Woody Allens "Celebrity"

Help!

Wer wäre nicht gern berühmt, beachtet, reich und schön? Andy Warhol meinte einmal, daß jeder Mensch künftig fünfzehn Minuten Ruhm haben werde. Andere haben aus dem, was Warhol über den Daumen gepeilt formulierte, eine Verheißung geformt: Die gewissen fünfzehn Minuten, irgendwann kommen sie auch zu dir. Als würden einem fünfzehn Minuten ausreichen. Und: Die meisten werden nicht einmal eine Minute haben.

Da hier Versprechen und Erwartung auseinanderklaffen, sind Verzweiflung und Ernüchterung garantiert. Lee z. B. muß sich gar nicht anstrengen, er muß nur eine Einladung zu einem Klassentreffen wahrnehmen, um zu erkennen, was sein Leben wert ist: nichts. Seine ehemaligen Mitschüler, einst voller Leben, sind nun Zahnärzte und haben Haarausfall. Ihr Körper ist aus den Fugen, und die Hosen, die sie tragen, sind ausgebeult. Und noch schlimmer ist: Sie wirken sogar zufrieden. Aber wie kann Lee zufrieden sein, Mitte vierzig, freier Journalist mit Spezialgebiet Reisereportagen, gescheiterter Romanautor, verhinderter Drehbuchschreiber, mittleres Einkommen, trist verheiratet, zum Glück keine Kinder, wohnhaft New York?

Bereits in "Manhattan" hat Woody Allen seine Stadt schwarz-weiß gefilmt und von der Lebenskrise eines Intellektuellen erzählt. Doch "Manhattan" war melancholisch, und Woody Allen spielte die Hauptfigur selbst. "Celebrity" hingegen ist nur noch zynisch, und weil er für die Rolle des Mittvierzigers zu alt ist, wird Allen von Kenneth Branagh gespielt. Stoffelig versucht er jeder Interviewpartnerin sein halbfertiges Drehbuch aufzuschwatzen und landet dabei meistens mit ihr im Bett. Mit Melanie Griffith für einen Blow Job, mit Wynona Ryder, mit Famke Janssen - und mit Charlize Theron reicht es immerhin für einen Autounfall. Als er beim drogeninduzierten Gruppensex mit Leonardo DiCaprio versagt, schwinden seine letzten Chancen, in der Welt der Reichen anzudocken.

Seine Ex-Frau Robin (Judy Davis) hingegen wird es schaffen. Die traumatisierte Hysterikerin und von Selbstzweifeln geplagte Frau erholt sich im Sommerkloster eines bekannten Fernsehpriesters und lauscht dem Gesang gitarrespielender Nonnen. Sie entschließt sich zu einer Generalüberholung beim Schönheitschirurgen. Im Behandlungszimmer wird sie dann von Fernsehproduzent Tony entdeckt. Neuer Mann, neuer Job und keine Operation. Was ihr zum großen Glück noch fehlt, ist guter Sex. Weil sie beim oralen Sex schon einmal eine Zahnkrone verlor, nimmt sie Nachhilfeunterricht bei der Prostituierten Nina. Sie übt an einer Banane und verschluckt sich.

Woody Allen zeigt die Schadensprofile seiner Figuren. Die alternde Diva, der rüpelnde Nachwuchsstar, die generalverwirrte Gelegenheitsschauspielerin und das polymorph perverse Supermodel, das allein beim Händedruck multiple Orgasmen durchzucken, das zugleich aber schreckliche Angst vor Schnupfen hat, sind Figuren einer neurotisierten, korrupten, aber verführerischen Gesellschaft, und Lee steht davor wie ein armer Tropf und macht alles falsch, was man nur falsch machen kann. Dabei tauchen am Rand zwei bis drei interessante Fragen auf. Was wäre, wenn plötzlich alle aus irgendeinem Grund berühmt wären, das Schoßhündchen, die Großmutter, der Postbote?

Am Ende sieht man ein Flugzeug das Wörtchen "Help" in den Himmel malen. Der Zuschauer weiß Bescheid. Aber bis dahin wie immer: brüllend komisch, intelligent, charmant, perfekt gespielt, einfallsreich und was einem sonst noch zu Woody Allen einfällt.

"Celebrity". USA 1998. R.: Woody Allen, D.: Kenneth Branagh, Judy Davis, Joe Mategna, Melanie Griffith, Leonardo DiCaprio, Wynona Ryder. Start: 8. April