Kirch trifft Berlusconi

Leo Kirch und Silvio Berlusconi arbeiten zukünftig noch enger zusammen - eine internationale Holding ist geplant

Als Silvester die Knaller hochgingen, dürfte bei Leo Kirch in München besonders viel Sekt geflossen sein. 1999 will er einen der größten Mediendeals der letzten Jahre unter Dach und Fach bringen: die Gründung einer weltweit agierenden Kommunikationsgruppe. Beteiligt sind Italiens Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi mit seiner TV-Firma Mediaset, Rupert Murdoch, Inhaber der Sky-Channel-Sender, und der auf dem TV-Markt des Nahen Ostens engagierte saudische Prinz Al Waleed.

Die Verhandlungen stehen kurz vor dem Abschluß, erklärte Kirch-Manager Jan Mojto bei einer Pressekonferenz in Monte Carlo. Mit einem Ergebnis werde noch in diesem Jahr gerechnet. Wie auch immer die Gespräche ausgehen, so Mojto, klar sei, daß die Zusammenarbeit zwischen Mediaset und Kirch in der Zukunft die Basis der großen europäischen Kommunikationsgruppe bilden.

Geht es nach Kirch, kaufen sich Berlusconi und Al Waleed direkt beim Münchener Unternehmen ein. Beide sollen sich mit einem Anteil von 25 Prozent an der künftigen Holding für das deutsche Fernsehgeschäft beteiligen.

Murdoch wird sich eher indirekt am Deal beteiligen. Offiziell bestreitet er noch sein Engagement. Was aber nichts Neues ist und auch nicht viel bedeuten muß. Schon immer hat es Murdoch vorgezogen, die Karten erst im letzten Moment auf den Tisch zu legen. Insidern zufolge soll Murdoch bereits 3,5 Milliarden Mark für die paneuropäische Medienoperation bereitgestellt haben. Daß sich der Australier in irgendeiner Form an der Kooperation beteiligen wird, bestätigte dann auch Tarak Ben Ammar, der Berater von Prinz Al Waleed, gegenüber dem Wirtschaftsdienst Bloomberg. Der Vorteil für Murdoch: Seine britische TV-Firma BSkyB wäre erstmals mit einer großen deutschen Mediengruppe verbunden. Bislang hält er in Deutschland lediglich Anteile an Vox und TM3.

Bertelsmann-Vorstands-Chef Mark Wössner, in Deutschland der einzig ernst zu nehmende Konkurrent von Kirch, glaubt, daß sich Murdoch nicht direkt an der Allianz beteiligen wird. "Diese Gruppe scheint sich auf Berlusconi, Kirch und Al Waleed einzuengen." Der Konkurrent aus Gütersloh, der gemeinsam mit Kirch den Pay-TV-Sender Premiere betreibt, zweifelt überdies an dem strategischen Sinn des Projektes. Eher, so Wössner, gehe es um eine Hilfsaktion für den wegen des defizitären Engagements beim Digital-Sender DF1 finanziell klammen Kirch. Ein nicht abwegiger Gedanke. Die Beteiligung an einer Kirch-Holding würde einem Muster ähneln, nach dem bereits vor vier Jahren Berlusconis Mediaset finanztechnisch saniert wurde. Damals zehrten die Zinsen für einen gewaltigen Schuldenberg den größten Teil der üppigen Gewinne auf, die Berlusconis italienische Fernsehgruppe mit ihren drei flächendeckenden Sendern einspielte.

Mit dem Projekt Wave übernahmen die drei Fernsehunternehmer Johannes Rupert, Leo Kirch und Al Waleed zusammen fast ein Fünftel des Kapitals von Berlusconis Fernsehen. Zu den Anteilseignern gehört heute auch die British Telecom. Leo Kirch hat inzwischen drei Viertel seiner Beteiligung an Mediaset zu Geld gemacht. Er hält jetzt nur noch 1,3 Prozent am größten italienischen Privatfernsehen.

Die Mediaset hat ihre Schulden längst getilgt. Sie verfügte in der Bilanz zum Jahresende 1997 über mehr als 700 Millionen Mark Nettoguthaben - etwa ein Drittel des Kapitals, das für das Projekt "La Traviata" gebraucht wird. Unter diesem Decknamen laufen die Verhandlungen für die große Fernseh-Neuordnung.

Doch Berlusconi hat auch nichts zu verschenken. Für ihn liegt die größte Herausforderung im Aufbau einer europäischen Gruppe, die im globalen Wettbewerb mithalten und nicht einfach nur überleben könne, ließ er Mediaset-Manager Maurizio Carlotti jüngst erklären. Ein Sprecher des saudischen Prinzen ergänzte, die Kirch-Gruppe biete in Europa die einzige wirkliche Chance für eine strategische Investition.

Befürchtungen, die neue Zusammenarbeit könnte die Grundlage für einen großen transnationalen Rechtssender sein, erscheinen zwar insofern unbegründet, als für die Privatsender der eherne Grundsatz gilt: "Politik schadet der Quote." Zumindest die deutsche Privat-TV-Branche vermeidet eine einseitige parteipolitische Ausrichtung ihres Programms. Selbst die TV-Sender des bekennenden Kohl-Freundes Kirch sind weitgehend "unpolitisch", und Sat.1, als Vollprogramm noch am ehesten in der Lage, schwarze Thesen zu verbreiten, hält sich mit politischen Statements zurück. So konnte sich der Rechtsausleger Heinz-Klaus Mertes denn auch bei Sat.1 nicht lange halten; zu offensichtlich sollte die CDU gepusht werden. Berlusconi dagegen hat bereits bewiesen, daß die Verflechtung von Politik und Programm auch anders funktionieren kann.

Im Gegensatz zur öffentlich-rechtlichen Konkurrenz spielt das Parteibuch für die Besetzung wichtiger Posten bei den auf dem deutschen Markt präsenten Privatsender keine große Rolle. Einstellungskriterien sind eher strikte Marktorientierung und Rücksichtslosigkeit in Personalfragen. Die politische Macht der TV-Anstalten gründet sich vor allem auf ihre wirtschaftliche Potenz. Um ihren Einfluß auf Gesetze geltend machen zu können, braucht es da kein Parteibuch mehr. Mit dem, was man "kritische Medienöffentlichkeit" nennt, hat das natürlich alles nichts mehr zu tun.

Daß sich Kirch mit Berlusconi zusammentut, ist nicht neu. Die Gleichgesinnten helfen sich gern einmal aus der Patsche. So hat Berlusconi im letzten Jahr seine Beteiligung am Deutschen Sportfernsehen an Kirch verkauft und dafür 181 Millionen Mark kassiert. 1996 hat ein Zeitungsbericht über angebliche Verstrickungen Kirchs bei illegalen Geschäften des Italieners für Aufsehen gesorgt. Damals ging es um gesetzwidrige Beteiligungen von Berlusconi an verschiedenen europäischen Privatsendern.

Steigbügelhalter und Strohmann der Transaktionen soll Leo Kirch gewesen sein, hatten ehemalige Manager der Berlusconi Firma Fininvest vor Gericht ausgesagt. Zudem soll der deutsche Medienunternehmer mehr als 500 Millionen Mark aus illegalen Krediten erhalten haben. Nachgewiesen werden konnte ihm jedoch nichts. Was damals wohl wieder Grund für eine ausgedehnte Sektparty gewesen sein dürfte. Wie Silvester.