Werbung und Wirklichkeit

Der Plan des Herrn Kaiser

Versicherungsvertreter im Fernsehen waren jahrzehntelang nette, freundliche Herren, die, ob sie nun Herr Kaiser hießen oder nicht, stets gut gelaunt durch die Nachbarschaft spazierten und ihrer Klientel nicht weiter auf die Nerven gingen. Im Gegenteil, sie warteten, bis sie angesprochen wurden, bevor sie stehenblieben und gute Ratschläge gaben.

Das war soweit in Ordnung. Die Versicherungsvertreter im Fernsehen können jedoch auch ganz anders, wie in einem Spot derzeit auf beinahe allen TV-Kanälen zu sehen ist: Ein paar deutsche Youngsters fahren in einem Bus durch die USA. Plötzlich sehen sie einen Tramper am Straßenrand stehen, halten - die deutsche Jugend ist nämlich unglaublich locker und unkonventionell - an und nehmen ihn mit. Im Bus kommt dann das Gespräch zufällig auf Fun-Sportarten, und wie blöde es ist, daß man bei ihrer Ausübung nicht versichert ist, denn die deutsche Jugend ist nicht nur locker und unkonventionell. Der Tramper hat jedoch ein paar prima Tips auf Lager, denn es gibt eine Versicherung, die auch Fun-Sportler unter Vertrag nimmt, und steigt, am Ziel angekommen, aus. Erst da dämmert es den Youngstern: "War das nicht Herr Kaiser?"

Das alleine würde schon ausreichen, um sich von Versicherungen und ihren Vertretern rundherum verfolgt zu fühlen. Aber im wirklichen Leben ist es tatächlich noch viel schlimmer als im Fernsehen. Da schicken Versicherungsvertreter nicht nur immer mal wieder Briefe mit tollen Angeboten, vor denen spätestens zwei Wochen später dann die Stiftung Warentest oder das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen warnen, sondern sprechen auch Anrufbeantworter voll.

Wie zum Beispiel, als man letzten Freitagnachmittag nach Hause kam und das rote Anrufbeantworter-Blinklicht freundlich flackerte. Nichts bereitete auf das vor, was kam: "Guten Tag, hier spricht Herr X von der Allianz-Vericherung. Ich wollte mich gerne mal mit Ihnen über Ihre Altersvorsorge unterhalten ... Rufen Sie mich doch an, dann können wir einen Termin vereinbaren und einen Plan für Ihre Altersvorsorge erstellen."

Pech für Herrn X, daß dieser Plan schon längst existiert. Im großen und ganzen besteht er darin, Hautcreme zu kaufen und sich damit einzuschmieren, wobei man streng darauf achten muß, unterschiedliche Marken anzuwenden, denn man weiß ja nicht so genau, welche es ist, die Falten vorbeugt. Und nur deswegen alt und runzlig zu werden, weil man immer nur einem Produkt treugeblieben ist, könnte eine der Sachen sein, die man später sehr, sehr bereut.

Was ist aber mit der Allianz los? Und was mit Herrn X? Das Abgefeimteste an seinem Anruf war definitiv der Zeitpunkt, denn immerhin ist sicher, daß er davon ausging, den Anrufbeantworter einer berufstätigen Frau vollzureden. Und die hat einen Anspruch auf ein Wochenende ohne lästige Gedanken an Altwerden und Falten. Ein auch nur durchschnittlich ausgebildeter Herr Kaiser hätte das gewußt, der hätte in der Drogerie so lange hinter dem Hautcreme-Regal versteckt gewartet, bis sein Opfer in Ruhe das richtige Produkt ausgewählt hat. Ein lockeres Gespräch über Alter, Tod und Krähenfüße wäre die Folge gewesen, und dann hätte er ja beraten können. Vielleicht. Der Drecksack.