Fieses unterm Findling
Auf der "Ahnenstätte Conneforde" zwischen Wiefelstede und Varel bei Oldenburg finden nur Auserwählte ihre letzte Ruhestätte. Inmitten von deutschen Eichen und Heidekraut lassen sich altgediente SS-Kämpfer und NSDAP-Funktionäre unter Findlingen beerdigen. Pastoren und christliche Symbole sind auf dem Waldfriedhof unerwünscht.
Eine, die sich bereits zu Lebzeiten ihr Grab mit einem Findling auf dem in rechten Kreisen begehrten Friedhof gesichert hat, ist die ehemalige BDM-Führerin Gertrude Heer aus Hamburg-Blankenese.Zusammen mit dem Nazi-Anwalt Jürgen Rieger hatte die 89jährige Heer bis zur Verbotsverfügung 1998 die Geschicke der Heide-Heim-Vereine geregelt. Im gemeinsamen Zentrum der Vereine, Hetendorf Nr. 13, leugnete sie auch den Holocaust.
Ganz in der Nähe ihrer Wunschruhestätte, also nur ein paar Findlinge weiter, liegt ein NSDAP-Kreisleiter aus Schlesien, Doppelfunktionär der NPD und DVU. Ein paar Meter daneben ruht sein Namensvetter vom "Stahlhelm, Kampfbund für Europa".
Nur ab und zu, wenn Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke auf der Ahnenstätte nahe seiner Heimatgemeinde Varel mal wieder eine Grabrede gehalten hat und ein Helikopter für den Rückflug über die Dächer donnert, wird die Ruhe des Dorfes Conneforde gestört. Seit über 30 Jahren ist der Bauer und Politiker, der sich selbst als einen erdverwachsenen und sturmfesten Niedersachsen sieht, ein gefragter Mann bei Beerdigungen. Immer wieder brachte Funke "aus Christenpflicht", wie er sagt, Verstorbene im Schatten von Hagalsrunen, Sonnenwendplatz und Irminsul-Altar unter die Erde.
Den Kontakt stellen Bestattungsunternehmer oder die Hinterbliebenen selbst her. "Die bitten mich", erklärte Funke jüngst gegenüber einem Münchner Magazin: "Karl-Heinz, kannst du die Trauerrede halten? Und ich spreche dann auf pietätvolle Art und Weise am Grab." Nach der politischen Vergangenheit der Verstorbenen fragt er nicht, denn mit Politik habe das nichts zu tun: "Mir ist egal, ob ich Massenmörder, Kommunisten oder Nazis beerdige." Diese Leute wollten nicht auf den kirchlichen Friedhof, und da gebe es eine alte Absprache mit der Kirche, daß er sie auf der Ahnenstätte beisetze. Das sei in den letzten Jahren regelmäßig geschehen, bestätigt Funke.
Es scheint dem Sozialdemokraten auch egal zu sein, daß der Vorsitzende des Ahnenstättenvereins, Alfred Manke, seinem ehemaligen Parteivorsitzenden und Bundeskanzler Willy Brandt ein schnelles Ende gewünscht hat. Der 69jährige Manke aus Bassum war Mitbegründer der NPD und Mitinitiator der Aktion Widerstand. Unter dem Motto "Brandt an die Wand!" und "Deutsches Land wird nicht verschenkt, eher wird Brandt gehängt!" machte die Aktion Widerstand 1970 gegen die Ostverträge der SPD-geführten Bundesregierung Front.
Heute sieht Manke, gelernter Buchdrucker und Verleger, seine Pflicht in der Bewahrung und Weitervermittlung "deutscher Traditionen". Denn für ihn sind Grabanlagen "ein deutliches Sinnbild des Gemeinschaftsgeistes, der Zucht und der Ordnung". Besonders stolz ist Manke darauf, daß der Verein als gemeinnützig anerkannt wurde. Die mit der Anerkennung verbundenen Steuervorteile hat der nicht gerade unvermögende Verein jedoch gar nicht nötig.
Daß die Rechten seit 40 Jahren in Conneforde die letzte Ruhe finden können, wurde vor allem von der "braunen Prinzessin", Marie Adelheid Reuß zur Lippe, möglich gemacht. Die frühere Vertraute von Walter Darré ("Das Schwein als Kriterium für nordische Völker und Semiten", 1933), im Dritten Reich Landwirtschaftsminister, Reichsbauernführer und Chef des SS-Rasse- und Siedlungshauptamtes, gründete 1958 zusammen mit rechten Freireligiösen die Ahnenstätte.
Zusammen mit ihren Kameraden aus alten Tagen war sie in den fünfziger Jahren auch bei der Unterwanderung der christlichen Rheinhessischen Freiprotestanten aktiv, die nach der feindlichen Übernahme kurzerhand in Deutsche Unitarier Religionsgemeinschaft (DUR) umbenannt wurde. Außer mit der DUR, die als "Nazi-Sekte" bezeichnet werden darf, war die Prinzessin mit dem Holocaust-Leugner Thies Christophersen verbunden. Mittlerweile sind beide in Walhalla vereint.
Bereits für die NSDAP war Conneforde eine Kultstätte, an der Sonnenwendfeiern abgehalten wurden. "Der kleine historische Ort Conneforde kennt nur einen großen Tag im Jahr", wußte bereits 1936 das damalige Regionalblatt Der Gemeinnützige/Vareler Zeitung zu berichten: "Das ist der Tag im Juni, an dem aus nah und fern Volksgenossen hierher eilen, um die Feier der Sommer-Sonnenwende mitzuerleben."
Bei der Bezirksregierung in Oldenburg kennt man die Geschichte und Gegenwart der Ahnenstätte. Aber eine juristische Handhabe, um gegen das Treiben vorgehen zu können, gibt es nicht. Denn Friedhofsrecht gehört zum Kommunalrecht. Und Ahnenstätten zu unterhalten, ist nicht verboten.
Mit diesem Gesetz kennt sich Manke, der sich auch damit rühmt, noch die Gründungsmitglieder des Ahnenstättenvereins kennengelernt zu haben, bestens aus. Auf Nachfragen antwortet er deutlich: "Gegen uns wird rumgeschnüffelt wie bei den Juden im Dritten Reich" und führt Funke als demokratischen Leumund an: "... außerdem spricht bei uns auch Herr Funke aus Varel!"
Das wiederum will dem Bundeslandwirtschaftsminister gar nicht passen: "Ich lasse mich nicht in die rechte Ecke stellen", sagt Funke und betont, daß er "diesen Herrn Manke" nur von einem 90. Geburtstag kennt. Ansonsten hätte er mit den Betreibern der Ahnenstätte nichts zu tun.
Doch nicht nur als Grabredner stand Funke in Conneforde zur Verfügung: 1995 durfte er sogar als "Feuerredner" bei einer Sonnenwendfeier an dem Kultort auftreten.