Arbeitskonferenz "Befriedung oder Befreiung?"

Vollmerisierung der Gefangenen

Es gibt sie also noch, die Konferenzen, auf denen sich die Welt so leicht in Gut und Böse scheiden läßt: Im hintersten Zipfel von Berlin-Kreuzberg trafen sich am vergangenen Wochenende rund 300 Delegierte linker Organisationen aus über 40 Ländern zur Arbeitskonferenz "Befriedung oder Befreiung?"

So saßen sie sich dann in den sechs Arbeitsgruppen gegenüber: die junge Antifaschistin aus Nürnberg und der kurdische Anwalt, die guatemaltekische Ex-Guerillera und der Vertreter eines irischen Gefangenenkomitees. Die Diskussionen über Repression in den unterschiedlichen Staaten freilich blieb oberflächlich: So konstatierten die TeilnehmerInnen für die Bundesrepublik den faktischen Zusammenbruch der Gefangenensolidarität und die Tatsache, daß politische Gefangene aus der RAF nur noch durch ein individuelles Gnadengesuch an den Bundespräsidenten eine Chance auf Freiheit haben.

Die Frage, weshalb Ende Februar in der Evangelischen Akademie von Bad Boll Ex-Gefangene mit Stammheim-Richtern, PolitikerInnen und Polizeipräsidenten unter dem Motto "Wie gehen wir in Deutschland mit früheren Gewalttätern und Gewalttäterinnen um?" talkten - kein Thema für die TeilnehmerInnen. Daß dieser späte Sieg der grünen Pastorin Antje Vollmer, die schon 1987 RAF-Gefangene in persönlichen Briefen zur Versöhnung mit der Gesellschaft aufrief, auch mit der moralisch motivierten Gefangenensolidarität der achtziger Jahren zu tun haben könnte, blieb ebenfalls unkommentiert. 1987 hatten sich die RAF-Gefangenen und ihre UnterstützerInnen gegen solche "Befriedungsversuche" noch gewehrt.

Kongreß-Mitorganisatorin Ursel Quarck grenzte den Diskussionsrahmen gleich zu Beginn der öffentlichen Konferenzveranstaltung ein: Keine sterilen ideologischen Debatten wollte sie - und schon gar keine antinationalen. Statt dessen: dröhnende Identitätshuberei. Wie zur Hochzeit der Intifada-Solidarität geißelte ein palästinensischer Delegierter die "Judaisierung Jerusalems" und den "Weltzionismus". Als hätte es eine Diskussion über Antisemitismus in der Linken nie gegeben, bekam er dafür auch noch Applaus. Von kämpfenden Völkern war auf der Konferenz so häufig die Rede wie von deren Selbstbestimmungsrechten.

Einzig formuliertes Ziel blieb denn auch die Schaffung eines "Netzes der internationalen Solidarität" zur Freilassung der politischen Gefangenen weltweit; ein "Tag der Gefangenen" solle bestimmt werden - etwas, was die Gefangenenhilfsorganisation Rote Hilfe schon seit Jahren vergebens versucht. So sahen manche schon im Zusammenkommen so vieler unterschiedlicher Menschen einen Erfolg.