Antifas - bitte lächeln!

Mit Knarre und Fotokamera: Nazis legen systematisch "Feindkarteien" an

Als zur Jahreswende 1993/94 die Anti-Antifa-Broschüre Der Einblick erschien, in der mehrere hundert Namen und Anschriften von AntifaschistInnen, GewerkschafterInnen, JournalistInnen und anderen den Neonazis mißliebigen Personen veröffentlicht wurden, war der Aufschrei in Medien und Öffentlichkeit groß. Bis dahin hatte die seit 1992 verstärkt betriebene Anti-Antifa-Arbeit gegen die "Inländerfeinde", wie die Neonazis ihr Feindbild bezeichnen, kaum Beachtung gefunden. Auch nach dem Urteil gegen die Einblick-Macher kehrte schnell wieder Ruhe ein. Doch die Arbeit der rechtsextremen Möchtegern-Spione ging weiter. Zwar wird von der öffentlichen Verbreitung von "Feinddaten", wie beispielsweise in Szene-Postillen der extremen Rechten, nur noch selten Gebrauch gemacht, da dies strafrechtlich verfolgt werden könnte. Eifrig gesammelt und ausgetauscht wird aber nach wie vor. So speiste beispielsweise der mittlerweile verstorbene Kader der Sauerländer Aktionsfront, Andree Zimmermann, über lange Zeit regelmäßig Daten von politischen Gegnern in den neonazistischen Mailbox-Verbund "Thule-Netz" ein. Mit dem Aufschwung des rechtsextremen Lagers in den vergangenen Monaten scheint die Arbeit auf diesem Gebiet sogar noch verstärkt worden zu sein.

Als lediglich ein Fall in einer Reihe von rechtsextremen Überfällen im Zusammenhang mit Anti-Antifa-Aktivitäten entpuppte sich mittlerweile der Angriff auf einen polnischen Studenten in Frankfurt/Oder Mitte März. Dem in einer antifaschistischen Gruppe aktiven Studenten war von zwei stadtbekannten Neonazis auf offener Straße eine Gaspistole an den Kopf gehalten worden. Nachdem die beiden Rechtsextremisten den Bedrohten aus drei Perspektiven fotografiert hatten, verabschiedeten sie sich mit den Worten "Grüße von der Anti-Antifa". Dieses Vorgehen scheint bei Frankfurter Neonazis System zu haben. Nach Aussagen von AntifaschistInnen aus der Oderstadt ist es in den vergangenen Wochen zu etwa einem Dutzend Überfälle dieser Art gekommen. Betroffen waren nach Angaben einer Sprecherin des "Bündnisses gegen die JN" neben Punks und anderen augenscheinlich linken Jugendlichen auch aktive AntifaschistInnen. Der letzte bekanntgewordene Vorfall ereignete sich in der Osterwoche: Vier AntifaschistInnen, die sich in der Nähe eines linken Jugendclubs aufhielten, wurden zunächst von mehreren Neonazis bedroht. Als ein Polizeiwagen eintraf, zückte einer der Rechten einen Fotoapparat und lichtete die linken Jugendlichen vor den Augen der Polizei ab. Beteiligt an diesem Überfall war unter anderem der JN-Kader und Spitzenkandidat der NPD-Landesliste Jörg Hähnel.

Nicht nur in Frankfurt/Oder ist der Fotoapparat eines der beliebtesten Arbeitsmittel von Rechtsextremisten. Auffallend oft und systematisch begleiten seit etwa einem Jahr Anti-Antifa-Fotografen rechtsextreme Aufmärsche und Aktionen, um anwesende JournalistInnen, vermeintliche AntifaschistInnen und protestierende BürgerInnen für ihre Fotokarteien abzulichten. Auch bei antifaschistischen und linken Demonstrationen ist es in der Vergangenheit häufiger zu solchen Vorfällen gekommen. In einem Beitrag der Internetausgabe der neonazistischen Berlin-Brandenburger Zeitung vom 18. März werden die Neonazis aufgefordert zu melden, wenn "'Antifa'-Demos und -Aktionen anstehen": "Für größere Demos werden zukünftig Doku-Trupps zusammengestellt, welche spezielle Aufgaben bekommen." Weiter rühmen sich die Rechtsextremisten damit, die Anti-Antifa-Arbeit in den vergangenen Monaten weiterentwickelt zu haben. Während die damals nur "anlaßbezogen und regional" gesammelten Daten "eher zufällig und nebenbei" zusammengekommen und "nicht weiter verwertet" worden seien, glaubt man in der Redaktion der Neonazi-Postille jetzt "einen guten Überblick über die noch aktive Szene" zu haben: "Die bisher durchgeführten gezielten Aktionen zur Datenerfassung brachten mit wenig Aufwand sehr brauchbare Erkenntnisse."

Wofür die Datensammlung der Rechtsextremisten dienen soll, liegt auf der Hand. Wenn man mittlerweile auch Abstand davon nimmt, öffentlich zur Gewalt aufzurufen, so spricht die Aufforderung "verbreiten und verwenden!", die sich regelmäßig unter von der Anti-Antifa veröffentlichten Daten findet, eine deutliche Sprache.