Rot trifft Braun

Der völkische Flügel der PDS macht den DVU-Wählern Avancen.

Vielleicht haben die Unionsparteien ja doch nicht so unrecht: Bereits am Wahlabend gaben Hintze und Co. die Sprachregelung aus, daß "Extremisten von Links und Rechts" nun im Landtag von Sachsen-Anhalt vertreten seien und von dort die Grundlagen von Demokratie und Rechtsstaat untergrüben. Sozialisten gleich Faschisten? Die PDS-Vertreter waren ob dieser Variante der Totalitarismustheorie reichlich erbost, und selbst Micha Brumlik gab den Genossen darin recht.

Den antifaschistischen Reflex in Ehren - aber die Analyse der Fakten steht dann doch vor guter Gesinnung. Oder, um die historische Perspektive geradezurücken: Selbstverständlich war die Totalitarismustheorie in ihrer deutschen Ausprägung ein Versuch der deutschen Bourgeoisie, von der eigenen Verantwortung als Steigbügelhalterin und Profiteurin der Hitler-Bewegung abzulenken. Kommunisten und Nazis als Totengräber der Weimarer Demokratie - da waren Thyssen, Krupp und Daimler fein raus. Was aber, wenn heutzutage Kommunisten, besser: ehemalige Kommunisten, antreten, die Totalitarismus-Lüge wahr zu machen?

Die Fakten: Die DVU hat von den bürgerlichen Parteien nur unwesentlich mehr profitiert als von den linken: Von der CDU kamen 27 000, von der FDP 1 000, zusammen 28 000 Wähler - dem stehen 14 000 DVU-Wähler aus der SPD-Klientel und 11 000 von der PDS gegenüber, zusammen also 25 000. Das Bild wird für die PDS noch schlechter, wenn man sich die Stimmensplittings zwischen Faschisten und Sozialisten betrachtet: Da die DVU keine Direktkandidaten aufgestellt hat, mußten ihre Wähler sich bei der Erststimme für eine andere Partei entscheiden. Das Überraschende: 23 Prozent der DVU-Wähler gaben ihre Erststimme einem PDS-Kandidaten - das war mehr als bei jeder anderen Partei. Interessant ist auch das Ergebnis aus der Magdeburger Skinhead-Hochburg Neu-Olvenstedt - dort waren die Verluste der CDU ungewöhnlich niedrig (minus 6,5 Prozent), die der PDS jedoch ungewöhnlich hoch (minus 6,3 Prozent). Die DVU sahnte ab - mit 13,7 Prozent sogar noch etwas besser als anderswo.

An Neu-Olvenstedt blamiert sich auch die These, daß die "soziale Kälte, die in Bonn gemacht wurde" - so PDS-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch in der Bonner Runde - für den DVU-Erfolg verantwortlich sei. Wer die Plattenbauten samt dem darin zu findenden Elend als Treibhaus für Neonazis sieht, bekommt jedenfalls von Thomas Heinrich, dem evangelischen Vikar des Stadtteils, kräftig Contra: "In der DDR war es noch ein Privileg, in Olvenstedt zu wohnen. Die Siedlung hat viele Grünflächen, und in den letzten Jahren hat der Stadtrat soviel Strukturhilfe 'rübergeschoben, daß man andernorts schon neidisch ist." Für Heinrich sind die Rechten nicht wegen "sozialer Kälte", sondern wegen sozialer Wärme stark geworden, vor allem wegen der "akzeptierenden Jugendarbeit", wie er sie im Fachjargon nennt.

Bartsch wiederum dürfte seine Informationen eher von der Bürgerinitiative Neu-Olvenstedt haben - unter den 20 Aktivisten der Gruppe, allesamt sozial oder links engagiert, sind auch PDS-Mitglieder. Nachdem Anfang Januar rechte Schläger aus ihrem Stadtteil einem Punk den Schädel zertreten hatten, diskutierten die Gefühlssozialisten lammfromm, ob nicht ein weiterer Treffpunkt für die rechten Kids eingerichtet werden müsse, "damit wir nicht den Kontakt zu ihnen verlieren". Das wurde schließlich selbst dem zuständigen Polizeihauptkommissar Peter Bullert, der als Gast an dem Treffen teilnahm, zu bunt: "Die Bürgerinitiative kann doch keine Organisationsstrukturen für die Rechten aufbauen wollen." Nein, so war es natürlich nicht gemeint, bekundeten alle. In der verabschiedeten Resolution hieß es dann: "Nur Begegnung und das zielgerichtete Gespräch, das Vertrauen setzt, schafft den geistigen Nährboden, um Gewalt abzubauen." Vielleicht sollte man den linken Demo-Schmäh gegen die Polizisten doch etwas modifizieren: "Deutsche Sozialisten schützen die Faschisten" wäre zumindest in Neu-Olvenstedt zutreffender.

Der Höhepunkt der Fraternisierung mit dem rechtsradikalen Pack war allerdings ein Leitartikel im PDS-Organ Neues Deutschland - just einen Tag, nachdem Brumlik in der taz noch die Erwartung formuliert hatte, die Partei werde sich gegenüber einer Großen Koalition in Magdeburg als konstruktiv-loyale Opposition verhalten und nicht gemeinsam mit den Faschisten zum "Kampf gegen das System" blasen. "Warum gelang es der PDS nicht, viele von denen, die jetzt DVU gewählt haben, für sich zu gewinnen?" fragt die Autorin Christine Ostrowski. Ihre Antwort liest sich wie aus der National-Zeitung abgeschrieben: "Jeder dritte Bauarbeiter im Osten ist arbeitslos. Gleichzeitig arbeiten nicht wenige ausländische Beschäftigte auf dem Bau. Kann man es einem hiesigen Bauarbeiter verdenken, daß er die Wut kriegt, wenn er nicht zuletzt deswegen seine Arbeit verliert? Und doch: Der Bauarbeiter ist kein Nazi und kein Rassist. Man gewinnt ihn nicht, wenn man ihn in eine fremdenfeindliche Ecke stellt. Er fühlt sich ungerecht behandelt, zu Recht. Also, seien wir die Stimme seines Protestes und denken wir darüber nach, warum wir es nicht sind, jedenfalls nicht genug."

Die Redaktion des Neuen Deutschland wußte, wer die Autorin ist: Frau Ostrowski ist Wiederholungstäterin. Bereits 1992 hatte sie sich mit Nazi-Terroristen der später vom Innenministerium verbotenen Deutschen Alternative getroffen und hinterher zum besten gegeben: "Unsere sozialen Forderungen stimmen überein - bis hin zum Wortlaut." Deswegen mußte Frau Ostrowski damals als stellvertretende Parteivorsitzende abtreten - ihre Popularität an der Basis hat sie aber bis heute behalten. In Dresden ist sie unangefochtene Lokalmatadorin und belegt einen Spitzenplatz auf der sächsischen Landesliste für die Bundestagswahl.

Auch wenn die Äußerungen von Frau Ostrowski nicht repräsentativ für die PDS sind - engagierte Antifaschisten wie Matthias Gärtner oder Angela Marquardt werden empört sein, und selbst Gregor Gysi und Lothar Bisky dürften insgeheim grummeln -, muß festgehalten werden, daß sich weder die Redaktion des PDS-Organs noch die PDS-Spitze von Frau Ostrowski und ihrem völkischen Kurs distanziert haben.