Konsensgespräche über Atom-Ausstieg in der Schweiz

Käse mit Löchern

Will die Schweiz nun aus der Atomenergie aussteigen oder nicht? Vor allem die jüngsten Beschlüsse des schweizerischen Bundesrats sorgten für Verwirrung. Nach einer Klausurtagung des Kabinetts ließ Energieminister Moritz Leuenberger die Katze aus dem Sack: Neu geschaffen werden soll eine von Elektrizitätskraftwerksbetreibern unabhängige Stromnetzgesellschaft. Und - das war die Überraschung - eine "ökologische Steuerreform" und Konsensgespräche über einen potentiellen Ausstieg aus der Atomenergie sollen eingeführt werden.

Die Stromnetzgesellschaft zielt eindeutig auf die anstehende Liberalisierung des Strommarktes. Was aber sind die Intentionen für die "ökologische Steuerreform" und den Atomausstieg? Im wesentlichen basieren die nun angepeilten Neuerungen in der Steuerpolitik auf dem Vorschlag der Energiekommission des Parlaments, der eine hohe Abgabe auf nicht erneuerbare Energien und eine Absenkung der sogenannten Lohnnebenkosten vorsah. Mit den Erträgen aus den Abgaben auf nicht erneuerbare Energien soll, so der Kabinettsbeschluß, die Senkung der sogenannten Lohnnebenkosten finanziert werden, zudem die Subventionierung regenerativer Energien. Diese Maßnahmen sind in der Schweiz stark umstritten, stellen sie doch einen erheblichen Eingriff ins Steuersystem zugunsten der Unternehmer dar. Grund zur Freude gibt es mit zwei- bis dreieinhalb Milliarden Mark erwarteten Mehreinnahmen für den Staatshaushalt zumindest bei der Finanzverwaltung der Berner Regierung.

Die energiepolitische Neuheit des Kabinettsbeschlusses ist jedoch die Ankündigung von Konsensgesprächen zwischen Kraftwerksbetreibern, Regierung und Umweltschutzverbänden zum Ausstieg aus der Atomenergie. Euphorische Deutungen jedoch waren verfrüht, und Leuenberger mußte richtigstellen, daß der Bundesrat keineswegs einen Atom-Ausstieg beschlossen habe, sondern lediglich die Möglichkeit, bestehende AKW abzuschalten.

Mit einem Plebiszit jedoch können nach Ablauf des zehnjährigen Baustopps im Jahr 2000 sogar neue Atomkraftwerke gebaut werden. Ein solches Referendum könnte durchaus zugunsten der Kraftwerksbetreiber ausgehen, waren doch 1979 und 1984 Volksabstimmungen gegen die AKW knapp gescheitert. Außerdem will der Bundesrat deren Stillegung unmittelbar an ein Entsorgungsprogramm für die atomaren Abfälle koppeln. Zudem muß eine vertretbare Substitution des immerhin etwa vierzigprozentigen Anteils der Atomenergie an der gesamten Energieerzeugung der Schweiz gefunden werden.

Mit den Bundesratsbeschlüssen wurde sowohl die Betriebsgenehmigung für das AKW Mühleberg bis 2012 verlängert als auch eine Leistungserhöhung des größten Schweizer Atomkraftwerkes Leibstadt um 15 Prozent beschlossen. Die Betreiber werten dies nicht zu Unrecht als politische Entscheidung. Die Leistungssteigerung jedoch, so sagte Leuenberger, die gleichzeitig eine Senkung der Produktionskosten bedeute, stehe im Zusammenhang mit der Grundsatzentscheidung im Rahmen der Liberalisierung des Strommarktes, keine Subventionen für die Atomenergie zu zahlen.

Fraglich bleibt, warum die Regierung in Bern gerade jetzt so beliebig Beschlüsse faßt. Ein "Ausstiegsdonner ohne zwingenden Grund" urteilt die NZZ. Das "Signal für einen mittelfristigen De-facto-Ausstieg aus der Kernenergie (wirke) fast wie eine voreilige 'Verschröderung' der Schweiz".