Deprimierte Desparados

Die kosovo-albanische Guerilla UCK kann sich mit ihrer militärischen und politischen Niederlage nicht abfinden

Sie hatten sich so viel vorgenommen: Die Kämpfer der Befreiungsarmee Kosova (UCK) waren im Frühjahr in der südserbischen Provinz angetreten, soviel Territorium wie möglich unter ihre Kontrolle zu bringen. Auch der bewaffnete Kampf um die Unabhängigkeit stand - und steht weiterhin - auf dem Programm. Last not least auf der Agenda der Skipetaren-Guerilla: der Anschluß des Kosovo an Albanien - und damit die Erfüllung des "großalbanischen Traums".

Was bis Juni zumindest in Reichweite lag, ist in den vergangenen drei Monaten gründlich in die Ferne gerückt. Nach militärischen Erfolgen, die der UCK zeitweilig die Kontrolle über ein Drittel des Kosovo brachten, ist nach einem halben Jahr Krieg gegen Spezialeinheiten der serbischen Polizei und Verbände der jugoslawischen Armee mittlerweile klar: Das Konzept eines regulären Krieges ist gescheitert. Bereits im August verkündete die UCK-Führung, zum seit 1996 praktizierten "Guerilla-Krieg" zurückkehren zu wollen: Mit Anschlägen auf serbische Polizeistationen und "Kollaborateure mit dem serbischen Regime" in der Provinz solle die Unabhängigkeit doch noch erreicht werden.

Mißt man die albanischen Freischärler im Kosovo an ihren Worten, so können ihre Aktionen der letzten Woche nur noch als Verzweiflungstaten bezeichnet werden. Nach einem Bericht der in der Provinzhauptstadt Pristina erscheinenden Tageszeitung Koha Ditore stürmten etwa zehn UCK-Mitglieder in Quirez ein Informationsbüro des inoffiziellen Kosovo-Parlaments. Mindestens elf Mitglieder einer Delegation, die sich dort über die Lage der Flüchtlinge informieren wollten, seien am vorletzten Sonntag festgenommen worden. Unter ihnen der Vizepräsident des Parlaments Gergj Dedaj, der Präsident der Demokratischen Liga des Kosovo (LDK), Agim Krasniqi, weitere Mitglieder der LDK sowie führende Vertreter anderer Parteien.

Doch nicht nur diesem Krasniqi ging es dieser Tage an den Kragen. Am Montag wurde Ahmet Krasniqi, Militärbeauftragter im Verhandlungsteam der Kosovo-Albaner mit dem jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic, in Tirana ermordet aufgefunden. Krasniqi war in der Delegation des selbsternannten Kosovo-Präsidenten Ibrahim Rugova (LDK) für die Organisation paramilitärischer Kräfte verantwortlich, die neben der UCK operieren sollten.

Damit nicht genug. Der erst vor Monatsfrist zum politischen Sprecher der UCK ernannte Adem Demaci erklärte Mitte letzter Woche seinen Rücktritt; aus "gesundheitlichen Gründen", wie es hieß. Der eigentliche Grund für seine Emission dürfte allerdings im Unvermögen der UCK liegen, politisch auf die veränderten militärischen Machtverhältnisse in der Provinz zu reagieren. Während sich die versprengten Desperados weiterhin als bewaffneter Arm der Unabhängigkeitsbestrebungen im Kosovo betrachten, fehlt ihnen jegliche Verbindung zu den relevanten Entscheidungsinstanzen. Rugova, dem Gegenspieler Demacis, spricht die UCK-Führung die Legitimation ab, die Bevölkerung im Kosovo zu vertreten. Und Verhandlungen mit Jugoslawiens Präsident Slobodan Milosevic über den künftigen Status der Provinz lehnt sie weiterhin ab: Doch eine Antwort darauf, wie die Unabhängigkeit erlangt werden soll, bleibt sie ebenfalls schuldig.

Mit der Verhaftung der unliebsamen politischen Gegner dürfte der außenpolitische Kredit, den sich die "Befreiungsarmee" im Sommer erschossen hatte, weitgehend verspielt sein. Hatten die USA der UCK im Juli noch einen Platz am Verhandlungstisch mit Milosevic zugesichert, drängt Washington nun darauf, daß die Rugova-Delegation und die serbische Regierung zu einem Waffenstillstand kommen. Die UCK bleibt außen vor.

Die am Wochenende von der Nato zusammengestellte Luftstreitmacht für ein militärisches Eingreifen im Kosovo-Konflikt kommt deshalb auch nicht, wie anfangs erhofft, der UCK zugute, sondern - wenn überhaupt - Rugova. Wenige Stunden nach der Verabschiedung einer Kosovo-Resolution im UN-Sicherheitsrat setzte der Nato-Rat auf einer Sondersitzung im portugiesischen Vilamoura die "Activation on Warning" genannte Teilmobilisierung in Gang.

Politisch besteht jedoch weiterhin erheblicher Dissens zwischen den Nato-Verbündeten. Der deutsche Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) forderte erneut, Milosevic ein Ultimatum zu stellen. Die UN-Resolution hat den zeitlichen Rahmen zur Erfüllung der Forderungen an den jugoslawischen Präsidenten offengelassen. Die Aufforderung, einen Waffenstillstand zu vereinbaren, richtet sich an Milosevic ebenso wie an die Kosovo-Albaner. Die von der Nato verbreitete Formel, bei der Resolution handele es sich um eine "Drohung mit" oder "Vorstufe zu" militärischen Maßnahmen, geht deshalb nur schwerlich auf.

Indes berichtete die britische Wochenzeitung The European über deutsche Militärhilfe an die UCK. Über den albanischen Geheimdienst SHIK seien seit 1991 Kommunikationsapparate, Abhörgeräte und Rüstungsgüter an die Kosovo-Albaner gelangt. Darüber hinaus habe das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr UCK-Kämpfer ausgebildet. Das Verteidigungsministerium in Bonn tat die Vorwürfe gegenüber Jungle World als "dummes Zeugs" ab. Dementgegen erklärte der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom Jungle World, daß Mitarbeiter des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) in Albanien Angehörige des SHIK im Gebrauch von Abhörgeräten zur Telefonüberwachung und von Observationstechnik ausgebildet hätten. Dies sei "ein klarer Verstoß gegen das MAD-Gesetz".

Auch in einem Beitrag des ARD-Fernsehmagazins "Monitor" vom letzten Donnerstag wurde berichtet, der MAD sei - unterstützt vom Bundesnachrichtendienst (BND) - an illegalen Lieferungen von Funkgeräten und Überwachungstechnik an die Kosovo-Albaner beteiligt gewesen. Das Verteidigungsministerium dementierte dies umgehend.