Wombles für Deutschland

Vogts statt Vogue: Berti würde nie zulassen, daß seine Spieler sich individuell frisieren

Noch acht Wochen bis zur Fußball-WM in Frankreich, und die Fans in aller Welt freuen sich auf die bevorstehende Modenschau: Wird die spanische Nationalmannschaft wie 1994 wieder mit Bärten auftreten? Werden die Brasilianer sich kahl scheren lassen, damit es schwieriger wird, Ronaldo auszumachen? Wird die rumänische Dauerwelle zum letzten Mal vorgeführt, da die Westkultur auch hier an Einfluß gewinnt? Nur in Deutschland sind die Fragen überflüssig. Die Spieler werden wie eine Gruppe von Versicherungsvertretern auf einem Betriebsausflug nach Eurodisney erscheinen.Trainer Berti Vogts, CDU-Unterstützer und Kohl-Freund, will ein gepflegtes Äußeres. Die Weltöffentlichkeit soll erleben, wie elf Teutonen mit fein getrimmten Körpern und passenden Frisuren das Spielfeld betreten, um die Heimat von Mercedes zu repräsentieren. Individualisten wie Thomas Strunz mit Gazza-Gascoigne-Frisur dürfen den Urlaub nach Gran Canaria jetzt buchen.

Der Fall Kohler soll sich nicht wiederholen: Kohler ist in England bei der EM '96 als der häßlichste deutsche Spieler gewählt worden. Wo waren die typischen deutschen Spieler, wie Rudi Völler mit seiner Brummi-Fahrer-Frisur, oder Paul Breitner, dessen wilde Frisur sich nicht einmal beschreiben läßt. Kohler dagegen ist wegen des kleinen Ziegenbartes aufgefallen. "Was ist in Deutschland los?" fragten sich die Fans.

Um den aktuellen Zustand im Vaterland zu vertuschen, muß der Bayernstürmer Carsten Jancker, wie von Franz Beckenbauer gefordert, seine Haare ein Paar Zentimeter wachsen lassen: Die braune Horde soll nicht ermutigt werden. 5 000 Jancker-Klonen auf dem Champs Elyseés wären keine gute Werbung für die Bundesrepublik. Äußerungen à la Effenberg werden nicht toleriert.

Die Deutschland-Vertreter brauchen, wie die SPD, eine Hymne. "Deutschland ist unser Freund", soll die Botschaft an die Welt sein. Weil die deutsche Sprache, außer in einem kleinen Stückchen Mitteleuropas und ein paar Bauernhöfen in Windhoek, nicht verstanden wird, wurde beim DFB entschieden, daß die Hymne auf englisch gesungen werden soll: Die "No speak English"-Lobby aus Ostdeutschland weiß sowieso, wie wunderbar Deutschland ist. Willkommen Mike Batt, englischer Komponist und Erfinder der BBC-Kultserie der siebziger Jahre: "The Wombles"! Die Serie befaßte sich mit dem geheimen Leben von menschengroßen Schmusetieren: "Underground, overground, wandering free / the Wombles of Wimbledon / Common are we" und "Remember member member what a Womble Womble Womble you are", wurde immer wieder gesungen.

Nun hat Batt den schweren Auftrag bekommen, die deutsche Mannschaft als kuschelig zu verkaufen. Er bot zwei Lieder an: "The Winners" und "Running With a Dream". Der DFB fürchtete, daß das erste Lied mit dem Chorus "We Will Be the Winners" den Eindruck im Ausland bestätigen könnte, daß die Deutschen ein arrogantes Volk seien. Das zweite Lied paßt besser zum neuen deutschen Geist: "The world will take us for what we are, whether we lose or win ... Don't let them bring you down / Don't let this chance go by." Die deutsche Sopranistin Anna Maria Kaufmann wird das Lied schmettern. Der normalerweise so entscheidungsfreudige Berti Vogts wollte beide Lieder haben.

In England dagegen sind Exzentriker und Individualisten sehr gefragt. Im Gegenteil zu Strunz wurde Gazza Gascoigne dank seiner Frisur als Held gefeiert. David Beckham, der junge Mittelfeldstar bei Manchester United, läßt seine Haare für die WM '98 wachsen: Als Fahrer eines lila Porsche und Verlobter von Posh Spice wird Beckham der englische Modeheld bei der WM '98 sein.

Im Rampenlicht zu stehen, birgt gewisse Gefahren. Die Karriere von Jason Lee beim Zweitligisten Nottingham Forest wurde wegen seiner extravaganten Frisur ruiniert. Ein Komiker in der BBC-Fernsehserie "Fantasy Football League" bemerkte, daß die nach oben drapierten Dreadlocks des Stürmers einer Ananas ähneln. Gegnerische Fans waren derselben Meinung: Sie trugen bei jedem Spiel gegen Nottingham Forest eine Ananas auf dem Kopf und sangen: "He's got a pineapple on his head" zur Melodie von "He's got the whole world in his hands". Früher wurde Lee "Dreadlocked Destroyer" genannt, aber als er in einer weiteren Sendung als ein Mensch dargestellt wurde, der nicht einmal eine Tasse Tee mit einem Zuckerwürfel treffen könnte, begann seine Talfahrt. Lee schoß immer weniger Tore und wurde für einen Bruchteil seines früheren Wertes verkauft.