höppner könnte sich im dritten Wahlgang mit der einfachen Mehrheit der SPD zum Ministerpräsidenten küren lassen. Die PDS bräuchte sich nur der Stimme zu enthalten. Ob sich mit einer solchen Show die SPD-Aussage, man werde sich nie und nimmer in Bonn von der PDS an die Macht verhelfen lassen, ihre Glaubwürdigkeit behält, ist natürlich fraglich.