PDS sieht sich auf dem Weg zur gesamtdeutschen Partei

Aufbau West

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"We Are the Champions ..." Der Queen-Song dröhnte durch die Fabrikhalle in der Saarbrückerstraße in Berlin-Mitte, wo die PDS ihre Wahlparty feierte. 3 000 Menschen im Siegestaumel, nahe dem Größenwahn. Der reinste Hexenkessel. Schon bei der ersten Prognose ist der Jubel enorm. Und obwohl die Ergebnisse lange "nur" zwischen 5 und 5,3 Prozent schwanken und vorerst auch lediglich zwei gewonnene Direktmandate gemeldet werden - also während der Einzug der PDS noch lange nicht ausgemacht ist -, feiert die PDS-Basis, als ob ihre Partei stärkste Kraft in Bonn geworden wäre. Stärkste Kraft wurde sie jedoch nur nach Erststimmen in vier Ostberliner Bezirken, wo sie ihre Direktmandate errang. Doch so wichtig der Kampf um die Erststimmen für die PDS als Absicherung war, sie brauchte sie gar nicht. Ihr gelang der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde, so daß sie künftig als Fraktion im Bundestag sitzen wird.

Die PDS feierte ihren unerwartet deutlichen Sieg vor allem als Zeichen der fortschreitenden bundesweiten Etablierung. Im Westen der Republik legte die PDS immerhin von 0,9 auf 1,3 Prozent zu, was zwar nicht viel ist, aber angesichts der Angstkampagne von SPD und Grünen - wer PDS wähle, wähle die Große Koalition - dennoch erstaunlich. Offenbar gibt es den berühmten Osttrotz inzwischen auch in den alten Bundesländern. "Wir sind jetzt bundesweit ein politischer Faktor, daran müssen sich die anderen Parteien gewöhnen", triumphierte PDS-Chef Lothar Bisky noch am Sonntagabend. Am Montagfrüh schaltete Bisky einen Gang runter: "Es bleibt schwierig. Der große Erfolg im Westen steht noch aus. Aber er wird kommen", erklärte er bei einer Pressekonferenz im Karl-Liebknecht-Haus, der Parteizentrale in Berlin-Mitte.

In der Tat ist die Entwicklung im Westen entscheidend für die PDS. Mit dem erneuten Einzug in den Bundestag scheint die drohende Einflußsteigerung des rechten Ostalgie-Flügels, der die PDS zur ostdeutschen Volkspartei machen will, vorerst gebremst. Allerdings sitzen nun zumindest zwei Symbolfiguren dieses Kurses - nicht links, aber ostig - in der Bundestagsfraktion: Christine Ostrowski und Gustav-Adolf (Täve) Schur. Ob ihr neuer Job, der ja bis zum nächsten Sommer noch in Bonn am Rhein - also im tiefsten Westen - zu bestreiten ist, die Oberossis ein wenig von ihrer DDR-Verklärung heilen wird, oder ob sie der bisher von allzu großen Ostalgie-Anwandlungen relativ unbehelligten Bundestagsfraktion ihr Cordhütchen aufsetzen werden, ist noch nicht ausgemacht.

Auch wenn Parteichef Lothar Bisky der Einzug in den Bundestag nicht gelang - er scheiterte als Direktkandidat in Berlin-Treptow/ Köpenick -, wird die neue PDS-Fraktion künftig wesentlich stärker an den Parteivorstand gekoppelt sein. Fast alle starken Persönlichkeiten der PDS haben einen Sitzplatz im Bundestag ergattert: Gregor Gysi sowieso, Vize-Parteichef Wolfgang Gehrcke, die wirtschaftsliberale Christa Luft, Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, der ehemalige PDS-Chef Sachsen-Anhalts, Roland Claus, der frühere Gewerkschaftsboß Manfred Müller, die Berliner PDS-Vorsitzende Petra Pau und Potsdams Polit-Star Rolf Kutzmutz.

Fehlt eigentlich nur Helmut Holter, der Landeschef aus Mecklenburg-Vorpommern. Der wird fürs Ministeramt gebraucht. Der Erfolg der PDS in Schwerin wird den Ostalgie-Flügel wiederum stärken, wenn es ans Mitregieren geht. Die SED-Nachfolgerin wieder an der Macht: Das wird ein Innerer Vorbeimarsch für die in ihrem Selbstbewußtsein so arg gebeuteltet ehemaligen DDR-BürgerInnen. Wir sind wieder wer!

Dennoch, oder auch gerade deswegen, hat die PDS im Bundestag die Chance, Druck von links zu machen. Während sie in Schwerin ihre Zuverlässigkeit als sozialdemokratische Kraft in der Parteienlandschaft beweisen wird, kann, ja muß sie in Bonn, später Berlin, ihre Rolle als linke Opposition neben Rot-Grün spielen, um ihr Profil als Oppostionspartei zu behaupten. Immerhin gibt es auch ausgemachte linke Abgeordnete in der neuen Fraktion: die Sprecherin der AG Junge GenossInnen, Angela Marquardt, der Erfurter Jungkandidat Carsten Hübner, die Göttinger Ex-Grüne Heidi Lippmann-Kasten und wie bisher Ulla Jelpke und Christina Schenk.