Teilgeständnis im AIZ-Prozeß

Da waren's nur noch zwei

Alle Prozeßbeteiligten waren überrascht. Nach der ersten Schrecksekunde griff Bundesanwältin Heike Beck-Klein zu ihrem Stift und schrieb mit. Die Verteidiger rieben sich verdutzt die Augen und versuchten ebenfalls, wörtlich zu protokollieren. Die fünf Richter am Oberlandesgericht in Düsseldorf setzten sich in ihren bequemen Bürostühlen auf.

Bernhard Falk, gemeinsam mit Michael Steinau angeklagt wegen Mitgliedschaft in den Antiimperialistischen Zellen (AIZ) sowie des versuchten Mordes, schaute seinen früheren Schulfreund erstaunt an. Nachdem Steinau bisher geschwiegen hatte, legte der Ex-Physikstudent und ehemalige Paketbote in der vergangenen Woche ein Teilgeständnis ab: "Ich bekenn' mich zu dem Anschlag."

Bernhard Falk und Michael Steinau werden in der seit zehn Monaten laufenden Hauptverhandlung im Düsseldorfer Sondergerichtsbunker insgesamt sechs Sprengstoffanschläge in den Jahren 1994 und 1995 zur Last gelegt, für die die AIZ die Verantwortung übernommen haben.

Am Dienstag vergangener Woche bat der 31 Jahre alte Steinau, der seit Februar 1996 in Untersuchungshaft sitzt, nach der Vernehmung des CDU-Bundestagsabgeordneten Paul Breuer um das Wort. Breuer hatte zuvor über den Anschlag auf sein Haus in Siegen im September 1995 ausgesagt und betont, bei dem Anschlag seien "unschuldige Menschen in Gefahr gebracht worden".

Steinau, der mittlerweile ebenso wie Falk zum Islam übergetreten ist, erklärte dem verdutzten Bundestagshinterbänkler, daß sich ihre "Lebenswege gekreuzt" hätten. "Ich bin mitverantwortlich für diesen Anschlag bei Ihnen und habe mich für die AIZ daran beteiligt", bekundete Steinau, nachdem er sehr zum Unwillen des Zeugen Breuer zuvor einen Exkurs in Sachen Christentum und Islam gehalten hatte.

Auch als die Ehefrau des MdB in den Zeugenstand gerufen wurde und den Ablauf des Anschlags schilderte, mischte sich der Ex-Autonome und heutige Muslim bekennermutig ein: "Ohne mich hätte es diesen Anschlag nicht gegeben." Allerdings stehe er heute nicht mehr zu den Zielen der Antiimperialistischen Zellen. "Das war ein Fehler", betonte Steinau.

Falk hingegen hatte bereits zu Beginn des Prozesses die Anklage als "offenkundig herbeikonstruiert" bezeichnet. Noch in der vergangenen Woche stellten seine Verteidiger einen inzwischen abgelehnten Haftentlassungsantrag, weil die bisher vorgebrachten Beweise nicht stichhaltig seien und eine "Verurteilungswahrscheinlichkeit" deshalb nicht gegeben sei. Zur Unterstützung des Antrags war der seit 30 Monaten inhaftierte Falk in einen Hungerstreik getreten.

Eine Wende im "AIZ-Verfahren" bedeutet die Einlassung Steinaus noch nicht. Die Bundesanwaltschaft wird sicherlich auf Lebenslänglich plädieren. Aber nach wie vor weiß niemand, wer wirklich zu den AIZ gehört hat. Die sich zum radikalen Islamismus bekennenden und in der linken Szene umstrittenen und isolierten AIZ gelten vielen als Phantomgebilde. Seit der Festnahme Steinaus und Falks ist die Gruppe auch nicht mehr in Erscheinung getreten.

Hatte der Verfassungsschutz anfangs noch vollmundig von rund vier Dutzend Aktivisten gesprochen, so befindet sich das Bundesamt inzwischen wesentlich kleinlauter auf der Suche nach dem berühmten "dritten Mann" zur Komplettierung der "terroristischen Vereinigung". Zumindest ein Unterstützer der Gruppe hat sich geoutet: Michael Steinau.