Ein Brunner vor dem Tore

Gefährliche Orte XXIV: Beim "Bund Freier Bürger - Offensive für Deutschland - Die Freiheitlichen" auf der Suche nach dem typischen Rechtswähler

Der "Bund Freier Bürger - Offensive für Deutschland - Die Freiheitlichen" ist nicht nur die Partei Deutschlands, die sich mit dem wohl längsten Parteinamen herumschlägt. Sie hat auch bahnbrechende Erkenntnisse zu bieten: "Am 27. September ist Bundestagswahl" beispielsweise. Um dann gleich nachzufragen, ob denn der Wähler seine Stimme gerne verschenken möchte. Vielleicht ja sogar an die langnamige Rechtsaußenpartei.

Das hofft man zumindest in der Münchener Zentrale, und deswegen tingeln die Parteioberen fleißig durch Deutschland, um Werbung für ihre der Einfachheit halber mit BFB abgekürzte Gruppierung zu machen.

So auch am 8. April im Herzen der deutschen Hauptstadt, in Berlin-Tiergarten. Der Berlin-Pavillon am Charlottenburger Tor und die dortige Ausstellung "Städte in der Stadt - Plattenbau und Großsiedlungen" wird dafür eigens zur Wahlkampfhalle en miniature ausgebaut. Viel Platz ist hier nicht, alles wirkt ein wenig provisorisch: Die Schautafeln und Fotos über Berliner Plattenbauten sind an den Rand des Raumes geschoben worden, an einer Stelle ist lieblos ein BFB-Fähnchen darübergehängt.

Die Flagge ist eigentlich nicht ganz aktuell, weil die Partei darauf schon zwei Drittel ihres Namens verloren hat: Es ist lediglich "Bund Freier Bürger" in Weiß und Gelb auf Hellgrün zu lesen. Bei einem anderen Fähnchen ist dies wenigstens behoben, irgendwer hat mit Hand "Offensive für Deutschland" drunter gekrakelt. Schließlich hat die Partei sich ja auch erst Ende Januar dieses Jahres einen so langen Namen zugelegt (Jungle World, Nr. 5/98).

Der Weg zur Pavillon-eigenen Bar ist blöderweise mit lauter interessierten Zuhörern zugestellt. Außerdem kann man sich an den kleinen Tischchen, auf denen sich im Laufe des Abends immer mehr leere Schultheiß-Gläser und Exemplare der monatlich erscheinenden BFB-Postille Deutschlandbrief ansammeln, nicht einmal hinsetzen. Ein schönes Ambiente ist das nicht, aber es geht ja hier ganz einfach nur um Stimmenfang. Und um Abowerbung natürlich: Die hübschen jungen Männer von der häßlichen Jungen Freiheit lassen sich solche Events nämlich nur selten entgehen.

Insgesamt ist der BFB aber gar nicht übel. Behauptet er zumindest. Damit, daß man bei der Bundestagswahl mangels Alternative "dem kleineren Übel" sein Kreuzchen geben muß, soll es nämlich in diesem Jahr vorbei sein. Denn nun gibt es den BFB als die "vierte Partei, die im politischen Spektrum bislang fehlte". Die Mannen vom Parteivorstand müssen es ja wissen, haben sie zum Großteil doch über Jahre hinweg in einer der sechs im Bundestag vertretenen Parteien mitgewirkt: in der FDP waren Generalsekretär Heiner Kappel genauso wie der Vorsitzende Manfred Brunner und dessen Stellvertreter Markus Roscher. Dadurch erscheint die Partei mehr als Auffangbecken für gescheiterte Liberale denn als die neue Sammlungspartei, mit der die Rechten jenseits von CDU und CSU endlich wieder einmal in den Bundestag einziehen wollen.

Von der im Januar zunächst angekündigten Aufnahme weiterer Konkurrenzparteien wie der Deutschen Sozialen Union (DSU) oder der Deutschen Partei ist aber mittlerweile nicht mehr die Rede. Statt dessen dreht sich alles um die Wähler. Kappel, ein ehemaliger Pfarrer und Hauptmann der Reserve, bringt exakt auf den Punkt, was die Partei von ihnen erwartet: genügend Unterschriften, um die Wahlzulassung überhaupt zu erreichen, jede Menge Mitgliedsbeitritte und vor allem die Kreuzchen am 27. September. Dazu bedarf es zunächst einer Gruppe potentieller Wähler - für sie wird immerhin der ganze "Brunner und Kappel kommen nach Berlin"-Zirkus veranstaltet.

Der prinzipiell interessierte BFB-Sympathisant ist eher männlich und über 40 Jahre alt. Stolz trägt er am linken Oberarm eine weiße Ordnerbinde durch den Saal, kommt sich wichtig vor und hat ein Funkgerät am Gürtel hängen hat. Die älteren Exemplare sind dafür mit Krawatten und angegrautem Haar ausgestattet. Die wenigen Frauen sind meist als Begleitung da - oder in Begleitung, je nach Sichtweise halt. Ihr zuverlässigstes Erkennungsmerkmal ist der mitgeführte Regenschirm, den der Mann ihr erst dann abnimmt, wenn es nach der Veranstaltung wieder hinaus ins regnerische Aprilwetter geht.

Manche Interessenten sind sogar prominent. Fürst Ferdinand von Bismarck etwa, der in der ersten Reihe Platz nehmen darf, oder der extrem rechte Publizist und Historiker Rainer Zitelmann. Einige andere hinterlassen dafür den Eindruck, sie seien bei den Jungen Nationaldemokraten organisierte Neonazis. Wieder andere tragen Uniform und blättern nach Kappels theatralischem Gejammer, Polizisten täten ihm sooo leid, weil sie nur "ein schäbiges Gehalt, gerade vergleichbar mit Sozialhilfe bekommen", schon mal in dem Deutschlandbrief oder anderen Parteiblättern herum. Zum potentiellen BFB-Fan gehören außerdem zwei wichtige Dinge: erstens ein Handy. Ständig bimmelt es hier und klingelt es dort. Und zweitens ein schlechter Geschmack: Während der Berlin-Pavillon seinen Espresso der Marke "silly" anpreist, greift das Publikum doch lieber auf Bier zurück.

Ansonsten läßt man sich im Saale für alles begeistern, was zur gewohnt-rechten Programmatik gehört: Die Forderung nach "Abschaffung des Grundrechts auf Asyl", Hetze gegen "die importierte Schwerkriminalität" und Drogen aller Art - beispielsweise "den Euro als Einstiegsdroge für die Entstaatlichung Deutschlands" -, das Hervorheben der "glanzvollen und wunderbaren Momente" deutscher Geschichte, das Gedenken an die Opfer von "Bombenterror" und Vertreibung sowie die Forderungen nach "Fleiß, Zuverlässigkeit und Ordnung", nach "Arbeitsethos" und der Bekämpfung eines imaginären Sozialismus, der nach dem Ende der DDR die neue BRD unterjocht hat.

Allerdings mag der durchschnittliche Zuhörer dem populistischen Pastoren Kappel viel lieber lauschen als dem Parteivorsitzenden Brunner, dessen Langatmigkeit die Langnamigkeit des BFB noch weit in den Schatten zu stellen vermag. Johlende Begeisterungsstürme kann Brunner nur mit der Feststellung, die Bundesrepublik sei längst zum "Führerstaat" geworden, bewirken.

Und auch wenn er die Ursache für diesen plötzlichen Zuspruch ganz offensichtlich nicht begreift, freut er sich trotzdem darüber. Daß der BFB mit diesem Wählerprofil im September mehr als fünf Prozent der abgegebenen Stimmen bekommt, scheinen selbst die Funktionäre der Partei nicht so ganz glauben. Statt dessen müsse die Rechtsaußenpartei, so Kappel, "langfristig denken". Trotzdem steigt man voll in den Wahlkampf ein.

Denn der durchschnittliche BFB-Sympathisant macht am Ende der Veranstaltung gerne ein paar Mark für die Parteikasse locker. Solange es die deutsche Währung noch gibt, jedenfalls.