Leutheusser-Schnarrenbergeristen klagen an

Daß ein bürgerlicher Staat, der die Verwertungsbedingungen des Kapitals zu optimieren hat, die Existenz seiner Untertanen kontrollieren muß, um ersterer Aufgabe gerecht zu werden, diese Erkenntnis hat den Vertretern des Liberalismus noch nie ins Konzept gepaßt. Nun rüsten die Vorkämpfer der Bürgerrechte zum letzten Gefecht in Karlsruhe: Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, der ehemalige Bundestagsvizepräsident Burkhard Hirsch und der frühere Bundesinnenminister Gerhard Baum haben vor dem Bundesverfassungsgericht Beschwerde gegen den Großen Lauschangriff erhoben. Das Gesetz, das im vergangenen Jahr von einer Großen Koalition aus CDU/CSU, FDP und SPD verabschiedet worden war, stehe, so erklären die Kläger, im Widerspruch zur Verfassung.

Die vorgenommene Änderung des Artikels 13 Grundgesetz hat das Grundrecht auf Verletzlichkeit der Wohnung aufgehoben und ermächtigt die Strafverfolgungsbehörden, Gespräche in Privatwohnungen selbst ohne Vorliegen eines konkreten Verdachtsmomentes aufzuzeichnen. Die Kläger wollen nun den Nachweis führen, daß die Begleitregelungen, die den Eingriff ins Grundgesetz mindern sollten, entweder im Widerspruch zur Verfassung stehen, nichts taugen oder Versprechungen geblieben sind. Ein Jahr nach der Gesetzesänderung ist nicht einmal ansatzweise klar, wie eine Kontrolle der Lauschangriffe durch den Bundestag aussehen soll; der versprochene Lauschangriff-Bericht der Bundesregierung ist noch nicht einmal angekündigt. Zum 50jährigen Jubiläum des Grundgesetzes müssen die Richter in Karlsruhe nun entscheiden, welches Gewicht dem unter dem Druck der deutschen Niederlage 1945 entstandenen Recht zehn Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands noch zukommt.