Superspiele in der Superliga

Nur mit Top-Spielen ist im Fußball noch richtig Geld zu verdienen. Die reichsten Fußballvereine Europas verhandeln daher schon seit langem über eine Euroliga - zur Jahrtausendwende soll sie starten

Michael Meier, Manager von Borussia Dortmund, hat die Zeichen der Zeit erkannt: "Nur mit attraktiven Paarungen ist immer gutes Geld zu verdienen." Nur noch 15 Monate sind es bis zum Millennium, und die Spitzenvereine des europäischen Fußballs wollen mit dem Versuch, eine neue Superliga zu etablieren, ihren Teil zur Neustrukturierung Europas beitragen. In der neu zu schaffenden Liga wird es für Teams wie den FK Obilic, immerhin Gewinner des jugoslawischen Titels 1998, keinen Platz mehr geben. Solche Rationalisierungsvorschläge diskutierten Vertreter der Spitzen-Vereine bereits im Februar 1996 mit Uefa-Funktionären in Genf, ohne sich vorab um eine Zustimmung der nationalen Verbände zu bemühen.

Die reichen Arbeitgeber diskutierten lieber direkt mit der Uefa, damals noch über die Champions League. Die Uefa sah, trotz Protesten des Weltfußballverbandes Fifa, keinen Grund dafür, das Verhandlungsangebot auszuschlagen. Die Idee: Jeweils einen weiteren Klub von den bereits vertretenen acht mächtigsten Fußball-Ländern Europas nach einem Qualifikationsspiel für die Champions League zuzulassen. Die Umsetzung der Idee erfolgte bereits eine Saison später: Erstmals spielten 24 statt wie bisher 16 Teams.

Weil Bayern München in diesem Jahr nur deutscher Vizemeister geworden ist, muß der Klub also im August im Qualifikationsspiel gegen den FK Obilic antreten. Die Werbeeinnahmen, die mit einer derart "unattraktiven" Paarung zu erzielen sind, sind bescheiden. Mit seinem geringen Marktwert trägt der FK Obilic nichts zum erfolgreichen Ablauf des Medien-Spektakels bei: Ein schlechtes Geschäft mit hohem Risiko für die Bayern - schließlich ist das Erreichen der nächsten Runde keinesfalls garantiert.

Das Konzept der Champions League mit sechs Qualifikationsgruppen zu je vier Mannschaften stellt sicher, daß sowohl kleinere Vereine, die mindestens drei Heimspiele und einen garantierten Anteil aus dem Verkauf der Fernsehrechte für sich verbuchen können, als auch die größeren Vereine mit ihrem angenommenen Weiterkommen in die äußerst lukrative Endrunde zufrieden sind. Sechs Spiele und Erlöse ab zehn Millionen Mark aufwärts sind so für jedes Team gesichert.

Kaum ein Jahr nach der Genfer Vereinbarung betrachten die mächtigsten Fußballvereine Europas Gewinne solcher Größenordnung als nicht mehr ausreichend. An der Rationalisierung wird weiter gearbeitet. In geheimen Verhandlungen, so Berichte des Londoner Telegraph, wird eine Europaliga vorbereitet, die im Jahr 2000 ihren Betrieb aufnehmen soll. Gespielt würde stets zur Wochenmitte, so daß alle Teams weiterhin an den nationalen Meisterschaften teilnehmen können. Die Mannschaftskader der Teilnehmer werden folgerichtig auf bis zu 40 Spieler ausgebaut, so daß in zwei Ligen gleichzeitig gespielt werden kann - was natürlich auch eine Verstärkung der Verwaltung bedeutet: mehr Trainer, mehr Sportdirektoren usw. Franz Beckenbauer, Präsident des FC Bayern, unterstützt die zügige Einführung einer Europaliga, denn nur auf diesem Weg kann der FC Bayern fortan auch finanziell mit Juventus Turin, Manchester United oder Real Madrid konkurrieren. Für die Münchener wäre die Liga mit Startplatz-Garantie und einem Fixum von rund 100 Millionen Mark eine für den am 1. Juli 1999 geplanten Börsengang erhebliche Erleichterung: Notiert an der Börse und mit gesicherten Einnahmen versehen, ist der Wert des Vereins einfacher zu taxieren. Mit der Umwandlung in eine AG soll ein neues, 500 Millionen Mark teures Stadion finanziert werden. Der dafür nötige jährliche cash-flow (Einnahmen plus Abschreibungen) von 85 Millionen Mark wäre vorhanden. Bayern-Manager Uli Hoeneß betrachtet Manchester United mit einem Börsenwert von 1,2 Milliarden Mark als Modell-AG. Manchester besitzt ein modernes Stadion, ein angegliedertes 500-Zimmer Hotel ist im Bau, und außerdem gibt es Pläne, einen eigenen Fernsehsender (MU-TV) zu etablieren, um die durch die Übertragungen anfallenden Einnahmen für sich zu behalten. Die Euphorie nach den anfänglich guten Börsennotierungen bei den Klubs der englischen Premier League, von denen mehr als die Hälfte an die Börse gegangen sind, war jedoch nur von kurzer Dauer, rasch fielen die Kurse in den Keller - was Hoeneß' Enthusiasmus jedoch keineswegs dämpft.

Weitere treibende Kräfte der neuen Superliga sind diejenigen TV-Anstalten, die bei der Champions League den höchsten Gewinn-Anteil für sich beanspruchen. Silvio Berlusconi, Besitzer des AC Mailand und Medienunternehmer, gehört zu den Hauptinteressenten. Besorgt um ihre Vormachtstellung bei den großen europäischen Fußball-Events läßt die Uefa mit einer Umstrukturierung der Champions League mehr Geld in die Kassen der Vereine fließen. Das Qualifikationsspiel für den zweiten Startplatz der großen Fußballnationen fällt weg, noch weitere 16 Teams werden pro Saison zusätzlich nominiert - nach sportlichen und finanziellen Kriterien. Die Anzahl der Spieltage wird von sechs auf 14 erhöht, die Fernseheinnahmen so vergrößert und eine Neuverteilung der TV- und Vermarktungserlöse zugunsten der Großvereine vorgenommen.

In scharfen Tönen kritisierte die Uefa gleichzeitig die Pläne europäischer Spitzenklubs, im Alleingang in einer eigenen Superliga zu spielen und drohte den Vereinen sogar mit einem Ausschluß aus dem Verband.

"Wir werden mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorgehen, auch juristisch. Denn wir tragen die Verantwortung für 51 Länder, nicht nur für 17. Wir schützen die Interessen des Fußballs, nicht irgendwelcher Finanzjongleure. Hier aber wird der Fußball mißbraucht, um Marktanteile zu gewinnen", sagte Generalsekretär Gerhard Aigner in einem Interview mit der Zeitung kicker. Der Medienmogul Rupert Murdoch habe z.B. in Australien eine neue Rugby-Superliga eingeführt. Sowohl die neue als auch die etablierte Liga seien daraufhin prompt von der Bildfläche verschwunden, erklärte Aigner. "Wenn viel Geld im Spiel ist, muß man es ernst nehmen. Und in diesem Fall werden die Vereine mit viel Geld geködert." Der Generalsekretär nimmt es ernst und droht an, abtrünnige Klubs künftig von den Uefa-Events auszuschließen. Murdoch, der die englische Premier League exklusiv in seinem Abo-Fernsehen BSkyB ausstrahlt, will die Uefa auf die Probe stellen. Ihm schwebt eine "Pay-Per-View"-Euroliga vor. Sein Plan: Spitzenmannschaften ohne Abstiegsgefahr in einer Superliga gegeneinander antreten zu lassen und über das Satellitenfernsehen europaweit individuell zu vermarkten. Seiner Meinung nach wird die Uefa schließlich kapitulieren. Denn unaufhaltsam scheint die Ausrichtung der Großklubs in Richtung einer paneuropäische Superliga zu gehen. Die Champions League ist dafür nur Prototyp. Die lukrativen Mega-Eurospiele - verbunden mit aggressivem Marketing - werden Spielen von allein nationaler Bedeutung Zug um Zug den Rang ablaufen. In diesem Sinne ist die Euroliga aller Wahrscheinlichkeit nach nur eine Zwischenstation. Eine Vereins-Weltmeisterschaft als direkte Konkurrenz zur Fifa-Weltmeisterschaft scheint das endgültige Ziel zu sein. In diesem auf Gewinnmaximierung orientierten Klima besteht für einen Franz Beckenbauer natürlich kein Interesse, neuer Präsident des Deutschen Fußball-Bundes zu werden. Die deutsche Nationalmannschaft wäre im Falle einer solchen Entwicklung auf allen Ebenen völlig überaltert.