Rumbel in the Dschungel

Von Rommel bis Rühe: Martin Baer hat in "Befreien Sie Afrika!" die Sicht der Deutschen auf den Kontinent im Süden untersucht

Spaß ohne Ende in Afrika. Sind zwar auch haufenweise Neger da, aber wenn man's ihnen sagt, können die auch richtig lustig sein - wie Roberto Blanco als schwarzer boy Matthias in "Der Stern von Afrika" (1957): Er tanzt und lacht auf Befehl. Nicht umsonst waren die Flieger im deutschen Lager aufgeregt vor ihrem Abenteuer im Süden: "Wir verlegen nach Afrika! Stellt euch das vor: Palmen, Wüste, Araber, Bauchtänzerinnen." Auch Heinz Rühmann freut sich als "Quax in Afrika" (1944/45, uraufgeführt 1953) schon mächtig auf seine neue Aufgabe: "Afrika, Kanarische Inseln, haha! - da mach ich mit!"

Gesagt, getan. Der alte "Wavell Way" wird schnell in "Rommel-Weg" umbenannt, mit dem Flieger gegen die Briten, ein bunter Nachmittag in der Wüste und zu Weihachten wird ein provisorischer Tannenbaum aus einer alten Proviantkiste zusammengebaut. Die Stimmung war noch bestens in der Sahara, in der Höhlen-Bar wurde jede Nacht getanzt. Die Nazis als Party People. Da wußte man ja auch noch nichts von Al Alamain.

Heinz Kreft, von 1940 bis 1942 als deutscher Soldat in Nordafrika, erklärt das in einem Interview so: "Alle wollten Abenteuer erleben, so wie ich auch, aber wenn man die ersten Toten sieht, und den Ernst ... und mittendrin steckt, dann denkt man doch manchmal, wenn das mal bloß erst zu Ende wäre." War's dann ja auch bald.

In seiner dokumentarischen Montage "Befreien Sie Afrika!" beschreibt Martin Baer die Sicht der Deutschen auf ihr "Abenteuer Afrika". Der Zeitraum seiner Untersuchung erstreckt sich über die vergangenen 50 Jahre, von Manfred Rommels Afrika-Feldzug bis hin zu Volker Rühes Somalia-Besuch. These: Am Blick auf die Schwarzen hat sich nicht allzuviel geändert. Exotisch, fremd, abenteuerlich, wild, gefährlich, scheu, animalisch, faul, unterwürfig - auf jeden Fall aber unterentwickelt und hilfsbedürftig sind sie.

Baer hat mit seinem Team in vier Jahren ein paar tausend Stunden Filmmaterial gesichtet, um daraus rund 500 Ausschnitte auszuwählen, sie aus dem alten Kontext zu lösen und, ergänzt durch Werbespots, Comics und andere Objekte der Populärkultur, zu einer Collage neu zusammenzusetzen. Der Film kommt dabei ohne jeden Kommentar aus, sogar bei den Interviews verzichtet er auf erklärende Untertitel. Schließlich stehen die Gesprächspartner als Prototypen für bestimmte Wahrnehmungen.

Statt dessen wurden viele der dokumentarischen Szenen von acht Bastlern in rührend genauer Kleinarbeit als maßstabsgetreue Trickmodelle nachgebaut. So sieht man nach einem Filmausschnitt, in dem sich deutsche Soldaten die Wochenschau im Wüstenkino "Bengasi" ansehen, das provisorische Lichtspielhauses im Sandkasten in Trümmern liegen.

Nach Rommel war dann erstmal Ruhe, sollte man denken, aber als die Deutschen keine eigenen Truppen mehr in Afrika hatten, schrieben sie sich gleich massenhaft bei der französischen Fremdenlegion ein. "Bestimmt 60, 70 Prozent Deutsche", schätzt der Veteran Edmund Kolodziej. Schon wieder lockt das Abenteuer, bei dem man sich trotzdem heimisch fühlen konnte. Denn schön gesungen wurde auch dort: "Im französischen Legionsliederbuch ist drin 'Annemarie, wo geht die Reise hin', auf deutsch, das mußten auch Franzosen lernen", berichtet Kolodziej. Alles zum Wohle der Eingeborenen.

Darauf eine Afri-Cola. Die Comic-Schnipsel sind im selben Rhythmus geschnitten wie die authentischen und fiktiven Kriegsszenen. Dann wieder ein Stück Tierfilm mit Eingeborenen als schmückendem Beiwerk. Wissen diese Männer eigentlich, was sie ihrer Umwelt da antun? Ah, jetzt tanzen sie wieder! Gibt es in Afrika eigentlich Tiger? Und wieviele Länder hat der Kontinent?

Nach dem Algerien-Krieg kommt gleich die Kongokrise. Peter Scholl-Latour doziert in Albertville für den "Weltspiegel" (1964) über die Rebellen: "Sie sind unberechenbar wie wilde Tiere. Einmal streiten sie, einmal lachen sie. Immer sind sie gefährlich." Er sieht daher nur zwei Alternativen, entweder den "Rückfall in die Bestialität" oder den "Rückfall in finsterste Steinzeit". Höchste Zeit, daß deutsches Know-how eingreift.

Bevor jedoch die Militär- und Entwicklungsexperten randürfen, sind hier erstmal noch Abenteurer von altem Schrot und Korn gefragt. Durch den Zusammenschnitt zweier verschiedener Filmdialoge inszeniert Baer eine Moraldebatte zwischen Legionären: Hardy Krüger als der südafrikanische Söldner Peter in "Die Wildgänse kommen" (1977) und Siegfried "Kongo-Müller" Müller in einem Interview mit Walter Heynowski und Gerhard Scheumann in dem Dokumentarfilm "Der lachende Mann" (1965). Und das geht so:

Peter: "In Südafrika nennen wir die Schwarzen Kaffern, so wie ihr sie Nigger nennt. Ich mag sie nicht sonderlich, aber ich bring' sie auch nicht gerne um."

Kongo-Müller: "Es heißt immer 'die Söldner'. Sie kämpfen für ihr Vaterland oder eine bestimmte Richtung, die sie politisch vertreten. Und dasselbe tue ich auch im Kongo. Ich habe den Westen oder unsere westliche Ideologie im Kongo verteidigt."

Peter: "Ich weiß nur, daß ich nicht gerne Leute umbringe, die mich nichts angehen."

Kongo-Müller: "Ich bin für die Befreiung. Für die Befreiung aller Menschen - ob es die Preußen sind oder die Kongolesen."

Peter: "Für mich bedeutet das meine Fahrkarte nach Hause, ich kann mir meine Farm kaufen - sonst nichts. Ich töte also nur für mich und muß später damit leben. Sie, Sie glauben, für Ihre Ideen Menschen umbringen zu dürfen - ob sie nun richtig sind oder nicht."

Kongo-Müller: "Wir haben für Europa gekämpft im Kongo, für die Idee des Westens. Und zwar, um es ganz genau zu sagen, für Liberté, Fraternité und so weiter. Sie kennen diese ganzen Sprüche."

Peter: "Im Grunde haben wir beide 'ne merkwürdige Moral."

Auch egal, denn umbringen können sich die Afrikaner doch am besten gegenseitig? Nur, etwas deutsche Hilfe können sie dabei schon gebrauchen. Zum Beispiel Nigeria. Robert Hahn, in den Sechzigern im Verteidigungsministerium für Militärhilfe zuständig, kann da einige Anekdoten erzählen: "Mein Begleitoffizier, das war ein Niedlicher, der sah so aus wie einer von den Sarotti-Negern, kennen Sie? Mit seiner Frau hab' ich getanzt. War nicht entwicklungsbedürftig, war gut entwickelt."

Die niedlichen Neger kommen dann auch zu uns. Während Biafra mit liegengebliebenen Krupp-Kanonen von 1940 schießt, wurden die Flieger der nigerianischen Regierung in Uetersen ausgebildet. Und die stellten sich dabei gar nicht so dumm an, wie man gedacht hatte. Anschließend wird das deutsche Fernsehpublikum aufgefordert, für die notleidenden Kinder von Biafra zu spenden. "Der Blitzkrieg ist Wahnsinn", heißt es dazu in einem Filmschnipsel von Werner Herzog ("Fata Morgana", (1968-71).

Dann: Entwicklungsdiplomatie. Die Afrikaner hatten es ja auch bitter nötig. Leslie Benjamin Fereday, 1934 bis 1937 Bürgermeister von Salisbury, beschrieb das Problem einmal so: "Die Afrikaner waren immer lethargisch, niemals bemüht, voranzukommen und ehrgeizig zu sein. Sie hatten keinen Ehrgeiz damals. Und das Ziel war es, Ehrgeiz einzupflanzen." Oder, mit den Worten von Cecil Rhodes, sie "aus Faulheit und Müßiggang herauszuholen und ihnen freundliche Anreize zu geben, um hervorzukommen und die Würde der Arbeit zu erkennen".

Und wer sollte dazu besser geeignet sein als die Deutschen beider Staaten? Heinrich Lübke im Senegal. Erich Honecker legt in Addis Abeba den Grundstein für das erste Karl Marx-Monument Afrikas, Heinrich Lübke in Guinea, DDR-Offiziere besuchen Waffenbrüder in Sambia und Äthiopien, Heinrich Lübke in Togo, der gute alte T-34 Panzer der NVA wird nach Mo ç ambique ausgemustert, Heinrich Lübke in Liberia. Helfen, aber uneigennützig. In Somalia waren sie dann sogar beide vertreten, BRD und DDR zugleich. Mogadischu handelt man dort immer noch als Heldentat, wie ein TV-Reporter stolz berichtet.

Das alte Johnny Weissmuller-Motiv wird hier in einer Endlosschleife mit immer neuen Varianten wiederholt. Tarzan, Jane und eine ziemlich feindliche Umwelt, die etwas Zeit braucht, um zu begreifen, daß der weiße Mann eigentlich viel besser weiß, wo es langgeht. Nachdem sie diese Erkenntnis enthusiastisch mit Freudentänzen in exotischen Verkleidungen und bunten Kriegsbemalungen gefeiert haben, folgen die Neger ihrem neuen Herren murrend, aber treu.

Denn der hilft sogar, wenn es mal schlecht geht. Kaum gibt's eine Dürrekatastrophe in Somalia, und schon besinnen sich deutsche Rock- und Schlagersäger ihrer globalen Verantwortung. Juliane Werding, Wolfgang Niedecken, Ina Deter, Klaus Lage, Herbert Grönemeyer, Udo Lindenberg, Herwig Mitteregger und weiß Gott wer singen bei der "Band für Afrika" "Nackt im Wind". Das hatte man ja nun wirklich schon fast vergessen - und sinkt vor Scham noch etwas tiefer in den Fernsehsessel.

Doch da kommt auch schon die Wiedervereinigung. Jetzt aber richtig: Helfen! Tropentaugliche Uniformen für die Bundeswehr, endlich wieder deutsche Verkehrsschilder für die Einheimischen, ein Besuch des Verteidigungsministers in Belet Huen und echte Abenteuer auch für den einfachen Rekruten. Richtige Weihnachtsbäume gibt es hier inzwischen sogar auch.

"Befreien Sie Afrika!" ist die erste Folge einer dreiteiligen Reihe im Kleinen Fernsehspiel des ZDF. Sendetermin: 1. Februar, 23.55 Uhr. Es folgen "Rostov - Luanda" von Abderrahme Sissako (8. Februar, 00.05 Uhr) und "Die Macht der Wörter" von Jean-Marie Teo (22. Februar, 00.15 Uhr).