Was die OSZE im Kosovo wirklich wollte

Autopsie einer Mission

Im noblen Hotel "Alexander Palace" in Skopje sind wieder Zimmer frei. Die teuersten Zimmer. Denn zwei prominente Weltenlenker sind vor einigen Wochen gen USA abgeflogen: William Walker, bisher Chef der Kosovo-Beobachtermission der OSZE und sein Bürochef Mike Phillips.

So schnell werden die beiden wohl nicht wiederkommen. Denn obwohl die OSZE sich auf einen neuerlichen Einsatz im nunmehr halbwegs befriedeten Kosovo vorbereitet, nagt die Vergangenheit schwer an der Reputation der Balkan-Beobachter.

So fanden die Delegationsleiter der 55 OSZE-Mitgliedsstaaten im Wiener Hauptquartier erst kürzlich ein etwas ernüchterndes Schreiben in ihren Postfächern. Frankreichs OSZE-Botschafter und bisheriger stellvertretender Chef der Mission im Kosovo, Gabriel Keller, lieferte auf neun Seiten eine detaillierte Fehleranalyse der Zeit von November 1998 bis März 1999. "Im allgemeinen behaupte ich, daß die Kosovo-Beobachtermission ein Fehlschlag war", beginnt Keller seinen Rückblick. "Heute, zwei Monate nach unserer Evakuierung aus dem Kosovo, befinden sich die Beobachter noch immer in Mazedonien und Albanien. Sie sind mit verschiedenen Aufgaben betraut, aber keine von diesen Aufgaben ist durch unser ursprüngliches Mandat gedeckt", so Keller. "Diese Aufgaben sollten vom UNHCR und einigen NGO wahrgenommen werden."

Daß die OSZE auch schon während ihres Intermezzos in Pristina nicht ausschließlich Aufgaben erfüllte, die in ihrem UN-Mandat festgeschrieben waren, hat auch Keller bemerkt: "In der öffentlichen Meinung der Serben herrscht die Vermutung vor, daß die OSZE undercover für die Nato tätig war. Wir haben diese Vermutungen nicht zerstreut. Im Gegenteil." Dies mußte auch ein anderer hoher OSZE-Beobachter kürzlich während eines geheimen Hearings zugeben: General Karol Drewenkiewicz, ein Brite polnischer Herkunft, gab zu, 250 GPS-Ortungssysteme im Kosovo gelassen zu haben. Sie wurden nach Informationen aus Wiener OSZE-Kreisen ausschließlich zur Zielmarkierung für die späteren Nato-Luftangriffe benutzt.

Obwohl die OSZE recht bemüht bei der Kontrolle serbischer Truppenbewegungen war, gelang ihr das mit den Truppen der Kosovo-Guerilla UCK nicht so ganz: "Die UCK hat niemals versucht, die Situation zu entspannen. Jedem Rückzug der jugoslawischen Armee folgte ein Nachrücken der UCK-Einheiten. Die OSZE hat immer wieder den Rückzug serbischer Einheiten gefordert, die UCK hat davon profitiert", schreibt Gabriel Keller.

Offenbar hatte die OSZE-Mission auch ein etwas seltsames Rollenverständnis: "Die Kosovo-Mission, ursprünglich zivil, wurde schnell und exzessiv militarisiert", heißt es in dem Bericht, der Jungle World vorliegt. Vielleicht aber suchte die OSZE, mit ihrer Militarisierung nur die politische Orientierungslosigkeit zu kompensieren: "Die politische Dimension der Mission war zu geringfügig. Es gab in dieser Hinsicht keine Führung. Bei den Sitzungen des Missionschefs und seiner sechs Stellvertreter ging es lediglich um praktische Entscheidungen, nicht aber um politische Strategien."

Die Bindung der OSZE an die Nato bekamen auch jene Beobachter zu spüren, die aus neutralen Staaten kamen: "Eine wachsende Anzahl der Missionsmitglieder, allesamt aus neutralen Staaten, fühlten, sich mehr und mehr unbehaglich, weil die Missionsleitung nicht auf die Politik ihrer Staaten Rücksicht nahm", weiß Keller. Insbesondere die Beobachter aus Nato-Staaten hätten sich gegenüber den serbischen Behörden autoritär und provozierend verhalten. "Es war leicht festzustellen, von wem das Gebiet besiedelt war, durch das wir gerade fuhren: In serbischen Gebieten wurden wir mit Steinen beworfen, in albanischen Gebieten empfing man uns mit Applaus und dem Victory-Zeichen".

Im wesentlichen, so analysiert der Nato-Diplomat, sei das sogenannte Massaker von Racak am 15. Januar ein Wendepunkt gewesen. "Das ohnehin schon sehr angespannte Verhältnis zu den serbischen Behörden geriet an einen Nullpunkt. Auch die Aggressivität der UCK war sehr hoch: Die Entführung von Polizisten, die Verlegung von Minen und die Ermordung von Zivilisten nahmen erschreckend zu."

Abschließend rät Keller, die OSZE-Mission aufzulösen. Bis dahin aber sollte die Organisation nach Kellers Diagnose nur auf dem untersten Level weiterexistieren: "Meine Schlußfolgerung aus all dem ist folgender Ratschlag: Das Personal bis auf ein absolut notwendiges Minimum zu reduzieren. Notwendig sind nur noch Leute zur Sicherung unserer Fahrzeuge und zur Buchhaltung. Alle anderen Aktivitäten sollten den dazu fähigen Organisationen übergeben werden."