Deutschmark fürs Amselfeld

Die UN-Verwaltung treibt die Abtrennung des Kosovo von Jugoslawien voran, hat aber den Machtansprüchen der UCK nichts entgegenzusetzen

Schon fast rührend wirkte es, als Bernard Kouchner, der Chef der Zivilverwaltung der UN, am Freitag vergangener Woche die Einführung von Zollkontrollen an den Grenzen des Kosovo zu Albanien und Mazedonien begründete. Mit den Zollsätzen von zehn bis 50 Prozent soll nicht nur rund die Hälfte der schätzungsweise 65 bis 75 Millionen Euro (130 bis 150 Millionen Mark) aufgebracht werden, die die Verwaltung der Provinz bis Ende des Jahres kosten wird.

Darüber hinaus sollen die 25 Zöllner, die Kouchner am Freitag am mazedonischen Grenzübergang Djeneral Jankovic in Dienst stellte, sowie 75 Kollegen, die zur Zeit noch ausgebildet werden, nicht weniger als "den Kampf gegen die diversen Mafias aufnehmen, die ich ihnen nicht näher beschreiben werde, die aber hier sehr gut bekannt sind", wie der Administrator erklärte.

Der Schmuggel von Konsumgütern von Waschmaschinen bis Heroin, vor allem über die Grenze zu Albanien, stellt derzeit im Kosovo den bedeutendsten Wirtschaftszweig dar, über den sich die UCK und zahlreiche mit ihr verquickte bewaffnete Banden finanzieren. Deren Mitglieder dürften über die ehrgeizigen Pläne des schöngeistigen Franzosen herzlich gelacht haben.

Zumal Kouchner den Vorkämpfern einer Abtrennung der völkerrechtlich noch zu Jugoslawien gehörenden Provinz einen weiteren Grund zum Schenkelklatschen mitlieferte: Die Zölle sollen nämlich nicht in jugoslawischen Dinar entrichtet werden - die bis dato im Kosovo das offizielle Zahlungsmittel waren und nach der Resolution 1 244 des UN-Sicherheitsrats auch bleiben sollten -, sondern in Deutscher Mark. Wer darauf besteht, weiterhin die Landeswährung zu benutzen, auf den kommt eine Strafgebühr in ungenannter Höhe zu. Erstmals hat damit die D-Mark, die in allen früheren jugoslawischen Teilrepubliken eine Art Leitwährung darstellt, auf dem Balkan legalen Status erhalten. "Ein weiterer Schritt zur gewaltsamen Beseitigung der jugoslawischen Souveränität", wie die Belgrader Nachrichtenagentur Tanjug kommentierte.

Er habe diese Entscheidung alleine gefällt, ohne die jugoslawische Regierung zu informieren, erklärte Kouchner. Das bedeute jedoch keine Abschaffung des Dinar. Vielmehr gälten ab sofort im Kosovo alle Währungen als legal. Es könne aber nicht angehen, daß drei oder vier Währungen parallel gebraucht würden. "Und da die D-Mark im Gebrauch war, die auch in einem ausgewogenen Verhältnis zum Euro steht und die nötige Stabilität aufweist, haben wir ganz einfach akzeptiert, was ohnehin schon längst impliziter Fakt war."

Kouchner, das wird immer deutlicher, ist mit seiner Aufgabe überfordert. Täglich muß er sich von den beiden dominierenden Bevölkerungsgruppen im Kosovo vorführen lassen. Als Momcilo Trakovic, der Führer der Kosovo-Serben, Mitte August forderte, das Kosovo in ethnisch sortierte Kantone aufzuteilen, um die verbliebene serbische Zivilbevölkerung gegen Attacken rachsüchtiger Kosovo-Albaner und marodierender UCK-Pensionäre zu schützen, verweigerte ihm Kouchner die Zustimmung. Nun muß er dennoch beginnen, gefährdete Kosovo-Serben aus bestimmten Gebieten der Provinz zu evakuieren.

Das sei nur eine vorübergehende Maßnahme, verspricht Kouchner. Tatsächlich ist es der erste Schritt zu bosnischen Zuständen: Auch dort mußten Serben, Kroaten und Moslems anfangs nur "aus Sicherheitsgründen" umgesiedelt werden, auch dort hieß es, es handle sich um eine "vorübergehende Maßnahme". Fast vier Jahre nach der Unterzeichnung des Dayton-Abkommens ist die vorübergehende Maßnahme unvermindert in Kraft. Viel Arbeit wird die Umsiedlung der UN-Mission ohnehin nicht mehr bereiten: Von dem zehnprozentigen Bevölkerungsanteil, den die Serben im Kosovo einst stellten, befinden sich noch ganze zwei bis drei Prozent in der Provinz.

Zur größten Sorge der internationalen Verwaltung ist unterdessen die Pensionierung ehemaliger UCK-Kämpfer geworden. Am 19. September schon sollen sie endgültig demilitarisiert sein. Richard Holbrooke, ehemaliger Balkan-Vermittler und neuer Botschafter der USA bei den Vereinten Nationen, weiß um die Gefahren dieses Vorhabens: "Wir werden eine Menge Leute haben, die nichts zu tun haben. Und denen müssen wir eine Aufgabe zuweisen", gab er letzte Woche bei einem Besuch in Pristina zu bedenken.

Für den Fall, daß die Verwandlung der Helden zu Staatsbürgern nicht gelingen sollte, drohen die USA mit ihrem Rückzug aus dem Kosovo. "Wenn es offensichtlich wird, daß die Leute, denen wir helfen wollten, nicht gewillt sind, einen demokratischen Weg einzuschlagen", so Joe Biden, der Vormann der regierenden Demokraten im Auswärtigen Ausschuß des Senats, "wird unser Engagement in der Provinz über Nacht verschwinden."

Wie ernst es den UCK-Kämpfern mit dem Willen zur Demilitarisierung ist, das könnte sich bereits ab dem 15. September zeigen. An diesem Tag sollen nach bisheriger Planung mehr als 1 000 jugoslawische Zöllner ins Kosovo zurückkehren, um dort ihren Dienst zu verrichten. Ob es dabei bleibt, nachdem die UN-Verwaltung zumindest nominell ihr eigenes Zollregime errichtet hat, ist ungewiß.

So wird wohl auch dieser Rest jugoslawischer Souveränität bald verschwunden sein. Und was kommt danach? Wenn die Zeit dafür gekommen ist, bekräftigte UCK-Führer Hashim Thaqi letzte Woche gegenüber dem britischen Außenminister Robin Cook, erwarte er die "internationale Anerkennung" seines Machtanspruchs. Lange wird er nicht mehr warten müssen.