Grünes Barett auf roter Maske

Mit Hilfe von US-Militärberatern wird Mexiko zum Exerzierplatz für Aufstandsbekämpfung. Ausländische Beobachter sind dabei unerwünscht

Während Woche für Woche ausländische Beobachter aus Mexiko ausgewiesen werden - in der vergangenen Woche waren es zwölf, drei weitere wurden in Haft genommen - dürfen andere um so leichter einreisen: Walter Slocumb, Staatssekretär im US-Verteidigungsministerium, bestätigte Anfang März, daß US-Militärs mehrmals die Aufstandsregion Chiapas im Süden Mexikos besucht haben. Drei Reisen 1997 und ein Besuch zu Beginn dieses Jahres hätten aber nur Routinecharakter gehabt, versuchte der Mitarbeiter des Pentagon vorsorglich die Gemüter zu beruhigen. Slocumb hat recht: Gehört doch die Organisation des Terrors gegen sozialrevolutionäre Bewegungen zu den Aufgaben, bei denen US-Militärs gerade in Lateinamerika über eine eingespielte Routine verfügen.

Seit Beginn des Aufstands der Zapatistas 1994 wird vor allem Chiapas - aber auch andere Teile Mexikos - zunehmend militarisiert, hochrangige Militärs gehen zudem vermehrt mit politischen Stellungnahmen an die Öffentlichkeit. Gleichzeitig treten in Regionen, in denen oppositionelle Bewegungen politisches Terrain gegen die seit 1929 regierende Staatspartei PRI (Partei der Institutionalisierten Revolution) erkämpfen konnten, extralegale bewaffnete Gruppen auf, die durch Terror die Zivilbevölkerung einschüchtern.

Bekannt gewordene Armee-interne Dokumente zeigen, daß dies Teil einer Strategie ist, die in der Tradition der vom US-Verteidigungsministerium entwickelten Konzepte für Aufstandsbekämpfung geplant und umgesetzt wird. Im "Plan de Campa-a Chiapas 1994", einem Einsatzbefehl für die Bundesarmee, wird als Ziel die "Zerstörung der politisch-militärischen Struktur der EZLN" genannt. Dabei soll nicht nur auf der militärischen, sondern auch auf der zivilen Ebene vorgegangen werden. So sind beispielsweise Zensurmaßnahmen gegen die Presse und gezielte Desinformation vorgesehen. Unter Punkt H des Plans wird zudem explizit der Aufbau von paramilitärischen Gruppen gefordert. Ziel dabei ist, die Guerilla von ihrer Basis zu trennen und Aktivisten einzuschüchtern. Andererseits soll die Armee in der Öffentlichkeit als neutrale Instanz präsentiert werden, die beide "Extreme", also Paramilitärs und Guerilla, bekämpft.

Die Strategie der mexikanischen Bundesarmee für Chiapas wurde unter der Führung von General José Rubén Rivas Pena ausgearbeitet, der sein Handwerk an der School of the Americas (SOA) in Fort Benning gelernt hat. In dieser vom US-Verteidigungsminsterium finanzierten Militärakademie wurden seit 1946 60 000 lateinamerikanische Militärs ausgebildet, die nach der Rückkehr in ihre Herkunftsländer in führende Stellen in den jeweiligen Repressionsapparaten aufrückten. Neben Rivas Pena sind an der SOA weitere zwölf Militärs ausgebildet worden, die momentan in Süd-Mexiko das Kommando führen.

Und in Zukunft werden sie Unterstützung bekommen: In den letzten Monaten hat das US-Verteidigungsministerium die Militärzusammenarbeit mit Mexiko in ungekannten Ausmaßen verstärkt. 1 500 mexikanische Offiziere wurden allein in den ersten zehn Monaten 1997 in der SOA und ähnlichen Einrichtungen aufgenommen. Das sind beinahe soviele wie in den letzten 14 Jahren zusammen. Zusätzlich wurden von Mitte 1996 bis Mitte 1997 über 3 000 mexikanische Soldaten in Fort Bragg (North Carolina) von der 7th Special Forces Group der Green Berets ausgebildet. Der mexikanische Militärexperte und Universitätsdozent John Saxe Fern‡ndez faßt diese Entwicklung so zusammen: "1997 gab es eine Steigerung von 400 Prozent bei der Lieferung von Militärtechnologie aus den USA an Mexiko, verglichen mit den Vorjahren. Der Haushalt des US-Verteidigungsministeriums für die Ausbildung von mexikanischen Militärs wurde um 800 Prozent gesteigert."

Das ist wenig verwunderlich, da die USA in Mexiko strategische, politische und wirtschaftliche Interessen hat. Das Nachbarland dient als Rohstoff- und Lebensmittellieferant sowie als lukrativer Standort für die Billiglohnproduktion. Politische Instabilität in Mexiko gefährdet - in der Terminologie des Pentagons - auch die "nationale Sicherheit" der USA. Eine über 3 200 Kilometer lange und schwer kontrollierbare Grenze trennt beide Staaten, und bereits jetzt haben die US-Behörden Mühe, die Einwanderung von Mexikanern unter Kontrolle zu halten.

Daß die Konzepte für Paramilitarisierung nicht nur auf dem Papier stehen, läßt sich gut in Chiapas beobachten. Hier operieren momentan über ein Dutzend paramilitärische Gruppen. Die bekanntesten sind Paz y Justicia (Frieden und Gerechtigkeit) und M‡scara Roja (Rote Maske). Paz y Justicia wird vom PRI-Abgeordneten Samuel S‡nchez kommandiert, wurde von der chiapanekischen Regierung kürzlich mit 600 000 US-Dollar ausgestattet und ist unter anderem für das gescheiterte Attentat auf Bischof Samuel Ru'z verantwortlich. M‡scara Roja hat das Massaker in Acteal durchgeführt, bei dem 45 Zivilisten vor den Augen der Polizei brutal ermordet wurden.

Die Auftritte der Paramilitärs unterliegen immer einem ähnlichen Muster: Die Bundesarmee positioniert sich an strategischen Punkten, um die Region kontrollieren zu können. Sie bietet damit den Rückhalt für paramilitärische Gruppen, die nun ungestört gegen oppositionelle Organisationen und deren Mitglieder vorgehen. Mord, Folter und Einschüchterung sind die verwendeten Mittel. Die Verbindung zwischen Armee und Paramilitärs wird über PRI-Politiker hergestellt, die den Terror finanzieren und anleiten. Auch Regionen im Bundesstaat Oaxaca oder die Pazifikküste im Bundesstaat Guerrero sind betroffen. Hier sind in den letzten Jahren starke oppositionelle Bauernorganisationen entstanden, die zum Teil mit der Guerilla EPR (Revolutionäre Volksarmee) sympathisieren.

Um diesen Krieg gegen die Bevölkerung vor der internationalen Öffentlichkeit zu kaschieren, verfolgt die mexikanische Regierung momentan zwei Strategien. Einerseits versucht sie mit einer "Charmeoffensive" der internationalen Diplomatie und Wirtschaft ihre Version der Ereignisse zu präsentieren. Demnach verleiten einige maskierte und verhandlungsunwillige Finstermänner die ansonsten freundlichen Ind'genas zu Gewalttaten. Bei den Massakern handele es sich um Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Familienclans oder Dorfgemeinschaften; die Armee müsse also ihrer Aufgabe nachkommen und Recht und Gesetz schützen. Für diejenigen, die diesen Verlautbarungen keinen Glauben schenken, hält die Regierung dagegen den Knüppel bereit. Mit einer xenophoben Medienkampagne wird seit Wochen gegen ausländische Beobachter agitiert, die Menschenrechtsverletzungen dokumentieren und durch ihre Präsenz versuchen, den bedrohten Dorfgemeinschaften Schutz zu bieten. Resultat: Während der letzten zwölf Monate wurden über 200 Beobachter wegen "Einmischung in innere Angelegenheiten" inhaftiert und ausgewiesen.

Während Amnesty International von einer "Krise der Menschrechte" in Mexiko spricht und der norwegische Außenminister Knut Vollebaek sich - nach der Ausweisung von norwegischen Staatsbürgern - besorgt über die Situation in Chiapas zeigt, kann sich Präsident Ernesto Zedillo zumindest in Deutschland auf seine Freunde verlassen. So bilanzierte Werner Hoyer (FDP), Hauptmann der Reserve, ehemaliger sicherheitspolitischer Fraktionssprecher und derzeitiger Staatsminister im Auswärtigen Amt, nach einem Mexiko-Besuch Mitte März: "Mexiko hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte auf dem Weg zu einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft gemacht. Ich bin überzeugt, daß Mexiko seine Bemühungen fortsetzen wird, für die schwierige Lage im Bundesstaat Chiapas eine friedliche und den Interessen aller Betroffenen gerecht werdende Lösung zu finden."