Beauvoir lesen, Frey wählen

Was macht den Rechtsradikalismus für Wählerinnen attraktiv? Beiträge zur feministischen Extremismusforschung versammelt der Band "Rechte Frauen"

"Häkeln für das Vierte Reich" - so überschrieb Brigitte 1992 einen der in der deutschen Presse sehr selten anzutreffenden Beiträge zum Themenkomplex "Frauen und Rechtsextremismus". Mit der darin angelegten Verniedlichung von Frauen, die sich bewußt am rechten Rand des politischen Spektrums engagieren, ist bereits eine der beiden Grundpositionen in der öffentlichen Debatte um rechte Frauen gekennzeichnet. Die andere begegnet uns in einem Artikel in Bild der Frau: "Ich heiße Petra und knalle Ausländer weg". Es ist das Klischee der jungen, ungebildeten, gewaltbereiten Rassistin aus Berlin-Marzahn. Sie charakterisiert das

gefährliche, bedrohliche, exotische "Andere". Die Botschaft der beiden Klischeebilder rechter Frauen lautet: Entweder harmlos - oder schon fast keine Frau mehr.

Tatsächlich könnte bei einer oberflächlichen Betrachtung der Rechtsextremismus durchaus als reines "Männerphänomen" bezeichnet werden. Gewalttätige rassistische Übergriffe von Frauen sind bislang kaum bekannt, ihr Mitgliederanteil in militanten neonazistischen Gruppierungen liegt unter 10 Prozent. Doch je "gemäßigter" eine rechte Organisation auftritt, je geringer die von ihr ausgeübte oder angedrohte Gewalt, desto größer ist der Frauenanteil. Bei den Republikanern sind schon 20 Prozent der Mitgliedschaft weiblich, etwa 30 Prozent ihrer Stimmen bekommen Reps und DVU von Frauen.

Die Politikwissenschaftlerin Renate Bitzan will mit dem von ihr herausgegebenen Band die völlige Gleichsetzung von "rechtsextrem" und "männlich" aufheben. Das gemeinsame Anliegen der beteiligten Autorinnen charakterisiert sie als innerfeministischen Versuch, "von einer Vogel-Strauß-Haltung Abschied zu nehmen, die es nicht ertragen kann, auch Frauen als Tätige und Verantwortliche in einem Bereich zu erkennen, der vielen als das 'Verwerfliche' schlechthin gilt". Die Aufsatzsammlung verfolgt den Anspruch, die verschiedenen Ansätze der noch recht jungen sozial- und kulturwissenschaftlichen Forschung zum Rechtsradikalismus bei Frauen zusammenzufassen, um so einen ersten Überblick über den Themenkomplex zu schaffen. Im Mittelpunkt der Aufsätze, die sich mit Skingirls, rechtskonservativen Publizistinnen, neuheidnischen Mystikerinnen, Mädchen in rechten Jugendgangs, Lebensschützerinnen oder Wählerinnen rechtsextremer Parteien beschäftigen, liegt auf der "Auseinandersetzung mit dem Geschlechterverhältnis, das in den Theorien und in der Praxis rechter Frauen zutage tritt".

Bereits an diesem Punkt zeigt sich die außerordentliche Heterogenität des Phänomens. Keineswegs verfügten Frauen im rechten Spektrum durchgängig über eine Kinder-Küche-Kirche-Position, die Männern und Frauen entlang der klassischen Trennlinie zwischen dem Öffentlichem und dem Privaten getrennte Sphären zuweist. Zwar sei dieses "polare" Konzept das dominante, in allen Fraktionen des rechten Lagers aber ließen sich bei Frauen auch egalitär orientierte Positionen finden. Vor allem bei Funktionärinnen rechtsextremer Wahlparteien kollidiere das Konzept von polaren Geschlechteridentitäten sehr stark mit den eigenen, berufsorientierten Lebensrealitäten.

Zwar sähen diese Frauen durchaus den Widerspruch zur Programmatik rechtsextremer Organisationen, aber, so Katrin Sturhan im Rückgriff auf zwei qualitative Befragungen von Rep-Funktionärinnen, das politische Engagement rechter Frauen sei in der Regel weitaus stärker durch ausländerfeindliche Einstellungen motiviert als durch ein vorrangiges Interesse an Frauen- und Familienpolitik. Damit stehen sie auch in einer Linie mit Sigrid Hunke, der einflußreichsten deutschen Theoretikerin der Neuen Rechten. Folgt man der Analyse Anne Jungs, so bezieht sich Hunke positiv auf die feministische Theorie Simone de Beauvoirs und fordert die Abschaffung des Paragraphen 218 - mit dem Ziel der Schaffung einer Elite, die sich primär durch rassistische Kriterien konstituiert, sich aber nicht mehr auf die Ausgrenzung von Frauen stützt.

Positionen wie die von Hunke veranlassen Renate Bitzan zu der notwendigen Forderung, Geschlecht nicht als isolierte Strukturkategorie von Gesellschaftsanalyse aufzufassen. Zudem dürfe die Gefahr einer Verknüpfung von

feministischen mit rechtsextremen Positionen nicht ausschließlich für differenztheoretische Ansätze konstatiert werden, gleichwohl deren Konstruktion einer biologisch fundierten Weiblichkeit stärker als geschlechteregalitäre Konzeptionen dazu neige, antiemanzipatorische Wirkungen zu entfalten, wie El Awadalla und Maria Wölflingseder in ihren Beiträgen zu Neuheidentum und spirituellem Ökofeminismus herausarbeiten.

Auf eine Tendenz zur Naturalisierung von geschlechtsspezifischen Unterschieden innerhalb der Forschungsarbeiten zum Rechtsextremisums weist die Soziologin Svenja Ottens hin. Die Unterrepräsentation von Frauen erscheint hier oft als Ergebnis vermeintlicher Harmoniesucht und politischem Desinteresse. Demgegenüber verweist Ottens auf die eingeschränkten Analysekategorien der etablierten Sozialforschung. Ottens wendet sich gegen die Verkürzung von rechtsextremen Verhaltensmustern als "gewalttätig" oder "autoritär" und verweist auf den lebensweltlich spezifischen Zugang von Frauen und Mädchen zu rechtsextremen Einstellungen. Diese drücke sich aufgrund individueller Gewalterfahrungen eher in Distanz zu direkten physischen Gewaltandrohungen aus, gebe "unsichtbarer", strukturell ausgeübter Gewalt den Vorzug.

Eine klassische Ausdrucksform rechter Frauen sei beispielsweise die "Ethnisierung des Sexismus", die "Projektion von Gewaltängsten auf ausländische Männer", die die zumeist durch die "eigenen", deutschen Männer erfahrene Gewalt negiere. Ottens verweist hier allerdings auf noch erheblichen Forschungsbedarf. Weder Birgit Rommelspachers Theorie der patriarchalen Dominanzkultur noch Gertrud Sillers Theorie der Verbindung von weiblicher Diskriminierungserfahrung und Rassismus seien bislang ausreichend empirisch gestützt.

Die versammelten Aufsätze bieten nicht nur einen ersten Einblick in einen noch kaum erforschten Themenkomplex, sondern werfen auch ein Schlaglicht auf die Schwächen etablierter Rechtsextremismusforschung und antifaschistischer Analyse - beides im übrigen ebenfalls Männerdomänen. Deren weitgehend geschlechtsblinde Untersuchungen nehmen die Männerdominanz am rechten Rand des politischen Spektrums zwar wahr, erklärungsbedürftig im Hinblick auf spezifische Konzepte von Männlichkeit erscheint diese aber nicht.

Mit der herkömmlichen Fixierung auf die Auswertung schriftlicher Quellen aber werden diesbezüglich fundierte Analysen kaum möglich sein, die Integration qualitativer Methoden der Sozialforschung wäre nur eines der notwendigen "Wagnisse", auf das sich eine Untersuchung von Männlichkeitskonzeptionen im Rechtsextremismus einlassen müßte. Daß dies nicht zwingend zum Verlust der kritischen Distanz gegenüber den Untersuchungsobjekten führen muß, diesen Nachweis hat die feministische Rechtsextremismusforschung schon erbracht.

Renate Bitzan (Hg.): Rechte Frauen. Skingirls, Walküren und feine Damen. Elefanten Press, Berlin 1997, 310 S., DM 39,90