Eine von uns

Faszinierender Faschismus: Die Leni-Riefenstahl-Ausstellung in Potsdam und ihr bemerkenswerter Katalog.

Faszination und Faschismus - wenn von Vergangenheit und Gegenwart Deutschlands die Rede ist, scheinen diese beiden Begriffe wie selbstverständlich beieinander zu stehen, darauf wurde mehrfach verwiesen. Nicht nur Rechte, auch Linke seien in Deutschland fasziniert vom Nationalsozialismus, konstatierte der Journalist Henryk M. Broder. Die US-amerikanische Publizistin Susan Sontag sprach vom "faszinierenden Faschismus".

Doch was polemisch gemeint war, kann auch ohne jede Ironie weitergesponnen werden. Der designierte Kulturstaatsminister Michael Naumann bezeichnet die Bubis-Walser-Debatte als "außerordentlich faszinierenden Prozeß", wir hören von "faszinierenden Bildern des Krieges", wenn Produkte von ZDF-Kriegsguru Guido Knopp angekündigt werden. Und die taz-Autorin Brigitte Werneburg faßt anläßlich der Potsdamer Leni-Riefenstahl-Ausstellung zusammen: "Es geht bei der nationalsozialistischen Vergangenheit tatsächlich ums Hinschauen: auf die Verbrechen und auf die Faszination."

Authentisch reden von der Faszination können Zeitzeugen. "Ich war fasziniert von Adolf Hitler", sagt die 96jährige Leni Riefenstahl. Auf der ganzen Welt bejubelt mit allerlei Ausstellungen, hat sie es in Deutschland seit 1945 schwer gehabt. NS-Ikone, 50 Prozesse, Psychiatrie, Armut: Diese Frau - sie erzählt es überall - hat schwer leiden müssen. Aber sie hat sich nicht unterkriegen lassen, rufen ihre Fans. Der Grund: "Mich fasziniert, was schön ist, stark, gesund, lebendig (...). Wenn Harmonie hervorgebracht wird, bin ich glücklich." So zitiert das Potsdamer Filmmuseum dieser Tage die Jahrhundert-Ikone und Queen des Nazi-Films. Ein ungeschriebenes Gesetz scheint gebrochen: Nie soll von deutschem Boden eine Leni-Riefenstahl-Ausstellung ausgehen.

Das Filmmuseum hat's jetzt getan, beharrt auf seiner kritischen Herangehensweise, präsentiert obendrein einen umfangreichen Katalog. Es bestehe Aufklärungsbedürfnis, in der DDR habe die Riefenstahl ja keiner gekannt. Nun geht eben ein Licht an in Dunkeldeutschland. Da herrscht Nachholbedarf. Man laste Riefenstahl immer noch die Gesamtverantwortung für das Böse an, schreibt Museumsdirektorin Dalichow. Das ist ein bißchen falsch, ungefähr wie die Idee mit der Kollektivschuldthese - der Vorwurf wird erstaunlich viel öfter zurückgewiesen als erhoben. Aber richtig ist: "Sie ist ein Teil der deutschen Geschichte, der auch durch Ignoranz nicht zu entkommen ist." Leider sei Frau Riefenstahl so streitsüchtig - sie habe eine Hommage gewollt.

Abhauen gilt nicht. Natürlich müsse die Ausstellung provokant sein. Wer sich zu Riefenstahl äußere, setze sich meist zwischen die Stühle: entweder als ranziger Linksintellektueller oder kritikloser Claqueur. Um der Wahrheitsfindung auf die Sprünge zu helfen, hat die alte Dame aus Pöcking am Starnberger See ihre Privatschatulle geöffnet. Fotos aus der Kindheit und nie gezeigte Jugendkorrespondenz. Wie der Brief vom 28. Januar 1918 an eine Freundin: "Heute mache ich vielleicht bei einem Kostümfest mit. Ich gehe als Moos."

Kinoplakate, Anzeigen, Drehskripte, Briefe von Cocteau, Fassbinder. Bilder, die sie als Tänzerin, Bergsteigerin, Regisseurin zeigen. Riefenstahl kam am 22. August 1902 in Berlin zur Welt, Schule, Tanzen, kaufm. Ausbildung folgten. Wegen Knieverletzung Karriereknick, dann als Schauspielerin entdeckt von Arnold Fanck. Anschließend Regisseurin, Entnazifizierung, Fotografin und Tauchen. Um dieses Leben nachzuzeichnen, ist die Ausstellung in einen Wandelgang und einen Innengang unterteilt. Außen findet man sich in den Dokumenten wieder, innen gehen wir durch die Nuba-Galerie. Die Nuba, einen Volksstamm im Sudan, suchte Riefenstahl seit den sechziger Jahren auf und veröffentlichte Fotoreportagen über ihn, u.a. im stern. Aus finanziellen Gründen hat man die Nuba-Motive nur als Großformat aus einer anderen Ausstellung leihen können. Tanz, Berg-Abenteuer, "Triumph des Willens", Nuba, Meeresgetier: Potsdam feiert das Fest der Schönheit mit seinem prominenten Ausstellungsobjekt.

Wie sieht Kritik im Museum aus? Der lange Marsch durch den Ausstellungsraum beginnt mit vier Fernsehgeräten. In jedem läuft ein Riefenstahlfilm. "Olympia" (1936-1938), "Das blaue Licht" (1931/32), "Tiefland" (1940-1954) - und als einziger mit Ton: "Triumph des Willens" (1935), der NS-Parteitagsfilm. Soll man überhaupt noch weitergehen? Stundenlang kann man dort zwischen den Apparaten stehen. Riefenstahl von vorn und von hinten. Und natürlich bildet sich die kleine Menschentraube vor "Triumph des Willens". Der Film hat was, deswegen darf er nicht ohne weiteres gezeigt werden, oder er hat was, weil er nicht ohne weiteres gezeigt werden darf. Es sei denn, mit kritischem Vortrag. Der freien und massenhaften Aufführung des Films über den Nazi-Parteitag 1934 in Nürnberg stehen immer noch gewisse Auflagen der Freiwilligen Selbstkontrolle entgegen. Der kritische Vortrag in Potsdam besteht wie alle Mäkelei aus Worten. An den Stellwänden haben die Offiziellen schreiben lassen, was nicht richtig zu sein scheint an der Riefenstahl. Dazu läuft Ray Müllers Filmporträt, und es wartet - für eine Ausstellung wahrlich ungewöhnlich: ein Lesesaal. An den ausliegenden Interviews und Rezensionen kann sich gütlich tun, wer seinen kritischen Geist befriedigen will. Aber am Anfang war eben die Tat, und die ist schön, basta. So ist die Ausstellung "mutig" zu nennen (das Berliner Stadtmagazin zitty), bzw. "eine mutige Ausstellung in Zeiten der Political Correctness", wie das ein Besucher im Gästebuch tut.

Wer sich Ärger einhandeln möchte, schreibt Museumsdirektorin Bärbel Dalichow, sollte über Riefenstahl schreiben. Die Autoren lieferten "sich der schärfsten Beobachtung deutscher Meinungsmacher" aus, deren Nachrufe bereits in den Schubladen lagerten, weil ihr Urteil feststehe. Unter linksorientierten Intellektuellen gelte es als ausgemacht, daß Leni Riefenstahl keine Absolution erteilt werden darf. Damit ist das kritische Urteilen ins Reich der Moral verwiesen - "Oft genug bietet Leni Riefenstahl nur einen Anlaß, um zu zeigen, wie antifaschistisch oder souverän-demokratisch gesinnt der jeweilige Autor im Gegensatz zur Künstlerin ist." Dagegen ist schwer anzukommen. Und der nächste Hinweis darf auch nie und nimmer fehlen: Als Frau habe sie es in der damaligen Männerwelt besonders schwer gehabt. Holen wir uns die Tochter im Urgroßmutteralter wieder, sie hat lang genug gewartet. Es ist zum Schwärmen. Dalichow: "Sie könnte die Ikone der Gegenwart sein. Sie war eine von uns, und sie ist eine von uns."

Bärbel Dalichow sieht Riefenstahls Wirken fortleben in Michael Jacksons Phantasiesoldaten, Madonnas Ästhetik, im Kino, der rechten Gothic-Art-Szene wie im neuesten Video von Rammstein (dort finden Sequenzen des Film "Olympia" Verwendung). Der Erfolg gibt ihr recht. Die Ausstellung ist "besucht wie Romy", vermeldet das Museum - frequentiert wie die erfolgreiche Romy-Schneider-Ausstellung. "Auch heute ist es brechend voll", hieß es an der Kasse am ersten Wochenende. Sie hat's geschafft, lautet nicht nur das Fazit Georg Seeßlens in seinem Katalogbeitrag "Blut und Glamour", aber bei ihm klingt es nach Drohung. Und nicht nur bei ihm, sondern überhaupt oft bei Kritikern aus den älteren Semestern, die eindeutig Stellung zu Riefenstahl bezogen.

Dalichows Text enthält immer wieder Sätze, die sich vielleicht mancher kommunistische Widerstandskämpfer, der im KZ saß, ungern anhören dürfte. Riefenstahl sei unpolitisch gewesen, Arbeit, Entsagung und Fleiß hätten ihr Leben gekennzeichnet. "Gerade in politischer Hinsicht unterschied sie sich gar nicht so sehr von anderen Deutschen. Wie der größte Teil der Bevölkerung, den die Nazis in den dreißiger Jahren gewinnen konnten, war sie eine Begeisterte." Das dürfte der Wahrheit entsprechen: Kann es keinen Grund geben, sie nicht zu würdigen? Das nächste gewichtige Argument wäre aber nur wenigen eingefallen. "Der Unterschied zu fast allen übrigen bestand nur darin, daß sie duch Erscheinung und Leistung mehr auffiel (...). Insofern hat die Dauerverurteilung heuchlerische Züge."

Ist es für diese Feststellung nötig, die eigenen Autoren zu brüskieren, die kritische Einwände gegen den Konsens der Faszination pflegen? "Gerade weil bereits eine dicke Schicht von Urteilen und Vorurteilen über dem Werk liegt, ist es überhaupt nicht erstaunlich, daß auch die sechs Autoren dieses Buches sich dem Thema auf unterschiedliche Wiese nähern und nicht alles bisher zum Thema Gedachte umstoßen." Das trifft zum Beispiel Seeßlen und auch Felix Moeller, der die Nähe Riefenstahls zur NS-Infrastruktur untersucht. Und so ist anzunehmen, daß es mit der Faszination hier verdammt ernst gemeint wird.

Ist sie nun eine Faschistin oder nur ein naives Mädchen wie wir alle? Was ist mit der "Riefenstahl in uns" (Werneburg), die sich manchem so gar nicht erschließen will? Was wäre, würde man behaupten, ihr ganzes Schaffen bestehe in der Produktion verschissener Langeweile? Witzlos wie die eigene Kindheit, eine linksradikale Zeitschrift oder das Vorabendprogramm.

Oder anders gesagt: Worin liegt denn die Faszination dieser extremen Humorlosigkeit der Bilder, die Riefenstahl vehement als Schönheit und Harmonie verteidigt, wo sie nur kann? Kraft plus Stärke gleich Schönheit - so lautet ihre Privatrechnung, und sie ärgert sich wie ein Kind, will sie nicht aufgehen. Das Kind aus dem Vaterkomplex-Haushalt, das allen gefallen will, hat sich in Selbsttäuschung gerettet, die auch die Täuschung der anderen sein muß.

Der Nationalsozialismus als Pop-System, das unterschiedliche Stile zusammenbringt und -hält, lautet das Gerücht: Hier wird der Wunsch deutlich, endlich auch mal international mithalten zu können, das ist Essenz der deutschen Geschichte und seiner mißratenen Kinder - kurz: deutsche Bilder, die dem Pop der beiden anderen großen Politiken Kapitalismus und Kommunismus gleichrangig sein sollten. "Riefenstahl in Siebzigern von Feministinnen geehrt", liest man auf den Tafeln der Ausstellung, und: "Ihre Bildbände haben großen internationalen Erfolg", Bill Clinton lud sie zum Jubiläum der Zeitschrift Time, Mick Jagger sei ihr Verehrer. "Körper und Wille dieser Frau sind vielleicht eines der Meisterwerke, die einmal alle tausend Jahre aus der Natur geboren werden." (Eiko Ishioka in der Eröffnungsrede zur Ausstellung in Tokio 1986).

Weitere Referenzen: Chaplin hat begeisterte Briefe geschrieben, Stalin soll per handschriftlichem Telegramm gratuliert haben, Eisenstein traf sich mit ihr zum Kinobesuch, Goebbels schrieb sich mit Eisenstein. Hier wird der Mythos reproduziert, den Riefenstahl dank ihrer unermüdlichen Geschwätzigkeit errichtet hat. Das mag alles seine Richtigkeit haben: Richtig dürfte aber auch sein, daß nur ein einziger Film ihre Karriere anständig befördert hat.

Sie war am rechten Ort zur rechten Zeit. Der Deutung, daß sie Pech gehabt hat, weil sie von Hitler den Auftrag bekam, "Triumph des Willens" zu drehen - der Film, der ihr lebenslang nachläuft, über den sie heute jammert, es seien doch nur fünf Monate gewesen, die sie für die Partei engagiert war -, ist entgegenzuhalten: Dieser Film hat ihren Ruhm erst begründet. Und mögen auch an amerikanischen Universitäten filmtechnische Seminare zu seinen aufsehenerregenden Schnitten abgehalten werden: Ihn als kunstgewerbliches Gerümpel zu bezeichnen, ginge natürlich zu weit - aber vielleicht liebt die Welt ja gerade das Gerümpel. Eine Neoromantik, die alles zu Tode reitet, mit ihrer "Mystik des Natürlichen". Das Mystische im "Triumph des Willens": Massen, die den rechten Arm ausstrecken, Thing-Dramaturige und Trommelpimpfe.

Seeßlen führt an, daß es in ihren Bildern kaum frivole Distanzierung gibt. Man könnte auch sagen: Bei Riefenstahl gibt es nichts zu lachen. Einmal gefragt, wie sie den griechischen Tempel fotografieren würde, hat sie geantwortet, sie ließe die Mülleimer selbstredend weg. Weniger ist mit ihr eine Ästhetik des Schönen zu machen, als eine des Irrealen. Auf dem Berg gab es wenig zu grinsen, beim Parteitag auch nicht, und wie gut, daß ansonsten die Natur nichts zu lachen hat - da eignen sich die Fische besonders. Sie versteht sich als Natursozialistin: "Von allen Religionen schätze ich den Buddhismus am meisten, weil er die Tiere schont." Ihre mythischen Erlebnisse hatte sie immer in der Natur.

Nur zwei winzige Dinge in der Ausstellung weisen einen Ausweg hinaus aus dem Kosmos Riefenstahl: Auf einem Nuba-Motiv lächelt ein junger Mann, er sieht beinahe aus, als greife er gleich zu einem Mobiltelefon und verlasse die Szenerie des Riefenstahl-Auges. Das andere ist ein Zettel an der Eingangstür mit dem Hinweis auf die Muppets-Ausstellung im nahegelegenen Potsdam-Museum. Der Rest ist Absolutismus der Bilder.

Riefenstahl gab immer an, die reine Kunst zu retten, und sie beruft sich auf Monet und die Impressionisten. Sicher das Gegenteil von Klaus Staeck. Demokratie ist schlecht zu filmen, wen soll man da nehmen? Sie hat so wenig Hauptdarsteller. Und Leni möchte doch die Comic-Heldin sein. Ihre Alltagsmaxime: "Nicht immer Schuld bei anderen suchen, sondern auch bei sich." Die Deutschen wollten mich loswerden, heißt das, weil ich zu sehr an ihre Vergangenheit erinnere. Doch "mich interessierten immer nur künstlerische Perspektiven".

Wer würde da nicht sagen: Ja, sie ist die größte deutsche Künstlerin. Wenn so laut Ich! Ich! Ich! gerufen wird. Die Kunst ist groß, schon aus naheliegenden Gründen. Weil den anderen nichts eingefallen ist. Oder weil sie einfach manche Dinge nicht überlebt haben. Und diesen Schuldvorwurf hat sie sich immer ausgesetzt gefühlt. Hier präsentiert sich ein geschlossenes System, dem auch die Ausstellung ordentlich Tribut zollt - da würden selbst ein paar Bilder von KZ-Häftlingen nicht helfen. Arme Museumspädagogik.

"Wo ist meine Schuld?", fragt sie. Bei all der Nachfrage hat sich die gute Laune erhalten, und wer doof fragt, wie die Herren und Damen vom Spiegel, bekommt mindestens einen flotten Spruch zu hören: "Ich war nie in der Partei, sondern nur im ADAC", oder: "Ich muß aufpassen, daß ich keine braunen Fische filme". Das ist eine antrainierte Spitzbübigkeit, mit der man hierzulande jeden Schicksalsschlag ertragen lernte. Und da leistet die Textsammlung wirklich gute Dienste: "Ich gebe so wenig Interviews", sagt sie in einem der zahlreichen Interviews. Ihr werde doch immer nur dasselbe vorgeworfen. Ihre einstmalige Faszination für Hitler tut sie mit einer Geschwätzigkeit kund, die an einer Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus zweifeln lassen.

"Faszinierend" sagt Spock, der Pop-Intellektuelle vom "Raumschiff Enterprise", wenn er nicht begreifen kann, was ihn erstaunt. Faszinierend, das ist Religion, Mythos, Mystik, Ekstase und Comic-Sprache. Faszination bedeutet soviel wie Beschreibung oder Verhexung. Das Faszinosum ist etwas Bestrickendes, fern und zugleich anziehend, furchterregend und verlockend zugleich, wie man es in der Religionswissenschaft nennt. Wer ist zuständig von Politik wegen für all diese Umgarnungen, allein schon etymologisch? Der Faschismus (von ital. fascio, das Rutenbündel), die Bündelbewegung Italiens aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Von einem siegreichen Sozialismus hat man reden hören, sogar von einer wehrhaften Demokratie. Aber nicht von einer faszinierenden Regierung. Faszinierend kann nur der Führer sein. Und Riefenstahls Kunst bündelt den Blick, mehr noch verlangen ihre Apologeten danach: Er soll so ausschließlich sein, bis sich keiner eine andere Ästhetik vorstellen kann. Die ganz große Ausschließlichkeit, als vollendeten Film, hat sie seit dem Krieg aus Mangel entsprechender Koordinaten nicht mehr herstellen können.

Als Diedrich Kuhlbrodt in seinem Beitrag über den 100. Geburtstag von Sergej Eisenstein und seine Beziehungen zu Goebbels und Riefenstahl in der Zeitschrift Der Schnitt ankündigte, sie werde noch zum Pop-Star, so sehr, daß er, der jetzt pensionierte Staatsanwalt und Nazi-Verfolger, sich langsam selbst verfolgt von ihr fühle, war das als ironische Warnung zu verstehen: Stahlhelm auf und ab in den Schützengraben. Von Faszination war da jedenfalls wenig zu spüren. Daß kulturell Prägendes und seine Auswirkungen mag kunsthistorisch untersucht werden.

Faszination stellt sich dann allerdings nicht ein. Die muß schon entschädigungslos vorausgesetzt werden. Insofern gehört die Potsdamer Ausstellung zum größeren Pop-Diskurs "Nationalsozialismus", der auch irgendwas mit dem "Holocaust" zu tun hat, der langsam auch als Pop-Phänomen durchgeht. Mit dem Tempo, wie Gras über die Sache wächst, verabschiedet sich das Thema aus der Politik in die Kulturabteilung der Gesellschaft, wo alle fröhlich mitreden. Das ist eine Einstellung, wie man sie derzeit zum Beispiel bei Klaus von Dohnanyi findet, der Ignatz Bubis "Intoleranz" vorwirft, weil er Deutschland "die Redefreiheit" nehmen will. Ein spielerischer Umgang mit den Grundlagen der Zivisation breitet sich da aus. Eine Pop-Debatte für Erwachsene eben. Wie geht da Distanzieren? Ist es schlimm, Riefenstahl in "uns" zu haben, und zu denken, sie wäre besser nicht da? Zu wissen, daß man selbst langweilig und mörderisch ist, aber der Meinung ist, es wäre besser, es nicht zu sein? Wollten wir nicht alle schon mal als Moos gehen? "Uns": Kann man alle zwingen, wegen Riefenstahl zu "uns" zu gehören? Wer ist das? Ist es überhaupt noch vorstellbar, daß sich manche nicht gemein machen wollen oder gar können? Und kann man der DDR ihre Ignoranz in diesen Dingen unbedingt vorwerfen?

Riefenstahl war in ihren besten Zeiten so etwas wie die PR-Abteilung des deutschen Faschismus, und damit eben maßgeblich daran beteiligt, wie dessen Bild in die Welt transportiert wurde. Sie sorgte für seinen Glanz und die Glorie. Bedauern mag sich nicht recht einstellen.

Natürlich bin ich in einem Nazi-Folgestaat aufgewachsen. Und natürlich will ich mich nicht in die Reihe derer stellen, die sich nur deshalb Leni Riefenstahl vornehmen, um ihre antifaschistische Gesinnung darzustellen. Sicher muß "Triumph des Willens" allen zugänglich sein, damit sich jeder selbst Bilder macht. Seltsam nur, daß diese Richtigstellungen der "alten Urteile und Meinungen" (Dalichow) oft selbst so realitätsfern wirken. Es wäre ja auch möglich gewesen zu sagen: Na, wenn die Riefenstahl unbedingt eine Hommage will - scheiß drauf, machen wir noch was zu Sissi oder Kati oder sonst einer deutschen i-Ikone.

Aber man ist ja kein Griesgram oder Spielverderber. Eine letzte Ausflucht habe ich noch anzubieten. Alles auf Video und ab in den Time Life-Versand. Dort verhökert das ZDF auch die Guido Knopp-Filme. Sammelbildchen von NS-Größen und "Olympia"-Athleten hinein ins Duplo. Nuba-Bilder in den Bundestag. Gebt einem Parfüm von Joop ihren Namen. Nicht nur in den neuen Landschaften um Potsdam herum gibt es Nachholbedarf an Dingen, die es schon mal gab. Die offizielle Anerkennung und das Bundesverdienstkreuz werden schon noch kommen. Ignorieren hilft ja nicht.

"Leni Riefenstahl". Potsdamer Filmmuseum, Am Marstall, Potsdam, dienstags bis sonntags, 10 bis 18 Uhr; bis zum 28. Februar. Der Katalog (Henschel-Verlag) ist im Buchhandel erhältlich und kostet DM 58.