Mehmets-Anwalt Alexander Eberth

Poena sine lege

Als die Münchner Ausländerbehörde den Ausweisungsbescheid gegen Mehmet und seine Eltern ausstellte, glaubte niemand, daß dies juristisch Bestand haben könnte. Und jetzt diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts ..

... das Verwaltungsgericht hat nur die Frage geprüft, ob der Vollzug der Ausweisung durch den Widerspruch gehemmt werden kann. Das war keine endgültige Entscheidung, die wird irgendwann gefällt. Jetzt geht es immer noch um die Frage: Kann die Familie, bis das Verfahren abgeschlossen ist, in der Bundesrepublik bleiben? Und dazu hat das Verwaltungsgericht in einer Eilentscheidung gesagt, die kriminelle Verhaltensweise des Jungen sei so gravierend, daß das Interesse, ihn loszuwerden, größer ist als die Schutzinteressen aufgrund seiner Geburt in Deutschland.

Und seine Eltern?

Um einen Minderjährigen, der bei seinen Eltern lebt, überhaupt ausweisen zu können, ist die Voraussetzung, daß die Eltern sich nicht mehr rechtmäßig in der Bundesrepublik aufhalten. Hier hat das Verwaltungsgericht meines Erachtens einen entscheidenden Fehler gemacht. Es hat gesagt, nach erstem Hinsehen könnte die Ausweisung der Eltern rechtmäßig sein oder auch nicht, genauer prüfen wir das nicht. Über die Ausweisung der Eltern hat das Gericht noch nicht entschieden.

Aber das Gericht hat erkennen lassen, die Ausweisung der Eltern könnte rechtmäßig sein. Eigentlich müßten diese doch zu einer Strafe von mindestens zwei Jahren verurteilt werden, um abgeschoben werden zu können.

So ist es.

Was hätten denn deutsche Eltern im vergleichbaren Fall zu erwarten?

Solche Fälle gibt es meines Wissens gar nicht. Die Höchststrafe für Verletzung der Aufsichtspflicht beträgt drei Jahre. Aber die Eltern leben seit 30 Jahren in der Bundesrepublik und sind bisher nie bestraft worden. Deshalb käme hier allenfalls eine kleine Strafe in Betracht. Bei Menschen, die eine Aufenthaltsberechtigung besitzen, kommt bei einer erstmaligen Verurteilung eine Ausweisung nur dann in Betracht, wenn sie zu einer Strafe von über drei Jahren verurteilt werden. Und dieses sieht das Strafgesetzbuch für Aufsichtspflichtverletzung gar nicht vor - selbst im schlimmsten Fall.

Auch wenn seine Eltern nicht in Deutschland wären: Würden die Straftaten des Jungen für eine Ausweisung genügen?

Nein.

Wie kommt es dann zu so einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts?

Ich würde sagen, das Gericht hat sich von der politischen Atmosphäre beeinflussen lassen.

Gibt es denn bei derartig offensichtlichen juristischen Widersprüchen Chancen für die Familie im weiteren Verfahren?

Ich denke, daß die Ausweisung keinen Bestand haben wird.

Aber wenn die Stadt jetzt nicht freiwillig dem Verwaltungsgerichtshof zugesichert hätte abzuwarten, dann könnte der Junge nach der Verwaltungsgerichtsentscheidung schon abgeschoben sein

Vom Rechtsstatus her ist das eine Kulanzentscheidung. Aber von den Fakten her ist es schon so, daß der Verwaltungsgerichtshof aus guten Gründen gesagt hat, daß man eine solche Entscheidung nicht übers Knie brechen darf. Jetzt ist ja erst recht kein Grund mehr da. Der Junge ist in Haft. Wen sollte er stören oder schädigen? Und die Eltern haben noch nie jemanden gestört oder geschädigt. Ich habe es inzwischen auch schriftlich, daß der Verwaltungsgerichtshof davon ausgeht, daß vor seiner Entscheidung nicht vollstreckt wird.