Auf ein Neues

Überraschungswähler sind die Österreicher nicht. Erwartungsgemäß wurde Bundespräsident Thomas Klestil eine zweite Amtszeit beschert

Schon um 17 Uhr konnten die österreichischen TV-Moderatoren ihre liebsten Sprüche ablassen: "Der alte Bundespräsident wird auch der neue sein", wußte beispielsweise der ORF gleich nach der ersten Hochrechnung zu berichten. Amtsinhaber Thomas Klestil erhielt rund 64 Prozent der Stimmen, dann kam lange nichts. Erst an zweiter Stelle konnte sich die Leider-Nicht-"Präsidentin des Herzens", die evangelische Superintendentin Gertraud Knoll, behaupten.

Das eigentliche Gerangel gab es erst um den dritten Platz im Bewerberrennen: Die liberale Präsidentschaftskandidatin Heide Schmidt konnte knapp über zehn Prozent der Bevölkerung für ihre Slogans begeistern, der Bau- und Societylöwe Richard Lugner blieb nur knapp dahinter zurück. Diesen fulminanten Start in die Politikerkarriere hat Lugner vor allem seinen in den letzten Wahlkampfwochen radikaler werdenden Sprüchen zu verdanken. Wenn er - wie jüngst in Wien - diverse Bäder in der Menge genoß, hatte meist Jörg Haider das Copyright für seine Slogans. Obwohl Lugner in absehbarer Zeit wohl nicht in den Amtssitz des Bundespräsidenten, die Wiener Hofburg, einziehen wird, könnte er der Politik treu bleiben. Österreichs rechtspopulistischer F-Chef Jörg Haider möchte Lugner angeblich für den Posten des Chefs der Wiener Landespartei zu gewinnen. Dabei trifft es sich gut, daß Rainer Pawkowic, der bisherige Inhaber dieses Postens, vor rund zwei Wochen verstorben ist.

Unumstrittener Wahlsieger aber ist Thomas Klestil. Es wäre eine Überraschung gewesen, hätte sich der Präsident noch in einen zweiten Wahlgang bemühen müssen. Zwar hatte es Gertraud Knoll noch einmal spannend gemacht, doch das Image politischer Naivität konnte sie bis zuletzt nicht ablegen. Verschärfend kam ihre Stromlinienförmigkeit beim zentralen Thema dieses Wahlkampfs hinzu. Da das Amt des Bundespräsidenten mit wenig Kompetenzen und daher wenig medialem Unterhaltungswert belegt ist, bewegte nur eines den hiesigen Blätterwald: Wie halten es die einzelnen Kandidaten mit Jörg Haider?

Anfangs outete sich Gertraud Knoll als erbitterte Haider-Gegnerin, mußte dann aber in fahrlässiger Unkenntnis der österreichischen Verfassung gegenüber Journalisten eingestehen, daß es wohl möglich wäre, Haider mit der Regierungsbildung zu beauftragen - "wenn's keine anderen Möglichkeiten mehr gibt", war ihr deutlicher, im Wahlkampf insgesamt aber selten gehörter Zusatz. Für die ambitionierte Geistliche kann dies wohl als Kardinalfehler gelten, lenkte sie doch mit ihrer Kandidatur die Hoffnungen von Österreichs krisengeschüttelter Linken auf sich. Die Wählergunst verschob sich anschließend leicht zu Heide Schmidt. Sie galt als wissende Version der vor allem glaubenden Gertraud Knoll und zeichnete sich bis zuletzt als konsequente Haider-Gegnerin aus.

Der nun bis zum Jahre 2004 amtierende Thomas Klestil schlug sich im Wahlkampf mit atemberaubender Amtsarroganz bravourös. Er wich einer TV-Konfrontation mit seinen Konkurrenten mit dem oft strapazierten Argument aus, die Wähler bräuchten "Information statt Konfrontation". Was intern ganz anders klang: Gegenüber Beratern äußerte Klestil, er als "amtierender Bundespräsident" lasse sich "doch von anderen nicht niedermachen". Punkten konnte Klestil auch mit staatsmännischer Pose: Immer wieder verwies er auf sein beschauliches Leben als Karriere-Diplomat. Schließlich verdingte sich der Präsident während der sensiblen Waldheim-Jahre als österreichischer Botschafter in Washington. Und da sei es seine "größte Enttäuschung gewesen, nicht verhindert zu haben, daß Kurt Waldheim auf die Watchlist gesetzt worden war".

Dennoch dankte ihm der damals amtierende Außenminister und Waldheim-Freund Alois Mock seinen Einsatz fürs Vaterland und holte ihn als zweiten Mann ins Wiener Außenamt. Seine Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl 1992 war ursprünglich eine Verzweiflungstat der konservativen ÖVP, der Klestil nahesteht. Niemand hatte mehr geglaubt, dem damaligen sozialdemokratischen Kandidaten Rudolf Streicher den Wahlsieg streitg machen zu können. Doch die Arroganz, die Klestil nun zum Sieg verhalf, wurde damals seinem Gegner zum Verhängnis. Herausforderer Klestil punktete mit dem eingängigen Slogan "Macht braucht Kontrolle" und gab sich als Anwalt des kleinen Mannes. Ein aktiver Präsident abseits des traditionellen Parteienproporzes wollte er sein und den Mächtigen auf die Finger schauen.

Nach erfolgreicher Wahl war dieser Anspruch schnell abgelegt: Ähnlich wie sein Vorgänger Waldheim, allerdings aus anderen Gründen, verbarrikadierte er sich in der Hofburg und pflegte besonders zur ÖVP ein herzliches Verhältnis. So verhalf er den Nato-Ambitionen seiner Partei zur Aura der präsidialen Unantastbarkeit, indem er sich selbst für einen Nato-Beitritt aussprach. Entsprechend gespannt war sein Verhältnis zur anderen großen Regierungspartei, den Sozialdemokraten der SPÖ, die sich gegen einen Beitritt ausgesprochen hatten.

Ein wichtiger Bestandteil der Klestilschen Persönlichkeit ist auch seine Wichtigtuerei. Gerne fällt der Präsident des kleinen und überschaubaren Landes auf diversen Gipfeltreffen Weltgrößen wie William Clinton oder Boris Jelzin ins Wort. Gerne würde er auch mehr Kompetenzen bekommen: Als es 1994 darum ging, den EU-Beitritt Österreichs auf der Sonneninsel Korfu zu unterschreiben, legte er sich sogar zu einem kleinen medialen Gemetzel mit der Regierung an. Mit dem Ergebnis, daß er zwar nicht unterschreiben, aber zumindest anwesend sein durfte. Für Gelächter sorgen auch immer wieder Klestils hormonelle Höhenflüge beim Anblick des weiblichen Geschlechts. 1992 kurvte er während des Wahlkampfes mit seiner Ehefrau durch Österreich, knapp zwei Jahre später trennte sich das "Erste Paar", weil Herr Klestil eine Affäre mit einer seiner Sekretärinnen zugeben mußte.

Da sich Geschichte bekanntlich manchmal wiederholt, trat Klestil nach gewonnener Wahl mit der Aussage, der er in den letzten sechs Jahren am wenigsten gerecht werden konnte, vor die Kameras: "Ich bin der Präsident für die einfachen Bürger".

Schöner hätte es sein Hauptunterstützer Jörg Haider auch nicht sagen können.