Auf ein Bier zum Naziwirt

Das Berliner Café Germania will eine bundesweite Struktur von Fascho-Schenken organisieren

Der Berliner Bezirk Lichtenberg ist seit Jahren als Hochburg von Neonazis bekannt. In den Statistiken über rechtsextremistisch und rassistisch motivierte Überfälle ist der Bezirk im Ostteil der Stadt stets ganz oben dabei und für nicht wenige Menschen beginnt am S-Bahnhof Frankfurter Allee die Zone, die sie des Nachts meiden.

Anfang der neunziger Jahre war es insbesondere das von Neonazis besetzte Haus in der nahe des Lichtenberger Bahnhofs gelegenen Weitlingstraße gewesen, das als Ausgangspunkt für rechte Überfälle auf MigrantInnen und besetzte Häuser gedient hatte. Mit dem in der Normannenstraße gelegenen "Café Germania" hat sich die Berliner rechtsextreme Szene Ende vergangenen Jahres nun wieder einen öffentlichen Anlaufpunkt in Lichtenberg geschaffen. Es handelt sich dabei wohl um die erste von Nazis betriebene und offen als rechter Anlaufpunkt genutzte Kneipe Marke SA-Sturmlokal in Berlin. Nazi-Kader, "nationale" Nachbarn und rechte Jugendliche geben sich hier die Klinke in die Hand und die Lokalität wird in verschiedenen Publikationen der rechten Szene heftig beworben.

Betrieben wird das Café von Andreas Voigt, dem ehemaligen Anführer der in Baden-Württemberg beheimateten Bonehead-Truppe "Kreuzritter für Deutschland". Voigt nahm nicht nur an der Kundgebung der NPD am 1. Mai in Leipzig teil, sondern mußte auch bereits eine Haftstrafe wegen Körperverletzung und anderer Delikte absitzen.

Seit Eröffnung des Cafés gilt die Lokalität nicht nur als Treffpunkt für die rechte Szene. Von hier gingen auch bereits zahlreiche Überfälle aus, Pöbeleien von Café-Besuchern gegen MigrantInnen sind an der Tagesordnung. Am 21. Juni schloß die Polizei das Café für den Abend, da von dort eine massive Bedrohung für BesucherInnen der in der Parkaue Lichtenberg stattfindenden "Fte de la Musique" ausgegangen war.

Obwohl das "Café Germania" meistens recht gut besucht ist, haben die Betreiber derzeit keinen leichten Stand. Nachdem AntifaschistInnen mit Steinen wiederholt die großflächige Fensterfront des Cafés entglast hatten, ließen Betreiber Voigt und seine Kameraden Sicherheitsglas einsetzen und Rollos anbringen.

Als im Mai erneut 50 Antifas den Laden angriffen und auch TeilnehmerInnen einer Arbeitslosendemo ihren Unmut über das Café mit Farbbeuteln zum Ausdruck brachten, traten die rechten Wirte die Flucht nach vorne an: Sie riefen das "Projekt 'Café Germania'" ins Leben. In Anzeigen in der Internetausgabe der neonazistischen Berlin-Brandenburger Zeitung und dem NPD-Parteiblatt Deutsche Stimme bekunden sie, eine Berlin- und später bundesweite Infrastruktur "nationaler Gastronomie- und Freizeitobjekte" initiieren zu wollen. Außerdem rufen sie alle LeserInnen auf, bei "einem Besuch in der Reichshauptstadt" in der Kneipe vorbeizuschauen.

Nach einem Angriff auf das Café im März genügte zwei Polizeibeamten der Hinweis eines Neonazis auf ein zufällig vorbeifahrendes Auto, um eine Festnahme nach amerikanischem Vorbild vorzunehmen: Der Wagen wurde von einem Polizeifahrzeug abgedrängt und die Insassen wurden mit gezogenen Waffen zum Aussteigen gezwungen. Lediglich auf der Basis einer Gegenüberstellung mit den Neonazis, die die Festgenommenen selbstredend sofort als Linke identifizierten, wurde ein Haftbefehl verhängt.

Mittlerweile steht das Verfahren gegen die vier Beschuldigten allerdings kurz vor dem Aus, da es nach Angaben von Rechtsanwalt Thomas Herzog fraglich ist, ob überhaupt Anklage erhoben wird.

Das bundesweite "Projekt 'Café Germania'" zu stoppen, bevor es angefangen hat und die Schließung des Nazi-Treffpunktes zu erreichen, haben sich mittlerweile verschiedene Antifa-Gruppen zum Ziel gesetzt. Mitte September findet im Ratssaal des Rathauses Lichtenberg eine Informationsveranstaltung der "Aktion gegen Rechts" in Zusammenarbeit mit der VVN zum Café Germania statt, um die Lichtenberger BürgerInnen über den Nazi-Treffpunkt in ihrem Kiez zu informieren und gemeinsam Möglichkeiten des Widerstandes zu diskutieren.

Gleichzeitig haben Prominente einen Offenen Brief an die Lutz Kosboth Immobiliengesellschaft geschrieben, die das Haus Normannenstraße 5a verwaltet, in dem sich das Café befindet. Zu den UnterzeichnerInnen gehören der Bezirksbürgermeister, PDS-Abgeordnete sowie Hans Coppi und Fred Löwenberg für VVN und BdA. Sie fordern die Hausverwaltung auf, ihren Beitrag zur Schließung des Nazi-Cafés zu leisten und zu verhindern, daß sich in den Räumen "Neonazis treffen und organisieren können, die gleichzeitig die in der Nachbarschaft lebenden Menschen einschüchtern und bedrohen".

Veranstaltung zum "Café Germania": Montag, 14. September, 19 Uhr im Ratssaal im Rathaus Berlin-Lichtenberg, Möllendorfstraße 6