IG-Farben i. A. beschließt

Entschädigungsleistungen Angeschindlert

Am 18. August meldeten die Agenturen: "IG Farben gründet Stiftung für Zwangsarbeiter". Diese Aussage ist weder ganz richtig noch ganz falsch, auf jeden Fall aber eine hervorragende Werbung, die sich besser wohl auch keine teuer bezahlte Agentur hätte einfallen lassen können. Über "Entschädigungswillen" gegenüber NS-Opfern zu schwätzen, ist derzeit angesagt, und die eleganteste Version ist immer noch die, die nichts kostet. Wen interessiert es - außer den wenigen Überlebenden selbst - was sich in der Realität hinter solchen Absichtserklärungen und Stiftungsgefasel verbirgt?

Der Frankfurter Liquidationsfirma IG Farben in Abwicklung - juristische Erbin des NS-Konzerns IG-Farben - ist es 1999 erstmals seit vielen Jahren gelungen, positive Schlagzeilen zu erhalten. Das ist viel wert für die kleine Aktiengesellschaft, deren alljährliche Hauptversammlung auch internationale Presse anlockt und die schon beinahe traditionell von Aktionen der "Kritischen Aktionäre" und den Forderungen ehemaliger IG-Farben-Zwangsarbeiter begleitet wird. "IG Farben sofort auflösen!" hieß es am 18. August wie auch in den Jahren zuvor auf den Plakaten der Kritikerinnen und Kritiker. Davon ist, wie auch von einer sofortigen Entschädigung der noch lebenden IG-Opfer, in den Beschlüssen der Wertpapierinhaber auch 1999 selbstverständlich keine Rede.

Statt dessen hat man sich auf der Versammlung der Aktionäre nun einen offiziellen Status zugelegt, der ein weiteres Bestehen der Gesellschaft absichert: Eine Stiftung wird gegründet, die anhängige Entschädigungsforderungen bearbeiten soll. Das kann lange dauern, denn immerhin liegen zur Zeit 450 Klagen ehemaliger IG-Zwangsarbeiter vor.

Mit der Stiftungsarbeit begonnen werden soll bereits im kommenden Jahr. Das klingt nach Eile aus Einsicht - ist aber in Wirklichkeit nur ein Beleg dafür, daß IG Farben i.A. keine Zeit verlieren will, den Ruf der Firma aufzupolieren. Nicht mehr nur Auschwitz, Zyklon B, Zwangsarbeit auf der Buna-Baustelle und das IG-KZ in Auschwitz-Monowitz sollen künftig die Presseberichterstattung um die IG-Abwickler bestimmen, sondern das Zauberwort "Entschädigung".

Dieser Sprung in die Gemeinschaft der scheinbar einsichtigen und "guten" Entschädigerfirmen, scheint IG-Farben i.A. nun gelungen zu sein. Daß in der Realität nicht die großspurig verkündete Summe von "drei Millionen Mark für die Stiftung" (wenig genug wäre es immer noch), sondern nur deren Zinserträge für wirkliche Entschädigungsleistungen eingeplant sind, wird in der Presseberichterstattung kaum erwähnt. Es handelt sich um ganze zwei- bis dreihunderttausend Mark im Jahr, die von der beschlossenen Entschädigungs-Stiftung ausgegeben werden können.

Beinahe einmütig haben die IG-Aktionäre diesen sauberen Beschluß gefaßt. Genauso einmütig einen anderen: IG Farben i.A. will in den nächsten Jahren juristisch gegen die Schweizer Bankgesellschaft (SBG) vorgehen und wohl auch die Schweizer Regierung auf Öffnung einiger Archive verklagen. 4,4 Milliarden Mark fordert man zurück - ursprünglich vor den Alliierten verstecktes Vermögen. Die Dreistigkeit der IG-Aktionäre ist nicht zu überbieten: Selbstverständlich habe man in den vierziger Jahren Kapital verschoben! Sonst wäre es doch enteignet worden! - Wie ein Lausbubenstreich werden die Transaktionen heute eingestanden und gleichzeitig sorgfältig vermieden, die damaligen Profitquellen zu erwähnen. Wen interessiert's noch außer jenen, die in Auschwitz III Zwangsarbeit leisten mußten und noch leben? Gerade für die, so die Sprecher der heutigen Liquidationsgesellschaft, wolle man doch aber die Milliarden auch zurück! Um eine schöne große Stiftung aufzubauen ...

Es ist zumindest nicht auszuschließen, daß IG Farben i. A. mit diesem Trick einen Teil ihres "verschweizerten" Kapitals erfolgreich einklagt und in die Geschichte eingehen wird als eine Vereinigung, die nicht nur das Erbe von Zyklon B und Buna verwaltete, sondern zu jenen gehörte, die den paar noch lebenden NS-Opfern später ein paar Mark zusteckten. So kommt man heute noch auf die stetig anwachsende Liste der Schindlerdeutschen. Wen interessiert denn, wie es wirklich war?