Union setzt DVU-Programm um

CSU überholt Rechtsaußen

Nein, weder Edmund Stoiber, Theo Waigel, Günter Beckstein noch Bernd Protzner, sondern Franz Schönhuber soll er heißen, der neue Kandidat, mit dem die DVU nun in ihre parlamentarische Zukunft blickt. Dabei hat der ehemalige Republikaner-Chef nicht nur weniger Erfahrung in Regierungsgeschäften, sondern war nach dem Magdeburger Votum auch noch zurückhaltender als die bayerischen Deutschnationalen. Im Gegensatz zu Schönhuber wußten die nämlich sofort, wie man rechtsradikalen Volkswillen in handfeste Politik umsetzt. Kaum war die Kunde vom DVU-Erfolg aus Sachsen-Anhalt eingetroffen, da drohte CSU-Chef Waigel bereits, die Unionsparteien müßten sich nun verstärkt den Themen Ausländerpolitik und Innere Sicherheit widmen. Und Bayerns Innenminister Beckstein wollte gleich "deutlich machen, daß wir die Ängste der Bevölkerung ernst nehmen und Lösungen anbieten und daß die Extremisten mit ihren Schlagworten dagegen nur im trüben fischen".

Unionspolitiker belassen es bekanntlich nicht bei radikalen Phrasen. Entsprechend zitiert die Süddeutsche Zeitung am Dienstag Stimmen aus dem CSU-Parteivorstand: "Es wird seitens der Staatsregierung mehr Konsequenz im Vollzug von Abschiebungen und bei der Überprüfung von Sozialschmarotzern geben." Ergänzend will Fraktionschef Wolfgang Schäuble nun im Bundestagswahlkampf verstärkt eine Zuwanderungsbegrenzung thematisieren. Und auch in Berlins CDU bekommt die Diskussion über Zuzugssperren für Ausländer mit dem sachsen-anhaltinischen Votum wieder neuen Schwung. So beklagte der Kreuzberger Unionsabgeordnete Kurt Wansner vergangene Woche, daß "bei einem Ausländeranteil von 40 Prozent" in seinem Stadtteil "keine Integration mehr" stattfinde. Offenbar will sich der CDU-Mann an den hervorragenden Erfahrungen mit der Integrationsfähigkeit in Sachsen-Anhalt orientieren, wo nur 1,8 Prozent der Bevölkerung nichtdeutscher Herkunft sind.

Soviele ungenierte Ankündigungen wie in den letzten Tagen gab es auch bei der Union schon lange nicht mehr. Zwar hat sich Bundesinnenminister Manfred Kanther im vergangenen Jahr redlich bemüht, einer rassistischen Ankündigung die nächste juristische oder polizeiliche Verschärfung folgen zu lassen, die populistische Vorbereitung war jedoch häufig Sozialdemokraten überlassen worden. Folglich konnten Frey und seine ostdeutsche Pappkameraden die Rede vom "kriminellen Ausländer" direkt von Schröder abkupfern. Und wie man die Volksseele gegen internationale Banden der sogenannten Organisierten Kriminalität mobilisiert, hat Hamburgs damaliger SPD-Bürgermeister Henning Voscherau im vergangenen Herbst vorgemacht.

In Sachsen-Anhalt ist diese Botschaft längst angekommen: Zwar steht das Bundesland in der Statistik über Kriminalitätsaufkommen ganz unten, deren Bevölkerung jedoch fühlt sich subjektiv am meisten von Verbrechern bedroht. Auch wenn Reinhard Höppners SPD also in Sachen Ausländerpolitik auf Zurückhaltung macht, dürften die rechten Populisten der Partei in dem Wahlerfolg der DVU ihre Bestätigung finden. Entsprechende Konsequenzen wird man sich auch in der SPD nicht entgehen lassen, ist doch, wie Gerhard Schröder formulierte, die Innere Sicherheit geradezu "ein sozialdemokratisches Thema".

Mit der breiten Zustimmung für eine neonazistische Partei hat der Diskurs für eine nationalistische Formierung und gegen alles Fremde vier Monate vor der Bundestagswahl einen neuen Aufschwung erhalten, der im Wechselspiel zwischen radikalisiertem Mob und bürgerlichen Parteien neue Angriffe gegen Ausländer und Ausländerinnen mit sich bringen wird. Die entsprechenden Vorlagen wurden bereits weit früher eingebracht: Sozialhilfestreichung für geduldete Flüchtlinge, weitere Strafrechtsverschärfungen gegen "kriminelle Ausländer", mehr Bundesgrenzschützer und verdachtsunabhängige Kontrollen zählen zu den aktuellen Plänen, mit denen Union und Sozialdemokraten "die Sorgen und Nöte der Bevölkerung ernst nehmen" wollen.

So muß man Helmut Kohls Prognose über das Abschneiden rechtsradikaler Organisationen geradezu als Drohung interpretieren: "Ich bin ganz sicher, daß diese Gruppierungen keine Chance bei der Bundestagswahl haben." Seine bayrischen Freunde zumindest haben keinen Zweifel daran gelassen, daß sie alles tun werden, um Volkes Wille entsprechend umzusetzen. Edmund Stoiber zeigte mit einem Zitat des alten Frontkämpfers Franz-Josef Strauß den Weg: "Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben."