Henker mit Handy

Österreichs Rechtsaußenpartei FPÖ will sich etablieren. Ein Teil der Partei mag nicht mitmachen und wird streng diszipliniert

Am Dienstagabend vergangener Woche erlebte der Salzburger FPÖ-Chef Karl Schnell wohl seine bittersten Stunden. Vor knapp 50 Journalisten mußte sich der Mann - flankiert von seinem grinsenden Chef Jörg Haider - für verbale Entgleisungen gegenüber Haiders engsten Vertrauten ausgiebig entschuldigen. Zuvor hatte er die Generalsekretärin und parteiinterne Scharfrichterin Susanne Riess-Passer als "Königskobra" und den Haider-Gefolgsmann Gernot Rumpold als "Ritter der seidenen Schnur" bezeichnet.

Grund für Schnells originelle Wortwahl war eine Strafexpedition der beiden Haider-Vertrauten ins Land Salzburg vor knapp zwei Wochen: Sie zwangen Schnell zum Rücktritt und degradierten gleichzeitig alle Salzburger FPÖ-Funktionäre, rund 700, zu einfachen Mitgliedern. Die Provinzpartei war praktisch aufgelöst, nachdem interne Fehden die Landesorganisation bereits gelähmt hatten.

Mit dem Canossagang Schnells zu Haider nach Wien und der Entschuldigungsorgie während einer Pressekonferenz im noblen "Vienne Plaza"-Hotel war wieder alles in Ordnung: Schnell darf weiterhin Obmann sein, während die restlichen Salzburger Funktionäre in den nächsten Wochen neu gewählt werden.

Doch die medienwirksam inszenierte Einigkeit ist bloß vordergründig. Nur schwer kann Haider den Schein einer gefestigten Partei wahren. Immer mehr Landes- oder Gemeindeverbände der FPÖ versagen ihm die Gefolgschaft, der Chef hat offensichtlich Mühe, die Partei beisammenzuhalten.

Zunehmend der Querelen müde, griff Haider in den letzten Wochen und Monaten zu zwei Mitteln: Regelmäßig drohte er mit seinem Rücktritt, der das Ende der FPÖ bedeuten würde, und nach jeder Krise läßt er sich neue Vollmachten erteilen, um die parteiintern teilweise noch vorhandenen demokratischen Strukturen zu umgehen. Außerdem hat sich der in Bedrängnis geratene FPÖ-Chef mit einer kleinen Gruppe Getreuer umgeben, die für ihn in den aufmüpfigen Provinzorganisationen das Einsatzkommando machen.

Besonders gefürchtet ist FPÖ-Generalsekretär Peter Westenthaler. Mit BMW, Chauffeur und Handy rast er quer durch Österreich, um für seinen Chef den Henker zu spielen. Vor wenigen Wochen schloß Westenthaler den aufmüpfigen Innsbrucker FPÖ-Chef Rudi Federspiel aus - samt der ganzen dortigen Partei.

Kurze Zeit später mußte Westenthaler in Kärnten Feuerwehr spielen und den Kärntner FPÖ-Chef Karl-Heinz Grasser disziplinieren. Der ehemalige politische Haider-Ziehsohn hatte dem Parteivorsitzenden "fehlende Motivation" vorgeworfen und entkam nur knapp seinem politischen Ende. Grassers Pech ist die direkte Konkurrenz mit Haider: Im März 1999 finden in Österreichs südlichstem Bundesland Landtagswahlen statt, und im nationalistisch aufgeheizten Klima erhofft sich die FPÖ dort einen Wahlsieg. Zwar darf Grasser den Spitzenkandidaten mimen, vielleicht möchte aber Haider selbst im Falle eines Wahlsieges den Posten des Kärntner Landeshauptmannes bekleiden. Schließlich wird dem einstigen Sunnyboy der österreichischen Innenpolitik zunehmend Politikmüdigkeit nachgesagt. Mit Abstand ist er der längstdienende Kanzlerkandidat der Zweiten Republik, und nach dem Mißerfolg der FPÖ bei den letzten Nationalratswahlen 1995 scheint sein Ziel, nach den spätestens im Herbst 1999 stattfindenden Nationalratswahlen Kanzler zu werden, so gut wie unerreichbar.

Bisher versuchte es Haider mit dem Konzept der "Fundamentalopposition" - einem Begriff, der in Österreich für die FPÖ benutzt wird. Die nicht abreißende scharfe Kritik an der Regierung trieb aber ausgerechnet der seit 30 Jahren in Österreich regierenden sozialdemokratischen SPÖ Wähler zu. Aus Angst vor einem Bundeskanzler Haider vermutlich, denn nur wenige Österreicher wollen tatsächlich einen Haider als Regierungschef. Also ändert Haider den Kurs, um den Angstfaktor zu beseitigen und sich selbst Regierungsfähigkeit zu attestieren. Besonders geschont vom ansonsten ziemlich rauhen FPÖ-Chef werden die Sozialdemokraten. Mit ihnen bestehe eine "hervorragende Gesprächsbasis". Tatsächlich ist die vor zehn Jahren ausgerufene Ächtung Haiders längst Geschichte. Die SPÖ unter Vranitzky-Nachfolger Viktor Klima tendiert nach rechts, die finale Umarmung mit der FPÖ scheint nur eine Frage der Zeit.

Genau hier aber liegt auch das Dilemma Haiders. Viele seiner Provinzhäuptlinge sind noch immer "fundamentaloppositionelle" Politrabauken, die weder mit den Sozialdemokraten noch mit der konservativen Volkspartei ÖVP zusammenarbeiten möchten. Haider hat ihnen in den letzten zwölf Jahren das Konzept eines "politischen Guerillakampfes" eingetrichtert, und das wollen sie weiterführen.

Erschwerend kommt noch Haiders ideologischer Zick-Zack-Kurs dazu. Kaum einer der niedrigeren FPÖ-Chargen weiß noch, ob die Partei jetzt eher eine Arbeiterpartei oder eine Wirtschaftspartei sein soll. Gehört Deutschnationalismus nun doch zum FPÖ-Repertoire? Ist sie EU-kritisch oder stramm europäisch? Und wie war nochmal die Haltung zu einem eventuellen Nato-Beitritt Österreichs?

Fragen über Fragen. Die Orientierungslosigkeit und des Chefs Launen führen dazu, daß nicht mehr die etablierten Parteien Haiders Hauptgegner sind, sondern er selbst.