Norm Macht Schönheit

Wie peinlich sind Frauenthemen in der Kunst? Eine Werkschau der Künstlerin Rosemarie Trockel

Eine Arbeit innerhalb des Brigitte Bardot-Zyklus aus dem Jahr 1991 zeigt eine schwarze Robbe mit blonder Perücke, die an einem am Haken hängt. Rosemarie Trockel gab der Installation - nach einem Aphorismus von Karl Kraus - den Titel "Es gibt kein unglücklicheres Wesen unter der Sonne als einen Fetischisten, der sich nach einem Frauenschuh sehnt und mit dem gesamten Weib Vorlieb nehmen muß".

In Paris, wo Trockel 1993 ausstellte, hat sie sich mit Bardots Wirkung befaßt, den Auf- und Abstieg des Idols verfolgt. "Fan fini" - Schluß mit Fan-Sein - heißt ein ebenfalls mit dem Mythos Bardot beschäftigtes Video. Es präsentiert Interviews mit Bardot-Fans, die alle im Stil der als Kindfrau berühmt gewordenen Schauspielerin aufgemacht sind - auch diejenigen, die vorgeben, keine Bardot-Fans mehr zu sein. Selbst die Interviewerin hat blonde Haare, Schmollmund und trägt dunkles Augen-Make-up. Jede versucht mit ihren Mitteln, das Ideal darzustellen.

Einen Überblick über die Arbeiten von Rosemarie Trockel präsentiert derzeit die Hamburger Kunsthalle mit der Ausstellung "Werkgruppen 1986-1998". Nach den Entstehungsorten hat Trockel ihre in verschiedenen künstlerischen Medien betriebenen Arbeiten auf neun Räume verteilt: Köln/Wolle, Paris/B.B., Opladen/Videos, Brüssel/Hühnerstall, Wien II/ Beauty, Hamburg/Seaworld, Düren/Paare, Wien I/Gipsmodelle + Entwürfe, Schwerte/Zeichnungen.

Rosemarie Trockel fand internationale Beachtung mit ihrem Beitrag zur documenta 1997 "Ein Haus für Schweine und Menschen", den sie gemeinsam mit Carsten Höller gestaltete. Für die Biennale 1999 wurde sie mit der Gestaltung des deutschen Pavillons beauftragt.

Eines der Leitmotive im vielschichtigen Werk Rosemarie Trockels ist der fetischisierte Frauenkörper. Trockel umgibt ihn mit allen Symbolen der Weiblichkeit und scheut sich nicht, das Peinliche, Lächerliche und Banale des Weiblichkeitsmythos in den Vordergrund zu rücken, auch auf die Gefahr hin, selbst mit dem Lächerlichen identifiziert zu werden. Eier gehören beispielsweise zum bevorzugten Material der Künstlerin. Als Fruchtbarkeitssymbol taugen sie im Kontext ironischer Decheffrierung aber kaum mehr.

Die Foto-Ei-Collage von 1998 "Leben heißt Strumpfhosen stricken" zeigt eine junge Frau mit Strickstrumpfhose, liegend auf einer Wolldecke beim Betrachten von Postkarten. Alle Materialien sind mit Eiern bedeckt: Auf den Postkarten, auf der Strumpfhose und auf der Wolldecke.

Serielle Verfahren erprobt Trockel anhand verschiedener Materialien in unterschiedlichen Medien: Vor allem ihre Textilkunstobjekte haben sie bekannt gemacht. Auf ihren Wollsiegel-Bildern ersetzt das sogenannte Gütesiegel der Textilfirma das Design und wird zum Muster.

Weniger bekannt sind die Videoarbeiten, meist Miniatur-Dramen mit monotonen Handlungsabläufen. In "Egg trying to get warm" (1994) sieht man ein Ei, das sich unaufhörlich auf einer Herdplatte dreht. Das Video "Die Marquise von O" (1993) zeigt eine Frau in einem mit Eiern behängten Kleid, die, während sie sich durch den Raum bewegt, Eier zerquetscht, und eine Spur von Eierschalen zurückläßt. Und im 1993 in Brüssel produzierten Video "Ot of the kitchen into the fire" legt eine Frau unter Glucken-ähnlichem Geräusch ein mit Tinte gefülltes Ei.

Polemisiert Trockel mit ihren Arbeiten gegen einen krampfhaften Selbstverwirklichungsanspruch von Frauen oder kritisiert sie die Zuschreibungsmuster zur Herstellung von Weiblichkeit? Trockel gehört zu einer Künstlerinnengeneration, die sich mit Identitätskonstrukten auseinandersetzt, ohne sich auf feministische Gewißheiten beziehen zu können oder zu wollen. Trockel ridikülisiert patriarchale wie feministische Ideologisierungen gleichermaßen.

Schönheit und die Macht der Norm sind Thema der unter "WienII/Beauty" zusammengestellten Arbeiten. Nicht erst seit es Bildbearbeitungsprogramme gibt, wird Schönheit konstruiert: Schon Plinius d.Ä. schlug vor, von dieser Dame das, von jener etwas anderes zu nehmen, um eine perfekte Skulptur zu erschaffen. Trockel hat, ausgehend von drei Gesichtern, am Computer eine Plakatserie mit zwölf "Beauties" geschaffen. Die digital generierten Schönheiten besitzen symmetrische Gesichter, ihre Augen und Mundpartien sind vergrößert, das Zahnweiß aufgehellt.

Auch die Liebespaare der Werkgruppe "Düren/Paare" scheinen ihrer Identität beraubt. Modell standen Paare, die erklärt hatten, "sehr verliebt" zu sein. Die Bilder der nackten Körper wurden am Computer vor eine weiße Fläche gestellt, der Situation ihre Intimität genommen: Gefühl pur, zur Untersuchung freigegeben.

Mit der jetzt in Hamburg gezeigten Werkschau, die anschließend auch in London, Stuttgart und Marseille zu sehen ist, hat Trockel ganz bewußt die dezentrale Ausrichtung ihres Schaffens betont: Ihre Arbeiten entstanden in

Metropolen und kleineren Zentren, Opladen spielt ebenso eine Rolle wie Hamburg. Wenn Rosemarie Trockel Deutschland in Venedig vertritt, dann ist dies - zu einer Zeit, in der Berlin ein zentralistisches Element in die Kunstszene bringt, auch ein Bekenntnis zum föderal organisierten Kunstbetrieb.

"Rosemarie Trockel: Werkgruppen 1986 bis 1998". Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall, Bis 15. November. Anschließend geht die Ausstellung nach London, Stuttgart und Marseille