Ein rechter Atombursche

Ob rechtsradikale Burschenschaftler oder Milliardenbetrüger: Der Münchener TU-Präsident Wolfgang Herrmann, künftiger Herr des Garchinger Bombenurans, kennt keine Berührungsängste

"Es war eine tolle Veranstaltung mit wirklich netten Leuten, mit Ärzten und Professoren, ich habe dort keine Rechtsextremen gesehen." Wolfgang Herrmann (50) ist empört. Nicht etwa darüber, daß er mit Rechtsradikalen gefeiert hat und sie noch nicht einmal erkannt haben will, sondern weil er deswegen kritisiert wird: Der Präsident der Technischen Universität (TU) München und Bauherr des neuen, international kritisierten Garchinger Atomforschungsreaktors FRM II hatte am 30. Januar 1998 dem 45. Ball des Wiener Korporations-Ringes (WKR) in der Hofburg der österreichischen Hauptstadt seinen "Ehrenschutz" (eine Art Schirmherrschaft) gegeben und das Grußwort gesprochen. Zu den Grundsätzen der Vereinigung deutschnationaler Burschenschaften zählt das "Bekenntnis zum angestammten Volkstum".

Der "Interessengemeinschaft der nationalfreiheitlichen und waffenstudentischen Hochschulkorporationen Wiens" gehören derzeit 18 Verbindungen an: Auf der Homepage der braunen Burschen wird zum Beispiel die Grenze zu Italien am Brenner-Paß als "Unrechtsgrenze" bezeichnet und festgestellt, daß "Südtirol ein gesamtösterreichisches Problem" sei. In einem Offenen Brief an Bundeskanzler Kohl forderte der WKR 1990 in der rechtsradikalen österreichischen Zeitung Aula, "die Oder-Neiße-Linie als deutsche Ostgrenze nicht anzuerkennen".

Die Mitgliedsvereinigung "Olympia" hat auch in Sachen Bombenterror in Südtirol eine lange Geschichte. Auf dem Burschentag 1991 in Eisenach fiel Olympia sogar dem Hamburger Verfassungsschutz durch die Forderung nach geeigneten Maßnahmen zur sofortigen Beendigung der "Unterwanderung des deutschen Volkskörpers durch Ausländer" auf.

Besonders die "Teutonia" gilt schon länger als "Hochburg der militant-rechten Szene", wie das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes im "Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus" schreibt. Ehemalige Teutonia-Mitglieder wurden wegen Briefbombenattentaten festgenommen.

Enge Verbindungen haben die Wiener Burschenschaften natürlich zu den "reichsdeutschen" Bruderorganisationen, z.B. zur Münchener "Danubia". In deren Verbindungshaus wurde 1989 der Hochschulverband der Republikaner gegründet. Danubia-Mitglieder kämpften außerdem für die Redefreiheit der Negationisten David Irving und Robert Faurisson.

Herrmanns Auftritt bei der WKR-Veranstaltung hat der grüne Landtagsabgeordnete Christian Magerl zum Anlaß genommen, um dem TU-Chef "mangelnde Distanz" zu rechtsextremen und rechtsradikalen Kreisen vorzuwerfen. Für Herrmann sind das bodenlose und falsche Verdächtigungen. Die "Unterstellung" sei eine "schlimme Entgleisung", das Ziel offensichtlich: Der traditionelle Wiener Ball werde mißbraucht, "um mich als TU-Präsidenten zu diskreditieren" und um ihm die "Zuverlässigkeit beim Betrieb des Forschungsreaktors mit hochangereichertem Uran abzusprechen".

Auf dem Ball, beteuert Herrmann, seien "ja auch Professoren von Münchener Korporationen, etwa der frühere TU-Vizepräsident Herbert Kupfer oder der LMU-Gerichtsmediziner Erich Eisenmenger und Eduard Pütterich, Ministerialdirigent im bayerischen Kultusministerium" gewesen. Die Ball-Veranstalter teilten unterdessen mit, in erster Linie hätten in der Wiener Hofburg Politiker der FPÖ des Burschenschaftlers Jörg Haider das Tanzbein geschwungen. Herrmann: "Das habe ich nicht gewußt." Konsequenzen will er keine ziehen. "Ich habe mich für nichts zu entschuldigen. Das ist eine traditionsreiche und völlig unpolitische Veranstaltung", so Herrmann. Der Rektor der Wiener Universität sieht das anders: Er hatte bereits 1996 dem Burschenschafts-Ball wegen rechtsextremer Tendenzen seinen "Ehrenschutz" verweigert.

Besonders pikant: TU-Chef Herrmann werden Ambitionen auf das Amt des bayerischen Kultusministers nachgesagt. Er gilt als enger Berater des bayerischen Ministerpräsidenten. Als Mentor des neuen bayerischen Hochschulrahmengesetzes forderte Herrmann wiederholt "Hochschulen für Eliten", vehement setzt er sich für eine enge Zusammenarbeit der universitären Forschung mit der Wirtschaft ein.

Vor allem aber ist der Münchener TU-Präsident Bauherr des Garchinger Forschungsreaktors FRM II. Der geplante Einsatz von hochangereichertem bombenfähigem Uran (HEU) in Garching hatte bereits zu Verstimmungen auf höchster diplomatischer Ebene zwischen Bonn und Washington geführt: Denn das Garchinger Projekt läuft allen Bemühungen der USA zuwider, waffenfähiges Uran und Plutonium aus dem zivilen Bereich zu verbannen. Bisher scheiterten alle Interventionen, und selbst die Lieferverweigerung für das benötigte Material ist wirkungslos: Denn statt dessen wurden Vereinbarungen mit Rußland geschlossen, das den US-Boykott unterläuft.

Erst kürzlich hat der Präsident des Nuclear Control Institute aus Washington, Paul Leventhal, vor einem atomaren Super-Gau in Garching gewarnt: "Dieses Uran wurde noch nie getestet, keiner weiß, wie es sich unter Bestrahlung verhält." FRM II-Sprecher Gert von Hassel nannte den Kritiker kurz einen "Wanderprediger". Und Herrmann nimmt jede politische Kritik in Kauf und schließt sogar jegliches Sicherheitsrisiko aus: "Selbst beim Absturz eines Militärflugzeugs kann nichts passieren. Auch nicht, wenn ein Kubikmeter der Wand herauskracht und in das Becken im Inneren fällt. Dann schaltet der Reaktor nämlich ab, es kann keine Radioaktivität austreten." So einfach ist das.

Die Sprache, mit der amerikanische Wissenschaftler disqualifiziert und internationale diplomatische Gepflogenheiten über Bord geworfen würden, sei unglaublich, kritisiert die Opposition im Münchener Landtag: "Auch die Diskussion um den Garchinger Forschungsreaktor trägt mittlerweile stark deutschnationale Züge", schlägt die SPD-Abgeordnete Monica Lochner-Fischer die Brücke zu Herrmanns Wiener Burschenschaftsaffäre: "Das war kein Ausrutscher. Sein Auftritt hat das Faß zum Überlaufen gebracht. Herrmann ist in seinem Amt politisch nicht mehr tragbar." SPD und Grüne haben zur Ballaffäre schriftliche Anfragen im Landtag eingebracht, gemeinsam fordern sie den Rücktritt des TU-Präsidenten.

Die Bayerische Staatskanzlei stellt dagegen klar: "Eine Stellungnahme wird es nicht geben." Auch der Sprecher des Kultusministeriums, Toni Schmid, wiegelt ab: Der Auftritt sei "dienstrechtlich nicht relevant", die Vorwürfe seien "an mehr Haaren herbeigezogen, als die Alten Herren der Wiener Burschenschaften vermutlich auf dem Kopf haben".

Kein Wunder, daß Bayerns Staatsregierung Herrmann protegiert: Schließlich sitzt sie mit dem TU-Präsidenten beim FRM II-Projekt in einem Boot. Doch allein auf seine Freunde aus der CSU will sich Herrmann offenbar nicht verlassen. Bei ihrer Promotion-Arbeit für den FRM II setzt die TU längst auch auf publizistische Hilfe aus der äußersten rechten Ecke. So bestehen seit Jahren enge Beziehungen zu dem Verein "Bürger fragen Journalisten e.V.", dem Hansjörg Klein vorsteht, der ehemalige Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des Reaktorbauers Siemens / KWU. In seinem Organ TM-Transparenz der Medien hat es sich der Verein zur vornehmsten Aufgabe gemacht, gegen Atomkraftgegner und Antifaschisten zu hetzen. Als Dankeschön lancierte die TU zahlreiche großformatige Artikel samt Insider-Fotos aus dem Garchinger Reaktor in TM. In Heft 7/94 durfte Pressesprecher von Hassel unter der Überschrift "Atom-Ängste werden bewußt geschürt" seine Sicht der Dinge verbreiten. In derselben Ausgabe erschien auch eine Anzeige, die für den II. Kongreß "Mut zu Ethik" warb. Unter den Veranstaltern: Der "Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis" - eine Sekte, die laut Zürcher Tagesanzeiger "ihr Heil in der Vernetzung mit rechtsradikalen und religiösen Gruppen" sucht.

Besonders offensiv wirbt TM für eine andere Polit-Sekte: Den "European Kings Club" (EKC). Mitglieder der Organisation wurden jüngst wegen Anlagebetrugs in Milliardenhöhe und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verurteilt. Die ermittelnden Staatsanwälte und Journalisten wurden von TM massiv beschimpft, weshalb der Frankfurter Staatsanwalt Klaus-Dieter Brenner davon ausgeht, daß TM vom EKC kontrolliert wird. Für die TU München war das lange Zeit kein Hindernis für eine enge Zusammenarbeit mit TM: So planten die Universität, TM und die Staatsregierung die Herausgabe eines 32seitigen Sonderheftes TM-Special über den Garchinger Reaktor in Millionenauflage. Das Geschäft platzte jedoch Ende 1996, laut Pressesprecher von Hassel "sah die TU in der hohen Auflage ein Risiko".

Der gescheiterte Deal kam erst durch einen Brief ans Tageslicht, der der grünen Landtagsabgeordneten Irene-Maria Sturm zugespielt wurde. Darin beklagt sich "Bürger fragen Journalisten"-Chef Klein bei Herrmann über einen persönlichen Schaden von 540 000 Mark, der ihm durch das geplatzte Geschäft entstanden sei. Außerdem offenbart das Schreiben, mit welchen Mitteln die TU gegen Atomkraftgegner vorgeht: "Anläßlich der Grundsteinlegung von FRM II war ich Gast der Universität", schreibt Klein an Herrmann. "Wie Sie wissen, kam es zu erheblichen Störungen durch die Grünen und Kernkraftgegner. Mein Wagen wurde derzeit in der Einfahrt beschädigt. (...) Bei meiner Anzeige veranlaßte mich der Pressesprecher von FRM II, H. v. Hassel, insbesondere den geistigen Vater der Demo in den Strafantrag einzubeziehen. Zu diesem Zwecke gab er das notwendige Material und entsprechende Hintergrundinformationen an meinen Anwalt."