Akzeptierende Wählerarbeit

Wenn Deutsche zu sehr protestieren

Es war einmal vor langer, langer Zeit. Da riefen die Leute: Wir machen jetzt den Bossen Dampf! Klassenkampf! Klassenkampf! Oder, volkstümlicher: Friede den Hütten, Krieg den Palästen! Heute jedoch, wollen die Leute protestieren, schlagen sie ein paar Neger und Fidschis tot und wählen Parteien, die propagieren, der Holocaust sei eine alliierte Propagandalüge.

Goldhagen hat offenbar schamlos untertrieben. Die Enkel fechten es nicht besser, sondern schlechter aus oder gar nicht. So sind die Deutschen: Geht es ihnen nicht gut, neigen sie ganz spontan zu Rassismus und Antisemitismus. Die Israelis sind da ganz anders. Wenn die protestieren, wählen sie keine Nazis. Irgendwie seltsam. Ganz besonders sind die Deutschen frustiert, wenn sie nicht arbeiten dürfen, denn das Arbeiten und die dazu passende protest(!)antische Ethik haben sie erfunden. Und wenn die frustrierten Deutschen schon wieder in Gedanken an Synagogen zündeln, um gegen Werteverfall und Orientierungslosigkeit zu protestieren und ihren Gefühlen per Wahl Ausdruck verleihen, antwortet der bayerische Innenminister: Ganz recht. Unsere Juden ... äh ... Ausländerpolitik muß jetzt noch restriktiver werden.

Wir kennen keine Nazis mehr, nur noch Deutsche, die Arbeit haben wollen. Die Experten rufen unisono: Protestwähler! (Bundeskanzler). Man muß Verständnis für die Jugend haben! (VS-Präsident Brandenburg) Tiefsitzende Enttäuschung! (taz) Fazit: Alles nicht so schlimm! Die meinen es nicht so! Herr, vergib ihnen, denn sie wußten nicht, was sie wählten. Wir wissen, was sie fühlen. Hat ihnen eben niemand verraten, wie man protestieren könnte, ohne rassistische Parolen zu grölen.

Irgendwie ist ja was dran an der These, daß die Arbeitslosigkeit etwas mit dem Wahlerfolg der DVU zu tun habe. Es gibt zuviele Rechte und zuwenig Arbeit, und zwar gleichzeitig. Irgendwie besteht auch ein Zusammenhang zwischen der unstrittigen Tatsache, daß die Geburtenhäufigkeit in Schleswig-Holstein dort am größten ist, wo die meisten Störche nisten. Und irgendwie sind die Neger dümmer als Weiße. Das sieht man ja in Afrika. Dort bringen sie einfach nichts Vernünftiges zustande.

Und wenn die rassistischen Schläger im brandenburgischen Mahlow behaupten, sie hätten einen dunkelhäutigen Engländer überfallen, weil es langweilig gewesen sei und das Jugendzentrum schlecht zu Fuß zu erreichen, muß man ihnen das als Journalist glauben. Wo kämen wir denn hin, wenn man den Informanten und deren Selbsteinschätzung nicht mehr trauen könnte! Wenn die Wähler der DVU enttäuscht sind, daß die Landschaften rund um den Plattenbau noch nicht blühen, und wenn sie behaupten, deshalb dürften Einwanderer nicht arbeiten, dann muß man das als eine ernsthafte Analyse der Ursachen des Rechtsextremismus nehmen. Wen sollte man sonst fragen, warum der Schoß noch fruchtbar ist, aus dem der Protest schon mal gekrochen kam, wenn nicht die Nazis und deren Wähler?

Ach ja: natürlich den Verfassungsschutz. Den fragen die Medien immer, wenn sie hören wollen, was sie ein paar Tage vorher selbst geschrieben und gesendet haben. Der VS hat den Wahlerfolg der Neonazis nicht vorhergesehen, weiß aber schon, worum es sich handelt: um Protest. Der VS hat noch nie etwas vorhergesehen, aber wird von den Journalisten immer wieder gern befragt: Eine Behörde wirkt in Deutschland immer seriös, ganz gleich, welchen Unfug sie von sich gibt. Die DVU-Wähler können keine Nazis sein, weil Nazis Extremisten sind. Das sagt die Totalitarismus-Doktrin. Und die hat nicht vorgesehen, daß Rassismus und Antisemitismus auch bei Stinos vorkommen. Die Begriffe existieren gar nicht, als hielten sich sowohl Politiker als auch die Medien, als auch die Experten an eine heimliche Absprache, das Kind nicht beim Namen zu nennen. So viel Einheit und Einigkeit war nie. Akzeptierende Wählerarbeit nennt man das vermutlich. Oder: Kopf ab zum kollektiven Verdrängen.

Ein Rat an die orientierungslosen und frustrierten Deutschen respektive Sachsen-Anhaltiner: Wenn ihr wirklich protestieren wollt und das Schweinesystem ablehnt, dann gründet die RAF neu. Die hat sich gerade aufgelöst. Oder nehmt euch ein Beispiel an den Ausländern im Ausland. Wenn denen die Kinder verhungern oder wenn die gefoltert werden, werden die unternehmungslustig und wandern aus! Das kriegt ihr auch hin: Rüber in den Norden von Mexiko, dann professionelle Schleuser beauftragen. Ein Monatsbeitrag deutscher Sozialhilfe reicht in der Regel als Bezahlung aus. Dann über die große Mauer. Man kennt das. Drüben gibt es Arbeit und blühende Landschaften und nicht den Multikulti-Euro, sondern den Dollar. Aber Vorsicht: In den USA sind Deutsche Ausländer!